Alles neu macht der Mai. Auch in Münchens Museen starten große neue Ausstellungen:
Starten wir im Haus der Kunst mit dem ganze sechs Jahrzehnte umfassenden, transmedialen Lebenswerk von Rebecca Horn (* 1944). Sie befasst sich mit dem Thema der Existenz und der Verwischung der Grenzen zwischen Natur und Kultur, Technologie und biologischem Kapital sowie dem Menschlichen und Nichtmenschlichen. Ob man die Künstlerin als Erfinderin, Regisseurin, Autorin, Komponistin oder Poetin bezeichnen mag, allem voran versteht sie sich als Choreografin. Horn beschreibt ihre Praxis als präzise kalkulierte Beziehungen von Raum, Licht, Körperlichkeit, Ton und Rhythmus, die ein Ensemble bilden. Maschinenwerdung, Tierwerdung oder Erdwerdung in ihren performativen, skulpturalen und filmischen Arbeiten zielen auf eine von Körpern erfahrbare Präsenz eines sichtbaren, fühlbaren und hörbaren Daseins. Die Ausstellung Rebecca Horn (bis 13.10.) entwickelt eine der Performativität gewidmete Lesart, die von ihren Anfängen bis zu den letzten Arbeiten erlebbar ist. Horn nutzt die Idee von Inkorporierung und schafft Sinnbilder technisch körperlicher Vernetzung seit ihren ersten Papierarbeiten in den 1960er Jahren, den frühen Performances und Filmen der 1970er Jahre über die mechanischen Skulpturen seit den 1980er Jahren und den raumgreifenden Installationen der 1990er Jahre bis heute. Virtuos verwobene Referenzen aus Literatur, Kunst- und Filmgeschichte ziehen sich durch ihr gesamtes Lebenswerk. Horns Werk ist eine lebenslange und brisante Erkundung der voranschreitenden Dezentrierung des Menschen.
Die Ausstellung Close Enough (Bis 21.7.) im Kunstfoyer untersucht die Positionen von dreizehn teils noch unbekannten, teils etablierten Magnum-Fotografinnen und die komplexen Beziehungen, die sie sowohl im globalen Zusammenhang, als auch in ihren örtlichen Gemeinschaften und in ihren Interaktionen mit einzelnen Personen herstellen. Jede der Teilnehmerinnen erzählt sehr offen von ihrer kreativen Reise, die von Reflexionen über langfristige, persönliche Projekte bis hin zu laufenden Arbeiten und neuen Wendepunkten in ihrer Bildgestaltung reichen. Sie erlauben äußerst persönliche Einblicke in ihre Grundhaltungen und schaffen in dieser Ausstellung eine Konstellation unterschiedlicher fotografischer Sichtweisen. Vor dem Hintergrund des 75. Jahrestages der Gründung der Agentur Magnum (1947) konzentriert sich Close Enough auf Fotografinnen, deren unterschiedliche Standpunkte derzeit die fotografischen Perspektiven innerhalb von Magnum prägen. Gemeinsam verschieben und hinterfragen sie die Grenzen des Fotokollektivs. Die Herausforderung an Fotografen, die der Mitbegründer von Magnum, Robert Capa, formulierte, lautete: „nah genug“ heranzukommen. Mit Entschlossenheit, Dringlichkeit und Einfallsreichtum legt jede der hier vertretenen Fotografinnen Rechenschaft über ihre Praxis ab und lädt uns ein, tatsächlich nah genug heranzukommen.
Die Ausstellung Das Vermächtnis – Leben und Werk von Dietrich Kerky (18. – 25.5.) in der Orangerie ist ein letzter Gruß an den Schauspieler, Maler und Nachfahren der Schwabinger Bohème Dietrich Kerky, der im Oktober 2023 verstarb. Zu sehen sind farbgewaltige Bilder und Zeichnungen, ein Film sowie einige Möbel, Fotos, Kritiken, Schnipsel aus seinen Theater-Tagebüchern, skurrile Plakate und vieles mehr. Die gemalten Szenarien veranschaulichen eine amüsante Bandbreite unterschiedlichster Beziehungszustände: von „innig vereint“ über „gemeinsam einsam“ bis „paradox entzweit“. So absurd, wie das Leben selbst.
Bei Meta-mentary im Lenbachhaus werden die filmischen Bildwelten und das künstlerische Vokabular der Künstlerin Cao Fei Teil des Raumes. Cao Fei gilt international als eine der wichtigen Vertreterinnen post-digitaler Kunst. Der Begriff des Post-Digitalen existiert seit Anfang der 2000er Jahre und benennt eine Kunst, deren Thema und wesentlicher Bestandteil die digitale Durchdringung unseres Alltags ist. Kunst wird aus dem Digitalen heraus gedacht und eignet sich dessen Strukturen und Charakteristika an. In ihren Filmen, Fotos und begehbaren Multimedia-Installationen beschäftigt sich Cao Fei mit den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbrüchen ihrer und unserer gemeinsamen Lebenswelt. Digitalisierung, Globalisierung, die Veränderung urbaner und vorstädtischer Strukturen und damit unserer Lebensräume sind Kern ihrer künstlerischen Arbeit. Ihr Augenmerk richtet sich auf die Umstände, wie wir Menschen leben, auf Entwicklungen um uns herum reagieren, uns ihnen anpassen oder sie aktiv in unser Leben einbeziehen. Cao Feis Werke bezeugen, wie wir Menschen mit der Schönheit und zugleich den Gefahren einer technisierten, globalisierten und hypervernetzten Welt zurechtkommen, und was diese an physischen und psychischen Auswirkungen auf uns hat; wie Erfahrungen und Selbstverständnis im Innersten berührt und verändert werden. Für ihre Werke hält sich Cao Fei mitunter selbst mittels ihrer Avatare in der virtuellen Welt auf und dokumentiert ihre Wahrnehmung und Aneignung digitaler Realitäten in individueller Bildsprache und charakteristischen künstlerischen Räumen. Die Werke changieren dabei zwischen Melancholie und Humor, zwischen Utopie und Dystopie, zwischen Schönheit und Horror.
Ein Junge im Matrosenanzug, eine Dame mit Barett und übergroßen Puffärmeln, ein Rabbiner mit aufgeschlagenem Gebetbuch. Das Jüdische Museum München zeigt in seiner Ausstellung „Bildgeschichten. Münchner Jüdinnen und Juden im Porträt“ (15.5. – 2.3.2025) bekannte und vergessene Münchner Gesichter und fragt: Wer ließ sich von wem porträtieren? Wie wollte man gesehen werden? Wen wollte man darstellen? Die Werke aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert erzählen vom Selbstverständnis jüdischer Familien in München und ihrem Beitrag zur Stadtgesellschaft bis zur Verfolgung im Nationalsozialismus und zeigen die Vielfalt jüdischer Identitäten. Viele der Porträts und die Geschichten dahinter waren in München lange vergessen.