Klassik im Oktober: Transatlantische Beziehungen

Wenn der Dialog auf politischer Ebene stockt, muss eben die Musik eine Brücke zwischen der Alten und der Neuen Welt schlagen.

BRSO & BR-Chor: Rattle / Berg „Wozzeck“ (konzertant)

Einen Saisonstart hatte sich Sir Simon Rattle wohl ein wenig anders vorgestellt. Doch nachdem er das Jubiläumskonzert der Orchesterakademie des BRSO noch wegen der Folgen einer Leisten-OP absagen musste, scheint der Maestro nun hoffentlich wieder fit für das erste Großprojekt des neuen Musikjahres. Ganze dreimal wird Rattle hier in der Isarphilharmonie Alban Bergs Oper „Wozzeck“ in konzertanter Form dirigieren. Ein echter Klassiker der Moderne, für den das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks seinem Chef eine hochkarätige Starbesetzung zur Seite stellt. Angeführt von Publikumsliebling Christian Gerhaher in der Titelpartie finden sich da unter anderem die Namen von Malin Byström, Eric Cutler sowie das Wiener Original HK Gruber. (2./3./5.10. Isarphilharmonie)

Münchner Symphoniker: Bastian / Steinbacher / Uncommon Women

Chefsache ist selbstverständlich auch das erste Abonnement-Konzert der Münchner Symphoniker. Dirigent Joseph Bastian bleibt auch diesmal wieder dabei, das Schaffen bedeutender Komponistinnen von einst und jetzt ins Zentrum zu rücken. So beispielsweise die „Fanfare for the Uncommon Woman“, mit der die Amerikanerin Joan Tower ihrem Landsmann Aaron Copland einen ironischen Seitenhieb für seine „Fanfare for the Common Man“ verpasst. Eine Art Prolog zur Sinfonie Nr. 1 von Florence Price, die 1933 die erste Afroamerikanerin war, deren Musik vom Chicago Symphony Orchestra aus der Taufe gehoben wurde. Im Sinne der Gleichberechtigung ist im Prinzregententheater aber natürlich auch noch Platz für einen Quotenmann: Samuel Barber, dessen Violinkonzert von der bekannten Geigerin Arabella Steinbacher interpretiert wird. (7.10. Prinzregententheater)

Münchner Philharmoniker: Nagano / Crebassa / Bruneau-Boulmier, Berlioz, Debussy

Zurück nach Frankreich führen einen danach die Münchner Philharmoniker, wobei sie sich nach einer „ereignisreichen“ Tournee, die medial für großes Aufsehen sorgte, nun hoffentlich wieder ganz der Musik widmen dürfen. Unter der Leitung von Kent Nagano stehen daheim nun mit den „Nuits d’été“ und „Le Corsaire“ zwei farbenreich orchestrierte Meisterwerke aus der Feder von Hector Berlioz auf dem Programm, kombiniert mit Debussys nicht minder berühmter sinfonischer Dichtung „La Mer“. Und Nagano wäre nicht Nagano, wenn er sich in diesem Kontext nicht auch noch für einen französischen Komponisten unserer Zeit starkmachen würde: Rodolphe Bruneau-Boulmier, dessen „Caída libre“ im Auftrag der Philharmoniker entstand und nun seine Uraufführung erleben wird. Solistin des Abends ist die Mezzosopranistin Marianne Crebassa. (8./9.10. Isarphilharmonie)

Münchner Rundfunkorchester: 1. Sonntagskonzert „Transatlantic Sounds“

Die transatlantische Brücke schlagen schließlich die Damen und Herren des Münchner Rundfunkorchesters. Sie haben ein Programm aus Oper, Lied und Symphonik zusammengestellt, das die beiden Engländer Benjamin Britten und Ralph Vaughan Williams in einen musikalischen Dialog mit ihrem amerikanischen Kollegen Samuel Barber treten lässt. Er ist hier mit seinem bekannten „Knoxville: Summer of 1915“ und der Finalszene aus der Oper „Antony and Cleopatra“ vertreten, mit der seinerzeit der Neubau der Metropolitan Opera in New York eröffnet wurde. Ein reizvoller Kontrast aus Naturschilderungen und Opernpathos, der an der britischen Front seine Entsprechung in den „Four Sea Interludes“ aus „Peter Grimes“ findet. Abgerundet durch die fünfte Sinfonie von Ralph Vaughan Williams. Den authentischen Klang sollen dabei zwei Namen aus dem erweiterten Commonwealth garantieren: die australische Sopranistin Nicole Car und ihr Landsmann Nicolas Carter am Dirigentenpult. (12.10. Prinzregententheater)

Münchner Philharmoniker: 1. Kammerkonzert „Phantasies“

Rein britisch halten es am selben Tag die Münchner Philharmoniker bei ihrem Kammerkonzert im Künstlerhaus, das unter dem Titel „Phantasies“ steht. Den Auftakt macht dabei jener Komponist, der über lange Zeit der wohl prominenteste musikalische Botschafter der Insel war, Henry Purcell. Auf seine „Five Fantasias“ folgt ein Familien-Gespann, das bislang wahrscheinlich nur wenige auf der Rechnung haben dürften. Denn neben Gustav Holst, dessen „Phantasy Quartett on British Folksongs“ hier erklingt, lässt sich ebenfalls das ähnlich betitelte Werk seiner Tochter Imogen hören, durch das der Vater Lust bekam, sich im Alter auch noch einmal diesem Genre zuzuwenden. Den Schlusspunkt darunter setzt dann noch Dame Ethel Smythe, deren Musik nun endlich ihre lang überfällige Renaissance erlebt. Nachdem sich ihre Oper „The Wreckers“ zuletzt zunehmender Beliebtheit erfreute, beleuchten die Philharmoniker nun auch ihre Streifzüge in die Welt der Kammermusik. Vertreten wird das Orchester dabei durch Konzertmeister Julian Shevlin, sowie Simon Fordham an der zweiten Geige, Valentin Eichler an der Bratsche sowie Cellist David Hausdorf. (12.10. Künstlerhaus am Lenbachplatz)

Hidalgo-Festival: „Winterreise“

Bekanntes aus zeitgenössischer Perspektive neu zu beleuchten, ist allerdings nicht nur eine Spezialität des Münchener Kammerorchesters. Ähnliche Wege geht von Anfang an auch das noch relativ junge „Hidalgo“-Festival, das es sich auf die Fahnen geschrieben hat, die Münchner Klassikszene ein wenig aufzumischen und Schwellenängste abzubauen. Durch Musik im öffentlichen Raum und Projekte, die Vertreter unterschiedlicher Kunstgattungen zusammenbringen. In der aktuellen Festival-Runde lockt da unter anderem eine spannende Neuinterpretation der „Winterreise“. Franz Schuberts zeitloser Liederzyklus wurde dafür von Komponist Jay Schwartz und Arrangeur Kenneth Coon neu bearbeitet. Vertraut bleibt dabei der Gesangspart, der von Tenor Bernhard Hirtreiter übernommen wird. Doch bei der Begleitung heißt es, sich von traditionellen Hörgewohnheiten zu verabschieden. Diese wird hier nämlich nicht wie traditionell vom Klavier übernommen, sondern vom Raschèr Saxophon Quartett. Einer Formation, die sich als virtuose Grenzgänger einen klangvollen Namen erarbeitet hat. (21.10. Kreativquartier Schwere Reiter)