19:30 Uhr
Residenztheater, Max-Joseph-Platz 1, 80539
München
Theater
Gschichtn vom Brandner Kaspar
Volksstück in 4 Akten von Franz Xaver Kroetz frei nach Motiven von Franz von Kobell
Mit Günther Maria Halmer, Elisabeth Nikka, Maria Helgath u.a.
Die Besprechung unseres Theaterexperten Peter Eidenberger:
„Do waar i wieda amoi“ prangt in Riesenlettern an der Fassade des Residenztheaters. Der Boandlkramer wird mit diesen Worten den zweistündigen Abend dieser Uraufführung eröffnen, sie gelten aber auch für den Brandner Kaspar, den „o’drahten“ (heißt: verschlagen, listig) Eigensinnigen, der dem Tod mit Hilfe von Kerschgeist und falschem Karteln ein paar Jahre abluchst. 1975 hat Kurt Wilhelm hier (nach Franz von Kobells Kurzgeschichte) einen Theaterhit gelandet, mit über 1.000 Aufführungen. Der „Brandner“ am Volkstheater hat gerade sein 20. Jahr gefeiert, auch längst legendär. Es ist also nicht ohne Risiko, wenn der Brandner in München noch einmal und wieder da ist.
Nicht aber, wenn man einen Profi wie Franz Xaver Kroetz dazu bringt, endlich mal wieder ein Stück zu schreiben. Die „Gschichtn vom Brandner Kaspar“ ist ein „Volks-Stück aus der analogen Welt, die Zeit ist früher“, wie der Autor selbst schreibt. Doch zeitlich so weit weg sind die Figuren gar nicht. Florian von Manteuffels exaltierter Boandlkramer hat was von John Travolta in „Pulp Fiction“, die Kleidung vom Brandner und seiner Enkelin kriegt man im Outdoor-Shop, die Live-Musik mit Kontrabass, Akkordeon und Gitarre: groovender Alpen-Jazz-Mix. Kroetz hat das Personal massiv reduziert, der alte Brandner lebt mit seiner Enkelin zusammen (deren Mutter auch mal kurz auftaucht), gesprochen wird „ein verglühtes oberbayrisch“ (Kroetz), nur der päpstliche Petrus (Michael Goldberg) ist ein Preiß. Philipp Stölzl (Regie) führt überlegt durch Witz und Tragik dieses Bilderbogens, Szene auf Szene geben die zwei Flügeltüren eines Riesenvotivkasterls den Blick frei: karge Stube oder rosa wolkiger Himmel, Prospekte zaubern herrliche Hintergründe, Alpenromantik, aber auch Weltraum (Ufos und Aliens inklusive), wenn Brandner und Boandl auf einem Bett Richtung Paradies steuern.
Günther Maria Halmer ist ein authentischer alter Brandner, das Gehen macht schon Mühe, aber auf den Gipfel muss er immer noch. Eigen ist er, auch hart, die verlorene Tochter nennt er „Flitscherl“, aber auch nachdenklich, und den Tod der Enkelin (Elisabeth Nittka) beweint er bitterlich. Stehende Ovationen, und ein glücklicher Autor winkt aus dem Publikum.
Über den Autor Franz Xaver Kroetz
© Karin Rocholl
Franz Xaver Kroetz wurde 1946 in München geboren. Nach dem Schulabbruch besucht er eine private Schauspielschule in München, später dann das Max-Reinhardt-Seminar in Wien, beides beendet er vorzeitig. Nach der Schauspielprüfung der Bühnengenossenschaft erstes Engagement am Büchner-Theater München. Kontakt mit Rainer Werner Fassbinders «antitheater». Zeitgleich hält er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Er führt Regie am Tegernseer Bauerntheater und schreibt eine Vielzahl von Stücken, die er verbrennt. Zwischen 1968 und 1969 entstehen seine ersten heute noch erhaltenen Stücke, u. a. «Wildwechsel» (UA 1971, Städtische Bühnen Dortmund) und «Heimarbeit» (UA 1971, Münchner Kammerspiele). Aufgrund eines einjährigen Dramatikerstipendiums des Suhrkamp-Verlags kann Kroetz sich ganz dem Schreiben widmen und schafft den Durchbruch. 1971 entstehen die Werke «Stallerhof» (UA 1972, Deutsches Schauspielhaus Hamburg), «Wunschkonzert» (UA 1973, Staatstheater Stuttgart), «Geisterbahn» (UA 1975, Ateliertheater am Naschmarkt Wien) und «Lieber Fritz» (UA 1975, Staatstheater Darmstadt).
Kroetz wird zum meistgespielten deutschsprachigen Gegenwartsdramatiker und inszeniert seine Stücke auch zum Teil selbst. Seine Uraufführungen lösen oftmals Skandale aus und es kommt zu Protestdemonstrationen. 1971 tritt er in die Deutsche Kommunistische Partei DKP ein. Im selben Jahr verfilmt Rainer Werner Fassbinder «Wildwechsel», weitere Fernsehverfilmungen seiner Stücke, auch in Eigenregie, folgen. Bis 1977 schreibt er mindestens zwanzig Stücke, so auch «Agnes Bernauer» (UA 1977, Schauspielhaus Leipzig). Sie werden zahlreich ausgezeichnet, «Das Nest» erhält 1976 den Mülheimer Dramatikerpreis. Immer wieder arbeitet er auch als Schauspieler im Theater, Film und Fernsehen. Einen großen Bekanntheitsgrad erhält er 1986 durch seine Rolle als Klatschreporter Baby Schimmerlos in der Fernsehserie «Kir Royal». 1994 wird «Der Drang» als eine Neubearbeitung des Stücks «Lieber Fritz» an den Münchner Kammerspielen uraufgeführt. Seine letzten Arbeiten am Residenztheater München waren die Bearbeitung von Ludwig Anzengrubers «Der Gewissenswurm» (2007), «Du hast gewackelt. Requiem für ein liebes Kind» (UA 2012), «Agnes Bernauer» (2021) und «Der Drang» (2022).
Künstlerische Leitung
Inszenierung und Bühne: Philipp Stölzl
Mitarbeit Bühne: Franziska Harm
Kostüme: Kathi Maurer
Komposition und musikalische Leitung: Michael Gumpinger
Video: Simon Wimmer
Licht: Gerrit Jurda
Dramaturgie: Michael Billenkamp
Termine & Tickets
Veranstaltungsort / Karte
Residenztheater
Adresse: Max-Joseph-Platz 1,
80539 München