1. Startseite
  2. Theater

Als die Zwanziger noch golden waren: „Jonny spielt auf“ am Gärtnerplatz

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Andreas Platz

„Jonny spielt auf“ von Ernst Krenek am Gärtnerplatz 
Tolle Typen im Clinch: „Jonny spielt auf“ von Ernst Krenek am Gärtnerplatz  © Gärtnerplatztheater

Feier von Genuss und Freiheit: „Jonny spielt auf“ von Ernst Krenek am Gärtnerplatz 

Erste „Jazzoper“ der Musikgeschichte! Ein solches Branding setzt natürlich Erwartungen frei, man könnte gar versucht sein, die neue Produktion im Gärtnerplatztheater mit George-GershwinSwing im Kopf zu besuchen. Das sollte man eher nicht. Denn der junge Mann, der hier mit Musik und Text am Werk war, Ernst Krenek, Österreicher mit tschechischem Background (1900 – 1991), hatte sich schon einen Namen gemacht als „zorniger junger Komponist“, beeinflusst von der Avantgarde der 1920er Jahre. So klingt vieles an diesem Abend nach Neuer Musik, jugendlich und eruptiv, und auch das Atonale darf mal sein. Natürlich, der Jazz kommt auch noch.

Aber erst mal dreht sich alles um Max, einen Komponisten im Inspirationsloch (herrlich selbstmitleidig: Alexandros Tsilogiannis). Der verliebt sich in die Sängerin Anita (Powerfrau in laszivem Rot: Mária Celeng), die wiederum nichts gegen Seitensprünge hat und sich mit dem geschleckten Beau Daniello (Mathias Hausmann) einlässt, und dem wiederum klaut Jonny (Ludwig Mittelhammer), der Jazzer, die Geige. „Jonny spielt auf“ am Gärtnerplatztheater ist die Wiederentdeckung eines Theaterhits aus der Zeit zwischen Erstem Weltkrieg und Nationalsozialismus. An die 100 Opernhäuser – in Europa, aber auch in London und New York – zeigten das Werk in den zwei Jahren nach der Uraufführung 1927. Der Erfolg kam nicht von ungefähr, mit „Jonny“ zieht das Jetzt in die Oper ein: Radio und Film wurden eingebaut, ein Staubsauger, ein Auto.

Zu den Jazz-Elementen kam noch Tango und Foxtrott, und die Instrumente waren auch nicht alle klassiküblich: Saxophon, Xylophon oder Banjo. Den Nazis war die Moderne natürlich grundsätzlich ein ideologischer Gräuel. Dass die Münchner Erstaufführung 1928 wegen Stinkbomben und Sprechchören gar unterbrochen werden musste, hängt mit dieser Oper im Speziellen zusammen. Im Nazi-Jargon ging es hier um „Rassenschande“. Denn Jonny ist ein Schwarzer. Womit wir beim Thema Blackfacing sind. Weiße Darsteller auf schwarz schminken, ist heute eigentlich ein No go: hier machen sie es dennoch. Regisseur Peter Lund betont „den Versuch, die Situation der Münchner Erstaufführung lebendig werden zu lassen.“ Und da wurde eben „geblackfaced“, denn Schwarze durften damals nicht auf die Bühne (Ausnahme: Josephine Baker). Man kann die Beweggründe verstehen, es bleibt befremdlich. Der Darsteller des Jonny wird sich später sichtbar abschminken, das macht die Akzeptanz dieses theaterhistorischen Mittels etwas leichter.

Lunds Inszenierung ist ein absolut reiz- und schwungvoller Ausflug in die Goldenen Zwanziger, eine Feier der Freiheit und des Genusses. Tanzpassagen, Slapstick, Revue: auf der Bühne von Jürgen Franz Kirner – schnelle Wechsel vom Expressionismus der Gletscherwelt in die praktische Sachlichkeit von Hotel oder Bahnhof – bleibt das Tempo dieser Gaunerkomödie in den gut zwei Stunden hoch. Musikalisch immer wieder überraschend, ist das Orchester (Musikalische Leitung: Michael Brandstätter) eine sichere Bank durch alle Stil-Varianten. Die Stimmen überzeugen ausnahmslos, für den Chor gilt das genauso. Und was keinesfalls vergessen werden darf: die genial karikierenden Kostüme – Otto Dix und George Grosz lassen grüßen – von Daria Kornysheva. Gegen die grelle Lebenslust der Hauptrollen steht das Spießergrau des Volkes – Vorboten aus den schlechteren Zeiten, die schon am Entstehen sind. Der Applaus: fulminant.

Autor: Peter Eidenberger

Auch interessant