Ortsgespräch: Monika Dobler, 25 Jahre Glatteis-Krimibuchhandlung

Ihr kann man blind vertrauen: Monika Dobler von der Buchhandlung Glatteis ist eine der besten Krimikennerinnen der Stadt

Frau Dobler, wie viel Freude macht es Ihnen eigentlich, wenn Sie sich jemandem, der Sie noch nicht kennt, damit vorstellen können, dass Sie in einem Geschäft arbeiten, das sich mit Mord und Totschlag befasst?

Manchmal ist es schon ein bisschen komisch, wenn Leute zu mir ins Geschäft kommen – und sich dann schnell entschuldigen, wenn Sie erfahren, dass es eine Krimibuchhandlung ist. Das ist doch ein ganz normales Geschäft für Bücher. Wir haben zu zehn Prozent andere Romane, zu 90 Prozent eben Krimis.

Nichts Verwerfliches. Und natürlich kann man ja vermutlich auch jedes „normale“ Buch auch bei Ihnen bestellen.

Selbstverständlich! Einige Leute, die zum ersten Mal reinschauen, drehen dann schnell wieder ab. Aber zum Glück bleiben viele – und sagen: Dann schaue ich mich halt mal um.

Das lohnt sich ja auch sehr bei Ihnen.

Manche fangen schnell an, über Krimis zu reden – warum man liest und warum nicht. Das ist dann natürlich mein Ding. Dann erkläre ich Ihnen gerne, dass es nicht nur Sherlock Holmes gibt, sondern dass es richtig tolle Kriminalliteratur gibt – mit einer unglaublich großen Bandbreite. Für mich ist ein richtig guter Kriminalroman, wenn man in ihm gleichzeitig auch liest, in welcher Gesellschaft man sich bei ihm bewegt. Man erfährt einfach mehr von einer Stadt, den Strukturen, den Hintergründen, den Machtverhältnissen und von der Politik. Ich versuche den Leuten schon aufzuzeigen, was es gibt: Es gibt ja ganz harmlose, es gibt witzige Krimis. Und natürlich habe ich Kunden, die wollen richtig anspruchsvolle Literatur in der Kriminalliteratur lesen.

(c) Krimibuchhandlung Glatteis

Ein bisschen geht man ja auch in eine Buchhandlung – wie zu einer guten Freundin oder sogar einer Art Therapeutin, um eine gute Empfehlung zu bekommen, die bestenfalls nicht nur Zeitvertreib ist, sondern auch ein Leben verändern kann.

Absolut. Bücher haben diese Kraft.

Wie lange brauchen Sie denn, um den Leuten in die Augen zu schauen, um zu spüren: Das könnte zu Ihnen passen?

Manchmal geht das schnell. Ich lag aber auch schon daneben. Am Anfang kam mal eine ältere Dame zu mir ins Geschäft und wollte einen Krimi empfohlen bekommen. Ich bin in die Ecke gegangen mit den Büchern, von denen ich dachte: Für sie vielleicht nicht so heftig. Es hat sich dann rausgestellt, mit diesen Cozy Crimes brauch ich ihr überhaupt nicht zu kommen.

Tatsächlich?

Inzwischen frage ich die Leute einfach, was Sie sonst gerne lesen, um dann in diese Richtung etwas für sie zu finden. Und bei Stammkunden, die gerne mal Ähnliches lesen, sage ich halt ab und an: Heute kriegen Sie mal was ganz anderes!

Fällt es schwer, wenn man ein bisschen mit in die Verantwortung gezogen, ob ein Buch gefällt oder nicht?

Ich empfehle natürlich am liebsten Krimis, die ich selbst kenne. Und wenn es dann schief geht, dann kann ich auch nur sagen: Tut mir leid. Ich kann dann aber erklären, warum ich das Buch gut finde. So ist es dann gar nicht so schlimm, wenn ich mal nicht ganz den Geschmack getroffen haben solle. Ärgerlich wäre es doch, wenn man zu einem Buch rät, das man selbst nicht kennt und dann nicht mal richtig reagieren kann, wenn man keine Argumente hat.

Sie lesen viel: Wie genau sieht Ihr Pensum aus?

Ich habe immer einen Krimi in der Tasche. Natürlich. Mindestens einen neuen zu Hause, einen für den Laden. Meistens lese ich gleich zwei oder drei auf einmal. Aber ich lese ja nicht immer alles Seite für Seite. Das sind dann Bücher, bei denen ich nur wissen will, für wen sie geeignet sein könnten. Bei ihnen lese ich ein bisschen am Anfang rein. Und wenn ich denke, er ist das gut, dann springe ich in die Mitte und dann zum Ende. Bei anderen Romanen kann sich selbst nicht mehr aufhören. Die lese ich dann zwei Tage oder länger. Das schaffe ich natürlich am Wochenende. Ich will immer bis an den Punkt kommen, dass ich was dazu sagen kann.

