Choreographisch durch die Geschichte des Gebäudes. Pan Daijing im Haus der Kunst.

Gegen Geschichtsvergessenheit! – Münchens Museen im März

Münchner Ausstellungen beweisen, dass im aktuellen politischen Klima ein Blick in die eigene Geschichte von elementarer Bedeutung ist.

Auch wenn es viele (Deutsche) nicht hören, wollen: Die Geschichte unserer Gesellschaft ist mit der Tatsache vertraut, dass nachfolgende Generationen jeweils durch inhumanes Agieren der Väter und Mütter betroffen sind. Das Alte Testament spricht „von der Weitergabe der Väter Missetat an die Kinder bis ins dritte und vierte Glied“, Freud bezeichnete diesen Prozess als „Gefühlserbschaft“. Die drei Münchner Künstlerinnen Nana Dix, Anja Frers und Uschi Siebauer widmen sich in ihrer Ausstellung Generation Transmission, Pictured (Bis 24.3.) in der Pasinger Fabrik dem Thema der transgenerationalen Weitergabe. Sie repräsentieren die dritte (indirekt) betroffene Kriegsgeneration (Generation Transmission). Die Künstlerinnen bewegt die Frage, wie Krieg, nationalistische Ideologie, christliche Tradition und autoritäre Erziehungsideale ihre Eltern und ihre Großeltern geprägt haben und welche dieser Traumata und Muster sie bis heute in sich tragen. Dafür öffneten sie die Fotoalben ihrer Familien und brechen so das „konspirative Schweigen“. Die Bilder der Künstlerinnen erzählen ihre persönliche Geschichte – sie werfen einen Blick auf übertragene Schatten und Muster, sie suchen nach dem Ungesagten und zeigen das Offensichtliche. Sie nutzen dafür bearbeitete Bilder, manuelle Collagen, digitale Fotocollagen, Übermalungen und diverse andere Techniken. Eine Ausstellung für unsere Zeit.

Und noch ein Blick auf Inhumanes aus naher Vergangenheit: 1939 wurde eine Verordnung erlassen, die Deutsche jüdischer Herkunft dazu zwang, Schmuck und wertvollen Hausrat abzugeben. Auch die Münchnerin Olga Maier musste sich von einem Paar silberner Kerzenleuchter trennen, die das Bayerische Nationalmuseum für seine Sammlung erwarb. Olga Maier, Familienmensch und echtes Münchner Kindl, pflegte stets ein enges Verhältnis zu ihren Verwandten. Dieses blieb auch aufrecht, als einige ins Ausland flohen. Olga selbst gelang das nicht. Sie wurde 1942 in das Getto Theresienstadt deportiert und später im KZ Treblinka ermordet. Lange Zeit blieben das Leben von Olga Maier und auch die Geschichte der Leuchter im Dunklen. Erst 2022 wurden die Kerzenleuchter an die Erbengemeinschaft restituiert. Um die Erinnerung an Olga Maier aufrechtzuerhalten, schenkte sie die Leuchter dem Jüdischen Museum München. In der Studienraumausstellung Tante Olgas Silberleuchter – Eine Münchner Familiengeschichte (Bis 17.3.) im Jüdischen Museum wird die Geschichte Olga Maiers sowie ihrer Familie, die heute in die ganze Welt verstreut ist, erzählt. Gleichzeitig soll an diesem Leuchterpaar exemplarisch die systematische Entrechtung von Jüdinnen und Juden während der NS-Zeit aufgezeigt werden.

Und noch ein Blick in die persönliche Geschichte: Die Berliner Konzeptkünstlerin Ursula Neugebauer schreibt ihr bereits 1998 begonnenes Projekt schwarzer Schnee (21.3. – 12.5.) fort, für das sie wiederholt auf Spurensuche ins Polnische Dzwonow (ehemals Schellendorff) gereist ist, dem Geburtsort ihrer Mutter, den diese nach ihrer Flucht 1945 nach Westdeutschland nie wieder besucht hat. Der Kunstraum dient der Künstlerin als Bühne, auf der die einzelnen Exponate im Zusammenspiel requisitenartig einen assoziativen Erinnerungs-Parkour bilden.

Die Kunsthalle München zeigt mit Fashion Statements die erste große Retrospektive des niederländischen Designerduos Viktor&Rolf (bis 6.10.) in Deutschland. Mit atemberaubender Virtuosität loten Viktor Horsting und Rolf Snoeren seit über 30 Jahren immer wieder die Grenzen zwischen Couture und Kunst aus. Ihre Meisterwerke wurden von Künstler*innen wie Madonna, Tilda Swinton, Lady Gaga, Doja Cat und Cardi B getragen sowie in Ballettproduktionen und in einer Oper, unter Regie von Robert Wilson, in Szene gesetzt. Rund 100 der kühnsten Stücke des ebenso visionären wie leidenschaftlichen Duos werden nun in einer spektakulären Inszenierung erlebbar gemacht. Viele Kreationen sind zum ersten Mal ausgestellt – zusammen mit zahlreichen Videos, Skizzen und handgefertigten Porzellanpuppen, die mit den ikonischen Kreationen der Designer gekleidet sind, sowie mit Werken von renommierten Foto-Künstler:innen wie Andreas Gursky, Ellen von Unwerth oder Herb Ritts.

Die Live-Ausstellung Mute (9.3. – 14.4.) der Künstlerin und Komponistin Pan Daijing (geb. 1991, Guiyang, China) im Haus der Kunst umfasst Choreografie, architektonische Intervention, Klang und Video. Ihre bisher größte Einzelausstellung kann wie eine Landschaft aus installativen und performativen Elementen erkundet werden. Sie lädt das Publikum zu einer Reise ein, die sich über die gesamte Westgalerie und über die Grenzen des Gebäudes hinaus erstreckt. Daijings Arbeiten entwickeln eine symbiotische Beziehung zu den Räumen, in denen sie sich entfalten. Die für das Haus der Kunst geschaffenen Installationen integrieren Material und architektonische Elemente des Gebäudes, richten den Blick neu aus und erschließen bisher unbeachtete Bereiche des Gebäudes. In einer Choreografie, die Stille und Lebendigkeit erforscht, setzt ein vielköpfiges Performance-Ensemble zu Beginn der Ausstellung einen Prozess der Transformation in Gang. Die darauffolgenden Aktivierungen, die während der gesamten sechswöchigen Laufzeit der Ausstellung stattfinden, verschieben Gegensätze wie Innen und Außen, oder verlangsamen die Geschwindigkeit der Zeit. Das Publikum ist eingeladen einzutauchen und diesen Spuren zu folgen oder sie zu verwischen.

Choreographisch durch die Geschichte des Gebäudes. Pan Daijing im Haus der Kunst.

Und zum Schluss noch frohe Kunde: Der Termin für die Wiedereröffnung der Archäologischen Staatssammlung steht fest. Nach langen Jahren der sanierungsbedingten Schließung wird das Museum am 16. April 2024 wiedereröffnet. Für das Publikum heißt das: Ab 17. April ist das Museum wieder zugänglich. Die Archäologische Staatssammlung erfüllt dann mit ihrem neu sanierten Hauptgebäude in München sowie ihren acht, über Bayern verteilten Zweigmuseen und Depots die Funktion des zentralen Landemuseums für Archäologie in Bayern. Sie sammelt, verwahrt und erschließt Ausgrabungsfunde aus Bayern und bildet das zentrale Forum für die öffentliche Präsentation der Archäologie in Bayern.