„Rickerl – Musik is höchstens a Hobby“ von Adrian Goiginger

Filmtipp: A Wiener Schlawiner: „Rickerl – Musik is höchstens a Hobby“ von Adrian Goiginger

Unsere Filmkritikerin Margret Köhler hat sich den neuen Film mit Austropop-Musiker Voodoo Jürgens bereits angesehen

Auf die Gegenwart is g‘schissen“ findet dieser sympathische dürre Kerl mit Zottelfrisur und Fünftagebart, der nichts zustande bringt und den man am liebsten schütteln möchte. Erich „Rickerl“ Bohacek (David Öllerer aka Voodoo Jürgens) verdient sich abends in rauchgeschwängerten Wiener Vorstadtkneipen als Musiker ein paar Euro, verliert schnell seine Gelegenheitsjobs als Totengräber oder Sexshop-Angestellter – und auch als Hochzeitssänger haut es nicht hin.

Weder kann er seine Unterhaltszahlungen leisten noch seinem Buben (ein Naturtalent: Ben Winkler) einen Kinobesuch bieten. Der lebt bei Rickerls Ex-Freundin (Agnes Hausmann) und deren „gstopftem Piefke“ (reichen Deutschen) im spießigen Häuschen mit Rollrasen zusammen. Ob der Erich irgendwann doch die Kurve kriegt?

Wer Adrian Goigingers autobiografisch geprägten, weltweit mit mehr als 100 Preisen ausgezeichneten Debütfilm „Die beste aller Welten“ kennt, darf sich nach „Märzengrund“ und „Der Fuchs“ auf seinen vierten Film freuen, beweist er doch erneut sein feines Gespür, schwierige Themen mit flirrender Leichtigkeit rüberzubringen. Die Idee zur Zusammenarbeit mit Voodoo Jürgens entstand schon 2016 nach dessen erstem Album „Ansa Woar“. Das Warten hat sich gelohnt: In dieser herzzerreißenden Tragikomödie und zärtlichen Vater-Sohn-Geschichte verbindet Goiginger kongenial Melancholie und österreichischen schwarzen Humor.

Rickerl will ein guter Vater sein, nicht wie sein alter Herr, ein autoritärer Knochen, der ihn immer noch kleinhalten will und jegliche Anerkennung verweigert. Wenn er selbst als überforderter Papa aber den Jungen mangels einer Aufsicht im Erotik-Laden vor den Monitor setzt und „Die liebestollen Dirndl von Tirol“ anschauen lässt, oder ein geklauter Totenkopf justament bei einem Begräbnis aus seinem Rucksack rollt, weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll. Der von Selbstzweifeln geplagte Künstler steht sich selbst im Weg, Gitarre und Talent reichen nicht, da fehlt‘s an Ehrgeiz und Mut.

Statt endlich sein Debütalbum aufzunehmen, bastelt der Enddreissiger zum Frust seines Managers ständig an alten und neuen poetischen Mundarttexten herum, ein aus der Zeit gefallener Typ ohne Handy, dafür mit nostalgischem Hang zu einer langsam verschwindenden Welt, „wo alles noch weniger Oasch“ war und auf die die Stammtischrunde mit einigen G’spritztn anstößt. Laut Jürgens ein aussterbendes Wien, „sowohl, was die Beisln als auch die Sprache betrifft“.

In diesem Milieu geht es für den Antihelden um das Sich-Trauen, das Scheitern, das Aufstehen, den Hoffnungsschimmer. Da ist nicht „alles Walzer“, sondern nagt der harte Alltag an der Substanz. Singer-Songwriter Voodoo Jürgens, einer der bekanntesten Austropop-Musiker, steuert nicht nur Anekdoten und mit Herzblut geschriebene sowie von persönlichen Erfahrungen und Beziehungen geprägte Lieder für den Soundtrack bei, die eng in die Handlung eingebunden sind wie „‘S klane Glücksspiel“ oder „Ollas nimma deins“ . Gleichzeitig feiert er fulminant als verschrobener Wiener Schlawiner den für diese wunderbare Stadt typischen Schmäh. Lustig, traurig, drastisch. Einfach „leiwand“! (Ab 1.2.)