19:30 Uhr – 21:30 Uhr
Münchner Volkstheater / Münchner Volkstheater – Bühne 1, Tumblingerstraße 29, 80337
München
Theater
Die Nashörner
Die Nashörner
von Eugène Ionesco
OH! EIN NAS! Nas was? Nas Horn. Nas wo? Nas Oh! Ein WAS?! Ein Nas! Nas Was? NASHORN! Mitten auf dem Marktplatz, am helllichten Tag. Nicht zu fassen! Da sind sich alle einig. Alle, außer Behringer: Es ist eben ein Nashorn, na und? Doch mit der Zeit tauchen immer mehr Rhinozerosse auf. Mit ihnen wächst Angst und Verunsicherung: Handelt es sich bei der Meldung um die Nashörner um Falschinformationen? Wer hat sie wirklich gesehen? Hat die Presse hier aus einer Mücke… ein Nashorn gemacht? Und sind die treuherzigen Dickhäuter wirklich so grausam wie vermutet? Fasziniert von deren Kraft und Einfachheit verwandeln sich Behringers Mitmenschen nach und nach selbst in Nashörner. Der anfängliche Unmut über das wachsende Nashornaufkommen weicht einem allumfassenden Hype. Es gibt viele gute Gründe, ein Nashorn zu werden – und vielleicht könnte man sich den Tieren etwas annähern, wenn man erst lernt, sich in ihre Denkweise hineinzuversetzen.
Der Individualist Behringer steht einer Masse gegenüber, die ihre Konformität perfektioniert hat. Je optimierter die Verbreitung vorgefasster Meinungen von statten geht, umso stärker trotzt Behringer der verschmelzenden Masse und verharrt im Widerstand: Er wird Mensch bleiben, koste es, was es wolle! Anna Marboe jagt die Mittel des Theaters durch verlockende Mainstream-Maschinerien und zieht für die Frage nach Manipulation und der Verführung durch Gruppen alle Register des Absurden Theaters. In einer Zeit, in der alles aus den Fugen gerät, ist es schließlich einfach ein gutes Gefühl, zu den Guten zu gehören.
Regie Anna Marboe
Bühne und Kostüme Helene Payrhuber, Sophia Profanter
Beleuchtung Anton Burgstaller
Choreografie Felicia Nilsson
Dramaturgie Hannah Mey
Regieassistenz Malte Buchloh
Bühnenbildassistenz Matteo Marangoni
Kostümassistenz Amelie Enders
Besetzung
Behringer Maximiliane Haß
Hans Nils Karsten
Der Logiker / Frau Ochs Carolin Hartmann
Der ältere Herr / Herr Schmetterling Jonathan Müller
Daisy Steffen Link
Stech / Das Treiben am Marktplatz Lorenz Hochhuth
Wisser / Die Hausfrau Pauline Fusban
Die Besprechung unseres Theaterexperten Peter Eidinger:
Noch ein moderner Klassiker, diesmal auf dem Spielplan des Volkstheaters: Eugène Ionesco (1912 – 1994) war Spezialist in Sachen absurdes Theater und so tauchen in seinem Stück von 1959 „Die Nashörner“ eben nicht nur ein, sondern gleich mehrere Rhinos auf: eine Kleinstadt wird tierisch unterwandert. Und wie reagiert die Gesellschaft darauf? Mit Vernashornung! Also: erst Irritation, dann Faszination, schließlich Anpassung. Bis es zu spät ist.
Die Anzahl der Nashörner nimmt weltpolitisch gesehen ja gerade überproportional zu, Gründe dieses Stück rauszuholen gibt es also reichlich. Ionesco selbst hat es ausdrücklich als „politisches Stück“ verstanden, aber die Wiener Regisseurin Anna Marboe geht der Aktualität nicht auf den Leim. Ein paar minimale Anspielungen reichen, ansonsten spricht diese gut 100-minütige Sause, diese temporeiche, aberwitzige Parabel auf die Verführbarkeit des Volkes in ihrer zeitlosen, wunderbar comichaften Überhöhung für sich selbst.
Auf der simplen Bühne, weiße Hausfassade in grünem Ambiente, wird viel getanzt und gesungen: von beeindruckendem Choral-Gesang bis zum wilden Ausflippen. Denn das ist Marboes Kniff: die Nashörner ergreifen die Macht via Musik. Und so werden die Bewohner nach und nach gepackt, quer durch die Stile, von Elektrobeats bis Neue Deutsche Welle, von 50er-Jahre-Schlager bis Disco. Sounds, die man erkennt und doch nicht: es ist KI-generierte Musik, Musik, die alles kann, aber hohl bleibt, beliebig, künstlich. Das Ensemble des Hauses ist mal wieder zum Niederknien, im Mittelpunkt die Einzige, die nicht mit der Masse schwimmt: herrlich tragikomisch Maximiliane Haß. Schräg stilisiert, mitreißend choreografiert, mit Präzision und Timing: die schmerzhaft lustige Massenpsychose von „Kleinkarierten“ (was die Tweed-Muster der Kostüme witzig unterstreichen). Der Jubel: bedrohlich für die Statik des Hauses.
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Veranstaltungsort / Karte
Münchner Volkstheater / Münchner Volkstheater – Bühne 1
Adresse: Tumblingerstraße 29,
80337 München