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Reiseführer für Traumwelten - Theater und Kabarett im September

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Hält sich gut im Wind: Inka Meyer
Hält sich gut im Wind: Inka Meyer © Simon Büttner

Ein Neuaufbruch voller Magie: Diese neuen Bühnenstücke machen Lust, die Augen wieder weit aufzureißen - Theatertipps für den September.

Vorfreude, Anspannung, Tollkühnheit und die sichere Überzeugung, dass man die Dinge schon schaukeln wird, wenn man nur clever bleibt: All das beschreibt nicht nur Figaros Hochzeit, sondern ein wenig auch die neue Bühnensaison, in die man sich voller Begeisterung stürzen sollte. Man weiß ja nie. Maximilian Berling von der Kammeroper München reißt mit seiner Mozart-Inszenierung nicht nur Musik-Fans mit. Pflicht! (Schloss Nymphenburg, Hubertussaal, ab 1.9.)

„Zurück in die Zugluft“: Auch der Titel von Inka Meyers Solo beschreibt das Flirren ganz gut. Sie entdeckt den Chaosalltag als neue Arbeitsgrundlage, mit der man klarkommen sollte, es aber auch schaffen kann. „Als Kind war jeder Tag ein Sonntag. Als Student ist immer Freitag“, erinnert sie sich. „Und heute ist irgendwie ständig Montag.“ (Schlachthof, 2.9.)

Eine Welt im Taumel: Sonja Graf setzt mit Nachtgesichte. Murnaus Schatten. Entfesselte Träume ein absurdes Spiel in Gang, in der um verlorene Gewissenheitne gerungen wird. Immer haarscharf entlang der Kanten von Wirklichkeit und Traum. (Amphitheater Englischer Garten, ab 3.9.)

Aufbruchsstimmung verbreite das Figurentheaterfestival mit dem schönen Namen „Wunder“. Mit einer Ouvertüre geht es los – inszeniert vom französischen Théâtre de l’entrouvert. Die Poesie-Experten verwandeln mit ihrer Eisfüße-Installation Lands – habiter le monde einen der schönsten Orte der Innenstadt in eine Märchenwelt. (St.-Jakobs-Platz, 4.9.)

Abkühlung war zuletzt ja immer wieder Wunschthema. „Kalte Technik“ dagegen kann erschrecken. Ihr setzt die Choreographin und Tänzerin Roberta Pisu in ihrer Produktion K.I.nd of Human das Gegenkonzept „Warme Empathie“ entgegen. Ein Abend, der auch der Frage nachgeht, wie sich der Mensch gegen die vermeintliche Übermacht künstlicher Intelligenz behauptet. Spoiler: Das schaffen wir schon irgendwie! (Utopia, 13./14.9.)

Das Tolle an Gaudiburschen wie Michael Altinger ist, dass sie selbst meist sehr lustig und in der Regel auch noch bestens vernetzt sind. Für seine „Brettl“-Tour hat Altinger starke Kollegen zusammengetrommelt – darunter Jens Neutag, mit dem man eine Kuschelparty besucht und sich einfach mal ungebremst angenommen fühlt. (Kleines Theater Haar, 14.9.)

Aufregend: Im Werksviertel eröffnet mit dem Werk7 Theater eine neue Bühne, die Kenner zwar an frühere Musical-Produktionen wie „Fack ju Göhte“ erinnern dürften, die nun aber komplett umgestaltet wurde. Hingucker ist die einzigartige 180-Grad-Bühne, wo man dem Geschehen so nah ist wie sonst kaum woanders. Besonders gut kommt das bei der Gefühlsachterbahnfahrt, die Jana & Janis dem Publikum abverlangen. Ihr schmissiges Interaktiv-Musical lässt sich gut mit diesem Motto beschreiben: „Sag einfach Jein!“. (Werk 7 Theater, ab 14.9.)

