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It’s Showtime!

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Poesie mit Glamour: Karl Karl und Karl am TamS
Poesie mit Glamour: Karl Karl und Karl am TamS © Severin Vogl.

… am TamS mit Karl Karl und Karl und am Gärtnerplatz mit Mata Hari

Die höheren Weisheiten aus den Tiefen des Unsinns schöpfen – das TamS bleibt sich treu. Diesmal widmen sie sich schräger Poesie, und holen sich für Karl Karl und Karl den Show-Glamour der 1950er Jahre in ihr kleines Schwabinger Theater. Natürlich mit geschwungener Show-Treppe, und die muss ausgenutzt sein – die dauerbeseelt ins Publikum grinsenden Showmaster in ihren Satin-Anzügen und den Glitzerkrägen brauchen gleich mal gefühlte 50 Anläufe für den richtigen ersten Auftritt.

Die Ausstattung und die Kostüme liefern die reizvolle Verpackung für diese umjubelte Exhumierung eines Vergessenen der Literaturgeschichte: Konrad Bayer, Wiener Poet, unangepasster Sprachforscher (1932 - 1964). Bayers Dichtkunst steht für den Aufbruch nach der Nazizeit: Happenings, Formensuche, Experimente quer durch die Genres, aus dem Dogma des Unkonventionellen heraus.

Jakob Fedler (Regie) erfindet zusammen mit Sophie Wendt, Lena Vogt und Axel Röhrle einen wunderbaren Beweis für die unvergleichliche Kraft des Theaters. Herrlich zelebrieren sie die hohe Schule der Komik, spielen mit den sattsam bekannten Elementen der Show-Welt. Man kämpft mit dem Mikro oder knallt gegen Wände, man tänzelt und steppt, man rezitiert und zaubert – und immer wird die Form gewahrt und fröhlich ins Publikum gewunken. Severin Rauch malt den Sound dazu: mit jazziger Snare Drum oder elegischem Vibraphon.

Bayers Texte sind verzwickt: etwa „franz war / war franz! / franz. / war. / wahr ... wirrwarr“ – sie spielen mit Sprache, malen Laute, sind Endlosschleife. Ganz schön herausfordernd beim Lesen. Werden sie aber präsentiert wie hier, sind sie Zucker – mögen sie in noch so absurde Tiefen strudeln. Ein zauberhafter Abend. Furios. Grandios. Superb. Ach, alles. Reingehen.

Das Gärtnerplatztheater hat sich die Uraufführung eines legendären Stoffes bestellt: Mata Hari. Eine Frau, um die es so viel Spekulatives gibt, dass sich schon einige Biografen die Zähne ausgebissen haben. Marc Schubring (Musik) und Kevin Schroeder (Texte) haben jetzt ein Musical daraus gemacht. Vom Prozess aus, der Tänzerin und Spionin 1917 gemacht wurde, führen uns Film-Takes mit Zeugenaussagen zurück in die Geschichte der jungen Frau, die mitten in der puffärmeligen Offiziersgattinen-Spießigkeit der niederländischen Kolonialmacht 1897 auf Java landet. Griet (Florine Schnitzel), die Überschwängliche, versinkt nach und nach im Frust, mit einem trinkenden Hauptmann als Gatten (Armin Kahl). Die Schwangerschaft ist für sie Schock, nicht Glück, fremdgehen hilft auch nicht. Am Ende flieht sie zurück nach Europa.

All das ist brave Musical-Konvention – und soll maximale Fallhöhe bieten zu einer imaginierten Gegen-Welt: Griets Sehnsucht nach der Bühne. Ihr alter ego ist Mata Hari, der Popstar. Und hier kommt die große Show, die Dramaturgie des Plots stanzt sich szenenweise in Griets Ehealltag. Regisseurin Isabella Gregor zieht alle Register, um mit Licht, Choreo, mit Latex-Walküren und Tempeltänzerinnen diese Intermezzi zum Funkeln zu bringen. Mit Wahnsinnsstimme und großer Präsenz powert sich Ann Sophie Dürmeyer durch diverse Pop-Styles: mit Techno- und Hiphop-Anleihen zum Dance Pop und Disco, zur Ballade, zum Rock, bis in Rammstein-Nähe. Und den James-Bond-Sound für die Spionagekiste. Auf diese Passagen geht dann wohl auch der Schlussapplaus: Standing Ovations für ein Musical, das spannend gedacht ist, aber leider nie so richtig abhebt.

Autor: Peter Eidenberger

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