19:00 Uhr
Milla, Holzstraße 28, 80469
München
Konzerte
Pauls Jets
Alles stürzt ein
Nach ihrem Vorgängeralbum „Jazzfest“, das mit Jazz ungefähr so viel am Hut hatte wie die Beatles, kehrt die Wiener Indiepop-Band Pauls Jets zurück mit ihrem vierten Studioalbum. Es trägt den verheißungsvollen Titel „Morgen sind wir Fantasy“ und ist ein bittersüßes Pop-Album, auf dem die Menschen in den Songs immer kurz vor oder schon mitten in der Krise stehen und stecken.
Gleich zu Beginn, beim Album-Opener „Pompeji“ geht es los mit dem ganz großen Weltuntergang: „Alles stürzt ein, alles stürzt ein!“. Wieder einmal! Und wieder wird uns die Apokalypse als Romanze verkauft. Zwischen Zäunen, Hitze und Schneestürmen reist ein Pärchen durch die Welt. Zwei letzte Menschen lieben sich, während alles um sie herum einstürzt! Kitsch is the cure! Die Jets singen: „Die Geschichte endet, auch wenn das Ende schlecht ist.“
Auf der Single mit dem hübschen Bandwurmtitel „Ich habe Angst so ohne dich kann ich nicht leben oder doch aber schön wärs nicht“ wiederum besteht zwar noch Hoffnung darauf, dass der Protagonist seine Liebe über den tristen Alltag hinaus retten kann, aber am Ende scheint es ihm doch schon längst leidlich egal zu sein! Ob es sich bei dem hier porträtierten Pärchen um das Gleiche handelt, das im Song „Smash“ noch im Rausch der Nacht bedingungslos über seine Verhältnisse lebte, fragen wir uns und: wo ist er wohl geblieben ist, der Zauber?!
Doch nur kurz, den plötzlich nimmt der Song eine Wendung und die Jets laden uns in Stadion-Rock-Manier auch noch ein zum gemeinsamen „La-La-La“-Chor, stimmen ein „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ an, um im Fußball-Kalendersprech-Mantra einen Ausweg aus der Misere zu finden. Das gerade von Millionen Menschen wiederentdeckte Oasis-Gefühl! Gemeinschaft! Trost! Eine positive Wendung! Bei genauerer Betrachtung sicher auch nur das Ergebnis einer kollektiven Fantasy. Hier ist das Stück zu sehen.
Die im Album-Titel selbst beschworene Fantasy ist für Paul Buschnegg dem Jazzfest dagegen nicht unähnlich: „Fantasy ist etwas sehr nerdiges und etwas, das ich mit Sicherheitsabstand verehre aber auch verachte. World Of Warcraft oder Herr der Ringe verbindet mehr Menschen, als man denkt. Sich als Ritter zu verkleiden mit Gummischwertern, das hat etwas total Faszinierendes. Die Vorstellung, dass jeder ein Zauberer sein kann, und es insgeheim auch ist, ist die schönste, bezauberndste und verzeihbarste Fantasie unserer narzisstischen Gesellschaft“. Wenn nur die ganzen anderen eingebildeten Zauberer und Zauberinnen da draußen nicht wären!
Das gesagt nur logisch, dass die Jets auch einen Song über Harry Potter schreiben mussten: „Harry Potter ist für mich sowas wie der Prototyp des Indieboys. Er trägt alte, viel zu große Sachen, eine Brille, ist schüchtern, verletzt und gleichzeitig auch noch der Auserwählte. Ich denke, dass viele junge Leute insgeheim denken, sie sind Harry Potter!“, sagt Buschnegg. Der Song klingt dabei wie ein 80ies-Tune auf irgendeinem random Italo-Pop-Instagram-Kanal aus der Zukunft von gestern.
Musikalisch speist sich das Album ansonsten aber eher aus der gesamten gelebten Pop-Fantasy der letzten 50 Jahre. Eine gewisse Verwandtschaft zu den extra-eklektischen 90ies Indie-Lieblingen wie etwa Bran Van 3000, Denim oder den Super Furry Animals meint man als Nerd herauszuhören. Aber auch viel Millennial-Pop a la Sleigh Bells oder English Teacher. Und jede Menge Trap, HipHop und Scooter!
Auf dem Cover sehen wir einen aus Ton gefertigten Tränen-Emoji. Die 10 Kilo Brandenburger Ton hatte Keyboarder Kilian Hanappi einst extra aus Berlin nach Wien mitgebracht. So dauerte es am Ende viele Tage, um der Traurigkeit in analoger Entsprechung zu den schnellen Zeichen aus Digitalen den richtigen Ausdruck zu verleihen. Und möglicherweise ging es allen nach der getanen Handarbeit auch schon wieder ein gutes Stück besser. So wie es uns wiederum, so steht es zumindest zu hoffen, nach dem Hören dieses fabelhaften neuen Jets-Albums etwas besser geht.
„Manchmal gelingt es, das traurige Musik Menschen glücklich macht! Vor allem wenn sie melancholische Menschen zusammenbringt! Das ist schon unser Anspruch! Wir wollen niemanden runterziehen!“, ergänzt Buschnegg über die gerade in der britischen Popmusik viel beschworene, heilsame Bittersweatness, die auch den Zauber der Musik seiner Band ausmacht.
Bis zum nächsten Konzert der Jets ziehen wir uns nun alle wieder zurück in unseren safe space und stimmen gemeinsam mit Paul und der Jets-Bassistin Romy Jakovic ein: „Ich fall in ein Erdloch rein, und irgendwie finde ich das Fallen fein!“.
Ende.
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Milla
Adresse: Holzstraße 28,
80469 München