Vom Wunsch, Familien-Anschluss zu finden, erzählt Paris, Texas. Regisseur Josef Rödl bringt den Stoff, aus dem Wim Wenders nach dem Drehbuch von Pulitzer-Preisträger Sam Shepard seinen weltberühmten Wüstenfilm gemacht hat, auf die Bühne. Man darf gespannt sein! (Zentraltheater, Paul-Heyse-Str. 28, ab 15.9.)

Wen in der Schule der magischen Tiere Sorgen bedrücken, dem wird rasch geholfen. Es gibt eben treue Begleiter aus der nicht ganz alltäglichen Zoohandlung. Das Coole daran: Nur die Kinder können ihre Auserwählten sehen. Zwölf Bände gibt es schon aus der bei jungen Lesern beliebten Reihe von Margit Auer. Höchste Zeit, dass der Stoff auf die Bühne kommt. Harry Potter, schleich dich mal kurz! (Deutsches Theater, 16. bis 18.9.)

„Jubel, Trubel, Heiserkeit“: So sieht’s aktuell für Johann König aus. Er hat schon einiges erreicht im Leben. Drei Kinder gezeugt. Zwei Bäume gepflanzt. Ein Haus gebaut. Nun steht das Unvermeidliche an: Den Auszug der Kinder vorbereiten. Die Bäume fällen. Das Haus verputzen. (Leo 17, 17.9.)

Wiesn ist. Aber nicht nur zu Füßen der Bavaria. Warum nicht auch im Hofbräuhaus? Dorthin ist Jürgen Kirner, der ganze Zelte zum kultiviert hinterfotzigen Mitsingen animieren kann, nun gezogen. Unter dem Motto Die Schönheitskönigin zu Gast im Höfbräuhaus steigt der Volkssänger-Wettbewerb „Jetzt sing i“ eben am ebenso kongenial passenden Ort. Die Couplet-AG darf da nicht fehlen, starke Gäste wie Roland Hefter natürlich auch nicht. (Hofbräuhaus, ab 17.9.)

Vom Feiern verstehen sie allerdings auch am Nationaltheater was. Dort steigt als Auftakt zur neuen Opern- und Ballett-Saison das UniCredit-Septemberfest mit vielerlei Attraktionen in und um das Theater. Ein Höhepunkt ist die Premiere von Orphea in Love. Dahinter verbirgt sich ein Film von Axel Ranisch, der in Kooperation mit Oper und Filmfest München entstand. Neu interpretiert wird die klassisch berührende Geschichte von der verlorenen Geliebten. (Staatsoper, 17.9.)

Ebenfalls im Rahmen des Septemberfests, das nachmittags auch im Kaiserhof der Residenz steigt, sollte man L‘infedeltà delusa („Die vereitelte Untreue“) nicht verpassen. Die Musikkomödie von Joseph Haydn wurde 1773 erstmalig vorgestellt. Zuletzt hatte sich der Nachwuchs aus dem Opernstudio daran gemacht. (Cuvilliéstheater,17.9.)

Da wird einem doch mitten ins Gesicht gelogen. Ich war das nicht ist ein beliebter, wenn auch oft nicht allzu erfolgreicher Ausrede-Versuch, der vor allem unter Kindern weitverbreitet ist. Die Choreografin Sabine Karb hat dazu eine pfiffige Outdoor-Produktion gemacht, die der Frage nachgeht, wie man verhindern kann, dass am Ende immer alle beleidigt sind. Münchner Grundschüler haben an einer Tanz-Collage mitgearbeitet, die Mut machen soll, selbstbewusst zur Wahrheit zu stehen. (Bauhausplatz 3 vor der Kulturbühne Spagat, 20.9. und Arnulfpark, Erika-Mann-Str./Arnulfsteg, 23.9.)

Ans Eingemachte gehen auch der junge Student Luis und die Filmmuseumsleiterin Anna. Er studiert eigentlich Politikwissenschaften, arbeitet aber auch als King Kong-Darsteller. Anna hat das Gefühl, das Leben zieht schon lange an ihr vorüber. Also lässt sie sich auf ein Abenteuer ein und begleitet Luis in seine Heimat Guatemala. (Hofspielhaus, ab 21.9.)

