Münchner Volkstheater - Bühne 1

Frankenstein oder: Schmutzige Schöpfung

Freitag, 17.10.2025
19:30 Uhr – 21:30 Uhr

Münchner Volkstheater / Münchner Volkstheater – Bühne 1, Tumblingerstraße 29, 80337 München
Theater

Frankenstein oder: Schmutzige Schöpfung

Dem Wissenschaftler Viktor Frankenstein scheint gelungen, wonach sich die Menschheit seit Ewigkeiten sehnt: gleich einem Gott die Gesetze von Leben und Tod zu überwinden. Gemeinsam mit dem Ensemble und künstlichen Intelligenzen nähert sich Hausregisseur Philipp Arnold diesem Stoff aus heutiger Perspektive und untersucht das Gewebe unserer Gegenwart: Was schaffen wir? Woraus sind wir geschaffen? Und wofür werden wir erschaffen?



Nach Mary Shelley und Thomas Melle in einer Fassung von Philipp Arnold


Dem Wissenschaftler Viktor Frankenstein scheint gelungen, wonach sich die Menschheit seit Ewigkeiten sehnt: gleich einem Gott die Gesetze von Leben und Tod zu überwinden. In einer stürmischen Nacht experimentiert er in seinem Ingolstädter Labor mit totem Material, und ein zusammengenähtes Herz beginnt tatsächlich zu schlagen. Ein menschengleiches Geschöpf erblickt das Licht der Welt. Doch für ihren Erschaffer entpuppt sich die Kreatur schnell als Quell des Grauens. Voller Abscheu verstößt Frankenstein sein namenloses Monster, das von da an auf sich allein gestellt umherirrt. Auf der vergeblichen Suche nach Zugehörigkeit und Sinn schwört es schließlich Rache – und so beginnt eine Jagd, die Schöpfer und Schöpfung bis ans Ende der Welt führt und in Tod und Verzweiflung endet.


Doch wer ist hier eigentlich das Monster? Die erst 18-jährige Mary Shelley begann die Arbeit an „Frankenstein“ im Rahmen des ikonischen Schreibwettbewerbs am Genfer See im Sommer 1816 – einem dunklen Sommer, in dem die Sonne aufgrund der klimatischen Folgen eines Vulkanausbruchs in Indonesien auch tagsüber nicht schien. Ihr zwei Jahre später unter einem Pseudonym erschienener Roman ist heute ein moderner Klassiker, wurde vielfach verfilmt und gilt als Geburtsstunde des Horror- und Science-Fiction-Genres. Darin setzt sich die spätere Anarchistin mit grundsätzlichen Fragen zur Menschlichkeit in einer immer schnelllebigeren Moderne auseinander und hinterfragt so die menschliche Hybris in einem Zeitalter gesellschaftlicher Entfremdung und individueller Verlorenheit.


Hausregisseur Philipp Arnold und sein Team entwerfen anhand dieses ikonischen Stoffes virtuelle Möglichkeitswelten und spüren so urmenschlichen Sehnsüchten und Verfehlungen nach. In einer Zeit, in der der Mensch zunehmend hinter seinen eigenen Erfindungen verschwindet und ein schier unregulierter technischer Fortschritt uns vor immer komplexere Probleme stellt, rückt eine Frage immer mehr ins Zentrum: Auf was kann der Mensch sich noch verlassen? Und: Können wir überhaupt noch Verantwortung für das tragen, was wir erschaffen?



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Foto: Arno Declair



Die Besprechung unseres Theaterexperten Peter Eidenberger:


Wissenschaftler erschafft Monster und verliert die Kontrolle über seine Schöpfung: Der Horrorklassiker „Frankenstein“ geht immer. Die junge Mary Shelley hat mit ihrem Romandebüt 1818 gleich ein neues Genre erfunden, am Volkstheater denkt Regisseur Philipp Arnold die romantisch-düstere Story klug neu, mit einem Monster von heute: der KI.


In „Frankenstein oder: Schmutzige Schöpfung“ (nach Shelley und Texten von Thomas Melle) gibt es die Titelfigur zweimal: Da ist Viktor (Julian Gutmann), der langweilt sich erst mal vor dem Eisernen Vorhang, die KI – heißt sinnigerweise Shelley – soll für Abwechslung sorgen, mit einer Geschichte. In die Viktor dann selbst hineinverfrachtet wird: auf der nun offenen Bühne, eine Szenerie mit ein paar symbolischen Elementen, Licht, Schnee und Musik sorgen für diffuse Stimmung. Hier bastelt Frankenstein, der Wissenschaftler (Cedric Stern), an seiner Kreatur, dreht am ganz großen Rad: Das Leben neu bestimmen.


Diese Kreatur, wenn sie erwacht, hat wenig Monströses an sich: Nina Noé Stehlin gibt sie als zartes Wesen, stochert sich, sprachlich noch unsicher, gestisch eigenwillig, in die Welt. Mordend böse wird sie dann doch, weil ihr Schöpfer ihr versagt, wonach sie sich sehnt: einen Partner. Doch das ist noch nicht das Ende: die KI, bis dahin nur als Stimme präsent, wird personifizierte Intelligenz: Jawad Rajpoot, stiere Augen, dicke Adern auf kahlem Schädel, die Wirbelsäule ausgelagert, erscheint durch einen wabbernden Lichttunnel, als moralisch aufgeladene, finale Warnung: „Was einmal Mensch war, wird nicht mehr sein“.


Der Jubel nach 100 Minuten: gewaltig.



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Foto: Arno Declair



Produktion:

Regie: Philipp Arnold

Bühne: Lili Anschütz

Kostüme: Julia Dietrich

Musik: Joel Jaffe, Thalia Killer

Lichtdesign: Anja Sekulic

Dramaturgie: Anouk Kesou

Regieassistenz: Rebecca Fischer

Bühnenbildassistenz: Matteo Marangoni

Kostümassistenz: Julie Fritsch


Besetzung:

Viktor: Julian Gutmann

Frankenstein: Cedric Stern

Eine Kreatur: Nina Noé Stehlin

Elisabeth: Carolin Hartmann

Henry: Anton Nürnberg

Shelley, eine Intelligenz: Jawad Rajpoo

Termine & Tickets

Freitag, 17.10.2025 19:30 Uhr – 21:30 Uhr – 19:00 Einführung Tickets
Freitag, 07.11.2025 19:30 Uhr – 21:30 Uhr Tickets
Samstag, 06.12.2025 19:30 Uhr – 19:00 Einführung Tickets

Veranstaltungsort / Karte

Münchner Volkstheater / Münchner Volkstheater – Bühne 1
Adresse: Tumblingerstraße 29, 80337 München

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