1. Startseite
  2. Theater

Theater und Kabarett im März: Mut zur Selbst-Erfindung

Erstellt:

Nichts wie runter vom Sofa: Bookshop
Nichts wie runter vom Sofa: Bookshop im GOP Theater © Helena Jans

Von diesen Weltentwürfen kann man sich Wissenswertes abschauen

Es geht mit Schmackes los. Tango Tango! erzählt eine Schöpfungsgeschichte. Ein Mann hat alles verloren, er ist bereit für einen Neuanfang. In Argentinien lernt er eine junge Frau kennen. Sieben Tage dauert ihre Liebesgeschichte. Mit Musik von Bach bis Astor Piazolla. (Hofspielhaus, ab 1.3.)

Ebenfalls mit dem Feuer gespielt, wird in der Ehebruchskomödie Halbe Wahrheiten von Alan Ayckbourn. Der britische Pointen-Meister lässt Männer zappeln, die an der Treue ihrer Partnerinnen zweifeln. Urkomische Missverständnisse! (Theater Und so fort, ab 1.3.)

Galgenhumor gefragt ist dagegen für Schuld und Schein. Ein Geldstück, bei dem Metropol-Chef Jochen Schölch selbst Regie führt. Er leuchtet ins Dickicht der Finanzverstrickungen und beobachtet Geldjongleure bei schmierigen Tricks. (Metropoltheater, ab 1.3.)

Für Familien mit jüngeren Theaterfans empfiehlt sich die Kinderbuch-Adaption Aus heiterem Himmel nach Jon Klassen. Christiane Ahlhelm und ihre TheaterKunstdünger-Truppe mischen Schauspiel, Figurentheater und bewegte Bilder. (Hoch X, 1.3./Seidlvilla, 12.3.)

Ein Stück zwischen Umzugskisten, Erinnerungen und Heimweh: Befristet/ Für immer wirft die Frage auf, was funktionieren muss, damit man ein Zuhause findet. (Reaktorhalle, ab 2.3.)

Auch die Dinge, die sich ansammeln, geben Halt. Was braucht man wirklich? Laura Saumweber entwickelt daraus die Kernfrage im Tanztheater Ode an die Dinge. (Einstein Kultur, 2./3.3.)

30 Jahre Ehe, Kinder, Baustellen: Niko Formanek blickt in familiäre Abgründe. Etwa, wenn der Sohnemann in der Schule Tintenpatronen verschluckt. Unzerkaut. (Schlachthof, 3.3.)

Ihre schroffe Rinde lässt erahnen, was sie erlebt haben. Die performative Installation Scratching Trees erzählt von Massakern an Juden und Partisanen, aber auch von neuem Horror tief im Wald zwischen Polen und Belarus. (Lothringer 13 Halle, 3./4.3.)

Von einer weltberühmten Band weiß das zum Glück deutlich besser gelaunte Theaterstück von Marco Eschrich zu raunen. Man kommt der Sache näher, wenn man die titelgebende Abteistraße einfach mal ins Englische übersetzt und an einen Zebrastreifen denkt. (Fraunhofer, 4.3.)

Eigentlich hätte sich Stefan Leonhardsberger ein leidenschaftliches „Ja!“ von seiner Freundin erwartet, als er vor ihr auf die Knie ging. Aber nach drei Kindern muss ein halbbegeistertes „Ok“ als Zustimmung gelten. Alltagswahnsinn als Familienvater, Verlobter und als Gangster – auf dem Lastenfahrrad. (Lustspielhaus, 7.3.)

Rührungstränen fließen, wenn sich Johnny von seinem „Baby“ verzaubern lässt. Dirty Dancing kehrt in der eng an den Kultfilm angelegten Musical- Fassung zurück. Schmacht! (Deutsches Theater, ab 7.3.)

Nicht unbedingt der ganz großen Sympathieträger ist Richard III. Und doch ist es ein teuflischer Spaß, ihm auf Shakespeares Theater-Schlachtfeldern beim Wüten zuzusehen. (Akademietheater, ab 8.3.)

Wiedersehensfreude türmt sich innerlich auf, wenn man von der Rückkehr der Geschwister Pfister hört. Sie wissen: Es gibt 1000 Gründe, aktuell verrückt zu werden. Die Kunst ist, es nicht zu tun. „Relaxez-vous“ heißt daher die Devise. (Volkstheater, 9. bis 11.3.)

Wer keine Freunde hat, findet beim Lesen Trost. Und mitreißenden Spaß sowie Nervenkitzel in der aktuellen Bookshop-Produktion. Buchhändlerin Frau Sonntag schlägt immer neue Kapitel auf und lässt die Papierheroen der Weltliteratur lebendig werden – von Michael Endes Momo bis Shakespeares Romeo samt Julia. (GOP Theater, ab 9.3.)

