Schlachthofbronx

Electro & Beatz im Mai: Bassmassiert und fein verfrickelt

Der elektronische Mai hat von weltmusikalischen Ganzkörpermassagen über bodybuildende Seemänner für jeden was dabei.

Der Wonnemonat Mai beginnt hier zwar nicht mit einem Tanz in den selbigen, dafür aber mit dem wohl wirkmächtigsten Soundsystem, das diese Welt je gesehen hat. Steht das Blurred Vision Festival, zu dem die Münchner Bassmusikspezialisten Benedikt Wiessmeier und Jakob Döring als Schlachthofbronx am 4. Mai in die Muffathalle einladen, doch für ein Ganzkörper-Klangerlebnis, das einem per heftigster Bassmassage schon mal die Optik in Richtung der besagten Blurred Vision verschieben kann. Zuständig für diesen Effekt sind die Boxentürme des Elemental Wave Soundsystems (siehe Foto), mit dessen 60 000 Watt die Schlachthofbronx ihrem Publikum freilich nicht allein die Hörgänge durchspülen wird. Auf zwei von einer ganzen Münchner DJ-Riege bespielten Floors wird neben dem verlässlich weltumspannenden Set der beiden etwa auch eines der kanadischen DJ Bambii zu hören sein. Diese verquickt ebenso gerne Elemente zwischen Dub, Baile Funk oder UK Garage wie die Bronx, lässt dabei aber auch schon mal ihre trinidadischen und pakistanischen Wurzeln durchschimmern. Wer seinen musikalischen Horizont erweitern und sich dabei im Wortsinn in Schwingung bringen lassen will, ist hier also genau richtig.

Etwas weniger wuchtig, dafür aber filigran und starkstromhaftig dürfte parallel dazu am 4. Mai der Auftritt des Analogsynthie-Duos Biaspoint im Kekko Kreativraum in der Tegernseer Landstraße ausfallen. Auf ihrem Debütalbum „Spannung“ schöpfen Kai Wegener und Anders Weijnitz aus einem Fundus, der zwischen Minimal und Ambient, Musique concrète und krautig kreiselnder Elektronik so ziemlich alles abdeckt, was entgrenzend sirrt und pulst.

In ganz anderen Gewässern schippert indes der Seemannsbarde Roger Baptist alias Rummelsnuff (8. Mai, Kranhalle). Zu günstig produzierter Electronica knarzt sich der bodybuildende Kapitän mit Linksdrall auf seinem jüngsten Album „Äquatortaufe“ durch einen thematischen Ozean, auf dem er mal geldgeilen Investoren „Berlinverbot“ erteilt, die körperlichen Resultate des Gewichthebens und die routinierte Arbeit der Müllabfuhr preist, oder A-Capella eine Hommage auf das Sauerkraut singt. Ein wahrhaft teutonischer Spaß!

Auf einen musikhistorisch informierten Trip geht es wiederum am 10. Mai in der Roten Sonne, wenn der Brite Josh Caffe dort auflegt. Beweist der brillante Vokalist und DJ mit seinen Tracks und Sets doch eindrucksvoll, dass sich artifizielle Wave-Düsternis und schmachtige Prince-Sexyness ebenso wenig beißen müssen wie Beats und Texturen aus der Chicago- und der AcidHouse-Tradition. Wer’s nicht glauben will, der hört seine neue EP „Free World“, auf der er all das astrein abstrahiert zusammenbekommt.

Ein musikalischer Hochgenuss dürfte auch das Live-Set des bulgarischen Beatbastlers Strahil Velchev alias Kink am 17. Mai im Blitz werden – zumindest wenn man von seinen ebenso feinteilig zusammengebauten wie atmosphärischen Produktionen ausgeht. Als Anspieltipp sei hier sein im besten Sinne verspieltes Album „Playground“ genannt, auf dem er etwa bezirzend gen Ekstase rotierende Verneigungen vor Radiohead-Genius Thom Yorke („Yom Thorke“), strahlend helle Sommergrooves oder süß entschleunigte Ambient-Anklänge versammelt.

Maschinenhaft verfrickelt wird es tags darauf am 18. Mai im Import/Export, wenn dort die Reihe Taxi Salon in die nächste Ausgabe geht. In der Ankündigung zum Abend liest man von „komponierten Sounds, die sich in dekonstruierte Rhythmen verwandeln“, und das kommt ziemlich gut hin. Umgesetzt wird diese Form der Avantgarde etwa vom Berliner Duo hÄK/Danzeisen, das per Modularsynthie und Drums auf wunderbar freie Weise miteinander agiert; von der südkoreanischen Klangkünstlerin Jiyoung Wi, die zwischen Elektronik und Violine für intensive Noise-Katharsen sorgen wird; oder vom polnischen Experimentalisten Adam Golebiewski, bei dem eine Bassdrum erstaunliche neue Einsatzmöglichkeiten
erfährt.

Da der Auftritt des Berliner Atmosphärenschichters Parra for Cuva am 25. Mai im Ampere bereits ausverkauft ist, sei zum Abschluss mit dem nicht minder tollen finnischen Synthievirtuosen Kebu (30. Mai, Ampere) auf jemanden hingewiesen, der mit seinen spacigen Kompositionen so entschieden in die Fußstapfen seiner Heiligkeit Jean-Michel Jarre tritt, dass er sogar den auf Jarres ikonischem Album fehlenden Teil „Oxygène, Pt. 4“ einfach selber eingespielt hat. Wie der Altmeister selbst das findet, ließ sich kurzfristig leider nicht herausfinden, an Chuzpe mangelt es seinem finnischen Jünger jedenfalls ganz gewiss nicht.