Wie groß und wild muss denn eine Stadt sein, dass sie ein genug Potenzial für einen Krimibuchhandlung hat?

München ist eine Stadt voller Krimifans. Aber ich verkaufe schon auch Krimis außerhalb Münchens. Ich hatte einen langjährigen Kunden, leider inzwischen verstorben, der hat fast 20 Jahre lang bei mir Bücher bestellt. Ich bin dann sogar zu seiner Beerdigung nach Ludwigshafen, weil wir uns so gut verstanden hatten. Früher telefonierten wir jede Woche, er war mein wandelndes Lexikon.

Wie das?

Er hatte 45.000 Krimis im Keller. Immer wenn ich ihn etwas gefragt habe, sagte er nur: Fünf Minuten, ich rufe zurück! Dann hat er mir alles berichtet, was ich wissen musste. Einmal im Jahr kam er zu mir in den Laden nach München. Natürlich musste ich mich von ihm verabschieden. Witzigerweise komme ich mit Männern oft viel besser zurecht. Die Frauen haben auch einen anderen Geschmack. Es gibt ganz viele Männer, die mir blind vertrauen.

Ich will mich jetzt nicht als Küchenpsychologe versuchen. Aber wie erklären Sie sich den unterschiedlichen Interessen der Frauen?

Frauen mögen oft gern Fieses. Für sie darf schon ein wenig Quälerei dabei sein.

Ernsthaft?

Männer bevorzugen Romane, in denen sie eine ganze Welt kennenlernen – mit Hintergründen, mit Politik, Macht und mit gesellschaftlichen Zusammenhängen. Frauen sind da oft anders. Ich hatte mal eine Kundin, die ich sehr mochte und immer wieder Bücher empfahl. Sie hat nicht selten gesagt: Schon spannend, aber zu wenig blutig!

Monika Dobler (c) Rupert Sommer

Ulkig. Wie erklären Sie dann die Flut Schmunzel-Krimis – gerne mit Lokal-Kolorit?

Diese Kulinarik- und Regional-Krimis funktionieren bei uns nicht so richtig. Autoren wie Klüpfel und Kobr mit ihrem Kluftinger oder die Bücher von Rita Falk, kann ich schon bestellen. Aber dann stehen sie oft viel zu lange im Regal. Solche Bücher kaufen die Leute woanders.

Kein Geschäft für Sie?

Ich habe schon auch eine Ecke mit Regionalen. Inzwischen gibt es auch sehr viele München-Krimis – von jeder Schattierung, von nett bis anspruchsvoll.

Aus der Friedrich-Ani-Klasse? Er ist auch ein treuer Fan Ihres Hauses.

Absolut. Er ist ein toller Freund geworden. Und er ist ein guter Kunde, der mich schon lange begleitet – auch mit seinen wunderbaren Lesungen wie auch zu unserem großen Geburtstagsfest.

Was kauft jemand wie Friedrich Ani?

Oh, der liest beeindruckend gute Krimis. Gott sei Dank auch das gerne, was ich selbst gerne lese. Ab und an kann ich ihm aber schon etwas empfehlen, was er noch nicht so auf dem Schirm hatte. Kürzlich erst hat er 50 Bände George Simenon bei mir gekauft. Also nicht die Kommissar-Maigret-Krimis, die hatte er ja schon zu Hause. Er wollte dann auch die anderen Romane vollständig lesen: Es sind Romane, die gleichzeitig Krimis sind. Es passieren halt immer irgendwelche Dinge, die nicht so ganz in ein legales Leben gehören. Auf seiner Lesung wird er sicher auch davon sprechen – er hat ja so Vieles im Blick und kann immer aus dem Vollen schöpfen.

Interview: Rupert Sommer

Mörderisch gut: MONIKA DOBLER gründete vor 25 Jahren zusammen mit der leider bereits verstorbenen Gabriele Fauser, der Witwe des Münchner Kultur-Krimiautors Jörg Fauser („Der Schneemann“) die Kriminalbuchhandlung Glatteis. Den Namen entliehen sie von einem Hans-Werner-Klettenbach-Krimi. Am 26. September feiert Münchens erste Adresse für den kultivierten Grusel ihr erstes Vierteljahrhundert – mit einem großen Buchfest. www.glatteis-krimi.de