Die große Gala unter dem Motto „112 Jahre Internationaler Weltfrauentag“ steuert auf ihren Höhepunkt zu. Und doch gerät Clara Zetkin, die eigentlich als Star-Rednerin vorgesehen war, um über die großen Errungenschaften des Feminismus zu berichten, ins Zaudern. Sie flüchtet sich auf die Damen-Toilette. Erst mal durchschnaufen. Doch dann platzen Simone de Beauvoir, Alice Schwarzer und Laura Penny herein. Und wollen natürlich diskutieren. Wann, wenn nicht jetzt? wirft große Fragen auf – und blickt mit Schrecken in die Zukunft. (Hoftheater im Stemmerhof, 9.3./Kulturzentrum Giesinger Bahnhof, 10.3., Heppel & Ettlich, 11.3., Stadteilkulturzentrum Guardini90, 12.3., Mohr-Villa Freimann, 12.3.)

Tief eintauchen kann man ins Landschaftslabor. Fanny Brandauer hat dafür eine begehbare Rauminstallation auf die Bühne gestellt, in der man sich mit Vegetationsökologie und Pflanzensoziologie beschäftigen und gleichzeitig fast alles anfassen kann. (Pathos Theater, ab 10.3.)

Ganz für sich: So kennt man Dirk Stermann gar nicht. Der gute ORF-Mann von Sezuan wälzt sich im ersten Solo-Kabarett „Zusammenbraut“ in Sorgen. Eigentlich wollte er seiner Tochter eine tolle Hochzeitsparty schmeißen. Doch dann endet alles in einer Generalabrechung mit dem gar nicht so tollen Vater. Er tanzt allein. (Lustspielhaus, 10.3.)

Vielleicht als Kontrastprogramm: Mario Barth verbreitet seine, nun ja, Weisheiten im großen Hallen-Rund. „Männer sind Frauen manchmal aber auch ... vielleicht“ lautet bei ihm die hintergründig-philosophische Eingangsthese, die zum Grübeln einladen soll. (Olympiahalle, 12.3.)

Einen Nobelpreis hat Barth noch nicht. Annie Ernaux aber schon. Ihre wie immer autobiografisch geprägte Erzählung Erinnerung eines Mädchens dreht nun auch auf der Bühne die Zeit zurück – in den Sommer 1958. Was war der damals 18-Jährigen widerfahren? In einem Klima der Doppelmoral, die Frauen wie Männern sehr unterschiedliche Ausprägungen von „Freiheit“ zubilligte. (Marstall, ab 15.3.)

Leichen pflastern ihren Weg: Auch Peter Kastenmüller hat sich Richard Drei vorgenommen, allerdings in der feministisch überschriebenen Shakespeare-Variation von Katja Brunner, die dann den Beititel „Mitteilungen der Ministerin der Hölle“ trägt. (Kammerspiele, ab 17.3.)

Mit der Verwirrung der Identitäten spielt zudem die Oper Achill unter Mädchen von Wolfgang-Andreas Schultz. Erzählt wird, wie der junge Achill, als Mädchen verkleidet, auf der Insel Skyros aufwächst. Als er sich verliebt, gerät seine Tarnung in Gefahr. Und dann rauscht auch noch Odysseus an. (Prinzregententheater, ab 17.3.)

Ein Baby kann Welten verändern. Das launige Musical erzählt von drei sehr unterschiedlichen Paaren, die ein Projekt eint: ihr Kinderwunsch. (Deutsches Theater, ab 18.3.)

Hinter die Dinge blickt bekanntlich die Boulevard-Komödie Art von Yasmina Reza. Immerhin geht es um eine oberflächlich betrachtet komplett weiße Leinwand, die drei Kunstfreunde ins Streiten bringt – diesmal inszeniert auf Englisch! (Theater Und so fort, ab 22.3.)

Verdächtige Spuren: Ein Junge stürzt vom Dach. Ein Unfall? Die Naturwissenschaftlerin Smilla glaubt das nicht, als sie sich die Spuren genauer ansieht. Immerhin: Fräulein Smillas Gespür für Schnee ist untrüglich. Katrin Lindner bringt den Roman zum Film von Bille August auf die Theaterbretter. (Zentraltheater, ab 22.3.)

Ein perfides System, eine gut geschmierte Maschinerie: Der einfache Architekturdozent Michail gerät durch Zufall an einen mächtigen Geheimbund, der sein Leben komplett auf den Kopf stellt, ihm eine steile Karriere und unerwartet viel Geld einbringt. Doch alles hat seinen Preis. Nur den Ausstieg kann man sich nicht kaufen. Regisseur Philipp Arnold macht den belarussischen Roman Revolution hautnah erlebbar. (Volkstheater, ab 23.3.)

