Slowdive entführen in der Muffathalle in die Neunziger

IN München-Review: So wars … bei Slowdive

Everything is Alive: Die britischen Shoegaze-Legende Slowdive entführen in der Muffathalle in die Neunziger und treffen damit den Zeitgeist

Die junge Frau steht hinten am Tresen und liest, vorne beschließt gerade die Supportband Pale Blue Eyes ihr Set – die klingt eher nach Ride als nach Velvet Underground, schöner Applaus, alles richtig gemacht für heute Abend. „Nathan der Weise“ von Lessing liest die junge Frau, „ein tolles Buch“, urteilt sie auf Nachfrage.

Wer gedacht hat, dass er als Fan der Band seit den Neunzigern nur auf Gleichaltrige trifft, wird beim Gang durch die (seit Wochen) ausverkaufte Muffathalle eines Besseren belehrt: Selten so ein gemischtes, ja, diverses Publikum gesehen in letzter Zeit, zumindest für eine Band, die sich 1995 aufgelöst, sich 2014 wiedervereint hat und 2017 mit dem Album „Slowdive“ 25 Jahre nach dem Klassiker „Souvlaki“ erneut in aller Munde war. Und zwar auch bei einer neuen Generation, die die alten Shoegazer nun als Dream Pop feierten.

Dass Neil Halstead und Rachel Goswell, die beiden Vokalisten der Band, zwischendurch fast schon Kultstatus mit ihrem Projekt Mojave 3 erreichten, soll hier nicht verschwiegen werden. Nach dem auch soundmäßig noch sehr verwischten Eröffnungssong „Shanty“ vom neuen Album „Everything Is Alive“ kommt mit „Star Roving“ ein frühes, ziemlich griffiges Highlight – der klirrende Gitarrenriff setzt sich sofort fest, Halsteads verhallter Gesang, plötzlich ist es wieder Mitte der Neunziger, auch wenn der Song vom 2017er Comeback-Album stammt.

Und obwohl Bassist Nick Chaplin sein Instrument so tief trägt, wie Kollege Simon Gallup von The Cure – kein bisschen Posing ist auf der Bühne auszumachen, eine weiße Federboa am Mikroständer der blondschwarz gefärbten Rachel Goswell ist das einzige, was darauf schließen lassen würde, dass hier eine weltbekannte Rockband und nicht das Klassentreffen des Abschlussjahrgangs 1988 der Reading School auf der Bühne steht.

Der Sound wird trotz allen Halls klarer, obwohl er in der hinteren Hälfte etwas lauter hätte sein dürfen. Angetrieben von Drummer Simon Scott liefern die beiden Gitarristen Halstead und Christian Savill effektvolle, flirrende Soundkaskaden, bei älteren Stücken wie „Catch The Breeze“ und „Souvlaki Space Station“ werden diese auch mal mit vom Publikum gefeierten Noise-Attacken angereichert.

Doch irgendwie mag der Funke nicht so richtig überspringen: Nach einer von Goswell und Halstead zwar schön gesungenen, aber irgendwie vielleicht auch aufgrund des Sounds wenig greifbaren Version des Eternal-Covers „Sleep“ und einem leider etwas hemdsärmeligen „Kisses“ vom aktuellen Album, das in der Studioversion ein bisschen an Cigarettes After Sex erinnert, beschließen „Alison“ und eine recht rockige Ausgabe von „When The Sun Hits“ dieses durchwachsene Set, dessen schwächere Momente vielleicht auch ein bisschen der Unnahbarkeit der Musizierenden geschuldet war.

Nach eher verhaltenem Applaus kommt die Band für den Übersong „Sugar For The Pill“ noch einmal zurück auf die Bühne; mit der formidablen Coverversion von Syd Barretts „Golden Hair“ geht das Konzert trotzdem versöhnlich zu Ende – für „Dagger“, das am Vorabend in Prag noch gespielt wurde, hätte man in München wohl ein bisschen lauter klatschen müssen.