Tierisch zur Sache geht es auch im neuen Theaterstück Die Rückkehr der Delphine von Stefan Kastner. Weil bekanntlich zwei Mal in Folge das Oktoberfest nicht stattfinden konnte, soll das Wasser an den Bavariaring zurückgeflossen sein. Anlässlich ihres 1500-jährigen Dienstjubiläums wünscht sich Bavaria, die fesche Patrona Bavariae, neue Gesichter für die Ruhmeshalle. Also schickt sie ihre Delphine in die Ägäis, um dort fündig zu werden. Doch mit den Intrigen eines mächtigen Brauereibesitzers hat die Bavaria dann doch nicht gerechnet... (Deutsches Theater, ab 21.9.)

Richtig stolz auf seinen neuen Programmtitel „Definitiv vielleicht“ ist Günter Grünwald. Immerhin spiegelt sich darin der etwas schmierige Zeitgeist. Es ist die Haltung „Sowohl als auch“ oder „Sich alle Optionen offen halten“. Oder wie Grünwald meint: „Warum sollte ich einen Arzttermin absagen, die merken ja, wenn ich nicht komme.“ Zwingende Logik. (Leo 17, 23.9.)

Wer den leider noch immer schlimmen Wahnsinn der USA besser verstehen möchte, sollte sich auf das Theaterepos Engel in Amerika einlassen, das 1993 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde. Tony Kushner erzählt von Bigotterie, rechtslastiger Selbstgerechtigkeit, von Alltagsrassismus, irren Aids-Ängsten und von Borniertheit. (Residenztheater, ab 23.9.)

Als alles aus den Fugen geriet: Der Terroranschlag auf die Olympischen Spiele ließ den Traum von den heiteren Spielen und von in sympathischen Pastelltönen reingewaschenen Deutschen jäh zerplatzen. Die Spiele müssen weitergehen – München 1972 blickt dokumentarisch anhand von Augenzeugenberichten, Ermittlungsakten, Interviews und Zeitungsartikeln zurück. Beklemmend! (Marstall, ab 24.9.)

1926 feierte Emmerich Kálmán mit seiner turbulenten Die Zirkusprinzessin-Operette einen Sensationserfolg. Die Premiere am Theater an der Wien bahnte ihm den Weg an den Broadway. Höchste Zeit für ein Wiedersehen: Erzählt wird vom Trubel in einem Prinzenpalais im noch zaristischen Sankt Petersburg, in das selbstbewusstes Artisten-, Gaukler- und Tänzer-Volk strömt. (Gärtnerplatztheater, ab 24.9.)

Selbst hineinwirbeln darf man beim Tag der Offenen Tür im Residenztheater. Dort stellen sich nicht nur die Künstlerteams vor. Man erfährt auch viel übers neue Spielplanprogramm – und wird schnell extrem süchtig. (Residenztheater, 24.9.)

Ebenfalls als großes Fest zieht das Theater der Jugend den Tag der Offenen Tür auf. Neben Schmankerln aus dem neuen Programm gibt es Attraktionen für alle Altersgruppen. (Schauburg, 24.9.)

Ein ganz neues Sinnerlebnis verspricht das Tanzstück Hope/less von Anna Konjetzky. Tatsächlich spielt es in einem dehnbaren, verformbaren Raum. Es geht um weibliche Wut, die Veränderungen erzwingt. (Muffathalle, 27./28.9.)

Um Nähe und Distanz dreht sich alles es in der Performance Bis hierhin oder weiter? Susanne Schütte-Steinig lotet auch mit Passanten neue Möglichkeiten von Begegnungen aus, bei der auch eigenwillige Helmskulpturen zum Einsatz kommen. (Schwere Reiter, 28.9.)

Und dann erkundet Pinar Karabulut in der La Mer Sombre-Premiere zeitgemäße Geschlechteridentitäten, greift dabei aber auch immer wieder auf Antike-Inspirationen zurück – unter anderem mit den „Gaststars“ Narziss, Sappho oder Salomé. (Kammerspiele, ab 29.9.)

Rupert Sommer

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