Wildes Feiern, das den Schmerz übertönen soll: Still Not Still, die explosive neue Tanzproduktion von Ligia Lewis, erschüttert die Vorstellungskraft – und den Glauben daran, dass es so etwas wie Fortschritt gibt. Licht fällt dafür auf all die Menschen, die von der Geschichte in den Schatten gedrängt wurden. (Muffathalle, 23./24.3.)

Die Regeln des Spiels umdeuten wollte immer schon die Frau, die als junge „Griet“ in der niederländischen Provinz aufwuchs, aber als Doppelagentin Mata Hari Weltgeschichte schrieb. Es geht um den Wunsch, sich selbst zu erfinden. Warum nicht mal als exzentrische Diva? Marc Schubring hat sich in seinem Stück auf eine musiktheatralische Spurensuche begeben. (Gärtnerplatztheater, ab 23.3.)

Noch bis Ostern wird er nicht aufzuhalten sein: Holger Paetz standpaukt wieder: „Fürchtet Euch!“ heißt seine mitreißende Bußpredigt. (Schlachthof, 24.3.)

Lange war er ein Garantielieferant des Galgenhumors. Jetzt meint es Thomas Steierer bierernst mit dem Optimismus. „Immer weiter“ heißt der liebenswert-skurrile Versuch, einfach mal aus dem Hamsterrad rauszuhüpfen. (Fraunhofer, 24.3.)

Was macht den Mann zum Mann? Die herrlich freche Groteske Männchen dreht sich um die Einsamkeit (im Wald) und Kränkungen. Und um echtes Expertenwissen, wenn es um Küchengeräte geht. (Schwere Reiter, 24. bis 26.3.)

Was heißt schon normal? Teenager Jacob kleidet sich wie Céline Dion. Er spricht neuerdings mit franko-kanadischem Akzent. Und er verwirrt seine Eltern. Yasmina Rezas neue Komödie James Brown trug Lockenwickler rät eindringlich dazu, Menschen so zu akzeptieren, wie sie oder er sich wohlfühlen. Regie führt ihr Wunschkandidat für die deutsche Uraufführung: Philipp Stölzl. (Residenztheater, ab 24.3.)

Barbara Hordych hat zusammen mit Erhard Dietl ein doppelbödiges Stück geschrieben, das zwei Menschen vorstellt, die jeden Tag an ihrer Bushaltestelle stehen. Irgendjemand wartet immer erzählt davon, welches Bild man sich voneinander macht. Und wie schwer es ist, reale Begegnungen überhaupt noch zuzulassen. (Hofspielhaus, ab 28.3.)

Frauen-Power: Sie küssen sich nämlich wach, in der Stück-Entwicklung Allein. Einfach mal den Albtraum hinter sich lassen, dass man Glück angeblich nur in wahrer Liebe findet. (Akademietheater, ab 29.3.)

Fast wäre er österreichischer Bundespräsident geworden, jetzt steht Marco Pogo wieder auf der Bühne. „Geschichtldrucker“ ist die Kabarett-Ausbeute des Frontmanns der Punkband Turbobier, der sich zuletzt ganz tief in Politabgründe getraut hatte. (Lustspielhaus, 29.3.)

Mit dem Trauma einer katholischen Internatsjugend befasst sich Thomas Melle in seinem Roman Bilder von uns. Intendant Christian Stückl bringt den starken Stoff als psychologischen Thriller von Verdrängung und medialer Ausschlachtung auf die Bühne. (Volkstheater, ab 30.3.)

Monacensia und Kammerspiele schließen sich zusammen: Das Festival „Female Peace Palace“ verbeugt sich vor dem Mut von Frauen in Krieg und Widerstand. Geschlagen wird ein Bogen vom „Ersten Frauenfriedenskongress“ während des Ersten Weltkriegs, der maßgeblich von München aus konzipiert wurde, bis hin zu aktuellen Konfliktzonen. Ein erster Höhepunkt ist die Bühnenpräsentation der Anti War Woman. Jessica Glause erkundet, „wie Frauen den Krieg bedrohen“, wie es in ihrer Uraufführung heißt. Sie holt fast vergessene Zeuginnen ans Licht, die für zivilen Ungehorsam und politische Aktion stehen. (Kammerspiele, 31.3.)

Und dann geht’s auch schon wieder mit der Ballettfestwoche des Bayerischen Staatsballetts weiter: Hingucker im Festprogramm ist dabei die Auftaktpremiere Schmetterling, in der Tänzerinnen und Tänzer zwei Gruppenstücke des Choreografen-Duos Paul Lightfood und Sol León flattern lassen. Ihre meditative Arbeit erinnert dabei ein wenig an die Ästhetik von Stummfilmklassikern. (Nationaltheater, 31.3. und 2.4.) 

Auch interessant