Pinakothek der Moderne

Garten Eden – Yoshihiro Suda

Mittwoch, 02.07.2025
19:00 Uhr

Pinakothek der Moderne, Barer Str. 40, 80333 München
Ausstellungen

Garten Eden – Yoshihiro Suda

Japanische Holzschnitte des 18. und 19. Jahrhunderts haben die europäische Moderne stärker geprägt als andere Kunstwerke Asiens. Der Begriff „Ukiyo-e“ beschreibt jene „Bilder der fließenden Welt“, die aufwändig und auflagenstark in Japan produziert wurden und in die ganze Welt gelangten. Von den französischen Impressionisten bis zu den Künstler*innen des Blauen Reiters bezogen westliche Künstler*innen immer neue Inspiration aus japanischen Holzschnitten. Bis heute bezaubern diese Werke in ihrer farblichen, formalen und technischen Virtuosität. Die Staatliche Graphische Sammlung München erhielt 2020/21 eine Schenkung von rund 250 Blättern einiger der großen Meister dieses Mediums, darunter Hokusai (1760–1849) und Hiroshige (1797–1858).


051326_5fd1f602271ff3023d2491c9e12c39f39302ed8d_garten-eden-zuschnitt.webp

Bild: Hiroshige (1797–1858), Provinz Harima, Maiko-Strand (Blatt der Serie Berühmte Ansichten der über 60 Provinzen), 1853, Farbholzschnitt, Inv.-Nr. 2020:72 D, Staatliche Graphische Sammlung München, München


Der renommierte japanische Bildhauer und Installationskünstler Yoshihiro Suda (*1969) wurde zu einem Ausstellungsprojekt eingeladen, seinen Blick auf die Sammlungen japanischer und europäischer Kunst zu teilen.


Mit dem Garten Eden verbindet sich bis heute die Vorstellung von einem paradiesischen Sehnsuchtsort, wo der Mensch mit der unberührten und urwüchsigen Natur im Einklang lebt. In den bildenden Künsten der Moderne gewinnt diese Utopie Gestalt in einer Vielfalt von Naturphantasien. Als Gegenentwürfe zur Lebenswelt sind sie eine Reaktion auf eine Flut von gesellschaftlichen Brüchen und Umwälzungen, die den modernen Menschen im 20. und 21. Jahrhundert vor neue existentielle und emotionale Herausforderungen stellen. Es sind die Künstlerinnen und Künstler, die mit phantastischen Landschaften darauf reagieren und eine Projektionsfläche für unterschiedlichste Stimmungslagen und Sehnsüchte bieten. Eine Auswahl von „Seelenlandschaften“ aus dem Bestand der Klassischen Moderne demonstriert dieses vielfältige Spektrum. Yoshihiro Suda stellt sie seinen minimalistischen Natur-Capriccios gegenüber, die er eigens dafür geschaffen hat. Sie laden zu einem vergleichenden Sehen ein, über die Darstellung von Natur einmal anders nachzudenken.


Der Reiz von Yoshihiro Sudas Werken im öffentlichen Raum liegt darin, dass man sie leicht übersehen kann. Sie weisen uns in einer Zeit der Schnelllebigkeit auf das Gebot der Achtsamkeit hin. Ein von Insektenfraß durchlöchertes, vertrocknetes Blatt, ein aus einer Fuge sprießendes Wildkraut oder eine einzelne zarte Blüte können uns in Staunen versetzen und an die Bedeutung und Wertigkeit der Dinge erinnern.


051747_47cef470f1d144e03cfd8d4cc9d32c07798b8be4_garten-eden-suda-camelia.webp

Bild: Yoshihiro Suda (*1969), Camelia (Camellia japonica), 2025, farbig gefasstes Holz, © Courtesy Yoshihiro Suda und LOOCK Berlin


Schon zu Beginn seiner Karriere sollte Suda mit seiner mobilen Installation „Ginza Weed Theory“ aus dem Jahr 1993 Kunstgeschichte schreiben. Dafür mietete er sich für sechs Tage mitten in Tokyo im glamourösen Geschäftsviertel Ginza mit seinen exorbitanten Bodenrichtpreisen eine winzige Parkplatzfläche und installierte darauf eine schmale mobile architektonische Hülle, die von innen mit Blattgold ausgeschlagen war. Darin stellte er einzelne von ihm naturalistisch geschnitzte Unkräuter aus, wie sie sonst auch in den umliegenden Straßen wachsen. Wohlüberlegt setzte er mit seiner in sich selbst widersprüchlichen Installation, die profane Wildkräuter durch einen auratischen Raum nobilitierte, geistigen Freiraum ins Verhältnis zu wirtschaftlich lukrativ ausgelasteten Ballungszentren. Losgelöst von der konkreten Situation bleibt bis heute die Frage offen, welcher Raum der Kunst als Ausdruck geistigen Schaffens, das sich pekuniär nicht bemessen lässt, zur Verfügung steht.

Suda lotet in seinen minimalistischen Rauminstallationen sensibel die Gestimmtheit des jeweiligen Ortes aus. Seine kaum sichtbaren Skulpturen füllen ihn sozusagen aus, ohne je raumgreifend zu werden. Vielmehr erscheinen sie wie flüchtige Naturimpressionen, die aus dem Nichts kommend jenseits ihres natürlichen Habitats auf den ersten Blick im Museumsraum verloren wirken. Bei genauerer Betrachtung ist es umso eindrucksvoller zu erleben, wie es dem Künstler gelingt, mit ihrer unaufdringlichen Präsenz den genius loci – Geist des Ortes – einzufangen und ihn zu befragen. Der Ort wird zum Teil der künstlerischen Intervention. Sein konzeptuelles Werk rührt genau mit dieser Form der Intervention jenseits der Anschauung einen existentiellen Lebensnerven bei uns an – unser Sein mit und in der Natur. Das erklärt, warum seine skulpturalen Preziosen trotz ihrer Zartheit so beeindruckend wirken. Sie dringen in ihrer Natürlichkeit wie selbstverständlich in unsere hochtechnisierte Lebenswelt ein. Mit ihrer bloßen Anwesenheit werfen sie Fragen auf und konfrontieren uns mit unserem im Gedächtnis abgelegten emotionalen Wissensschatz erlebter Naturerfahrungen. Unerwartet rückt dieses Wissen ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit.

Mit Bedacht schlägt Yoshihiro Suda in dieser überraschenden Form der Präsentation eine Brücke zwischen den verschiedenen künstlerisch ästhetischen Welten und erneuert die Idee des Kulturtransfers für die Gegenwart. Aus dieser künstlerisch-kuratorischen Kooperation entsteht eine überaus anregende und ungewöhnliche, ja eine utopische Schau, die uns das Staunen und das Hinsehen neu lehrt.

Kuratoren: Michael Hering und Nina Schleif


Ausstellungeröffnung am Mi 2.7. um 19:00

(bis 21.9.)

Termine & Tickets

Mittwoch, 02.07.2025 19:00 Uhr
Donnerstag, 03.07.2025 10:00 Uhr – 20:00 Uhr
Freitag, 04.07.2025 10:00 Uhr – 18:00 Uhr
+ weitere Termine

Veranstaltungsort / Karte

Pinakothek der Moderne
Adresse: Barer Str. 40, 80333 München

MVGO
MVGO

Veranstaltungen / Ausstellungen