In der ausverkauften Muffathalle beweist Lady Blackbird, dass sie zu den großen Stimmen des Jazz & Soul gehört
Was für ein Auftritt: Nach dem lässigen Support des Londoner Duos Gee Jay (Neo-Cooljazz von Sängerin Gina Jane und ihrem Pianisten und Produzenten Jacob Lobo), der mit reichlich Applaus belohnt wurde, sorgt Marley Siti Munroe, die sich als Künstlerin Lady Blackbird nennt, allein schon mit ihrem Bühnenoutfit für Staunen beim Publikum. Mit weißem Afro, Corsage, Cape und Federn ist die in New Mexico geborene Afroamerikanerin im wahrsten Sinne des Wortes ein Paradiesvogel – und sobald sie nach einem kurzen Intro anfängt ihren Signature Song „Blackbird“ zu intonieren, ist es um das Publikum inklusive Autor geschehen.
Selten so eine Stimme gehört und man muss sich schon fragen, warum eine Adele zehnmal ein Stadion füllt und Lady Blackbird „nur“ in einer zwar ausverkauften, aber zur Hälfte bestuhlten Muffathalle auftritt. Auch Witz und Ironie beherrscht sie bei ihren launigen Ansagen ebenso wie ihre weiße Kollegin aus Tottenham; stimmlich legt die Amerikanerin aber noch ne Schippe drauf, möchte man meinen. Auch ihre weiße Plastik-Corsage, die irgendwo zwischen sexpositiv und kinky angesiedelt ist, lässt Rückschlüsse auf eine selbstbewusste Persönlichkeit zu, die gerne provokant mit Geschlechterrollen spielt.
„Ever since the dawn of man/Helpless in the hands of a woman“ singt sie bei „Woman“ nicht nur für all die weißen alten Männer im Saal, und das sind einige. Munroes Altstimme verbindet den Blues einer Billie Holiday mit dem Jazz von Ella Fitzgerald und dem Soul von Aretha Franklin – in der wunderbar verschleppten Version von dem James Gang-Cover „Collage“ vom formidablen „Black Acid Soul“-Album, läuft sie bereits bei der dritten Nummer des Abends zu ganz großer Form auf. Und die hält sich auch bei „Five Feet Tall“ – hier verwandelt sich die Halle in eine New Yorker Hotellobby in den frühen Sechziger Jahren, in der sie zusammen mit Pianist Kenneth Crouch die letzten einsamen Herzen bespielt.
Überhaupt die Band: Musikdirektor und Gitarrist Chris Seefried, Bassist Jon Flaugher, Crouch und Tamir Barzilay am Schlagzeug liefern ein stimmiges musikalisches Gerüst, das virtuos zwischen Jazz, Soul, Gospel und Countryfolk wechselt, der Sound in der Halle ist darüber hinaus heute besonders gut abgemischt. „No One Can Love Me (Like You Do) vom aktuellen Album „Slang Spirituals“ lässt in bester Elvis Presley-Manier schon mal ein bisschen Weihnachtsstimmung aufkommen, der Song trifft glühweinselig mitten ins Herz. Für „Man On A Boat“ würde die bereits erwähnte Kollegin ihre Spielzeit in Las Vegas nochmal verlängern, ein Ausnahme-Song, der ohne weiteres auch von der großen Countrylegende Dolly Parton stammen könnte.
Das auf Hit produzierte „The City“ glaubt man schon einmal von einem anderen Interpreten mit anderem Titel gehört zu haben, macht nichts, die Uptempo-Soul-Love-Story von Lucille und ihrem „crypto millionaire“ verliert zwar live ein bisschen an Fahrt, aber nichts von ihrem Charme. Auch die folgenden, ebenfalls vom neuen Album stammenden Songs „Matter Of Time“ und „If I Told You“ kommen einem irgendwie bekannt vor, bedienen sie sich doch geschickt beim großen American Song Book, allerdings in der Neuauflage, sagen wir seit Mitte der 1970er Jahre.
Bevor das Konzert jetzt aber gänzlich in eine funky Soul-Party abdriftet, wird es mit „Whatever His Name“ psychedelisch; der Song mündet in einen minutenlangen Acid-Rock-Jam, der Lady Blackbird Zeit gibt, ihre Garderobe zu richten. Mit „Like A Woman“ wird jetzt zum Finale nochmal die Hitmaschine angeschmissen, warum das kein Welthit ist, fragt man sich zurecht. Und auch „Reborn“ mit seinen Sixties-Girl-Group-Claps würde man lieber im Radio hören, als zum Beispiel die neueste Coldplay-Single, wie immer sie auch heißen mag.
Ein Gospel-Interlude mit „Amazing Grace“ lässt doch noch ein wenig Hoffnung für Amerika aufblitzen – ein Land, das solche Stimmen hervorbringt, kann doch nicht in der Hand von weißen Irren zugrunde gehen. „It’ll Never Happen Again“, im Original von Tim Hardin, und „Let Not (Your Heart Be Troubled)“ beschließen mit Gänsehaut einen denkwürdigen Abend, der in einer gerechteren Welt in dieser Größenordnung nicht mehr stattfinden dürfte. Und dass ein Star wie Lady Blackbird zehn Minuten nach der Show am Merch-Stand T-Shirts signiert, erlebt man auch eher selten. Chapeau! Und: Wow.