ZUGABE von Claudia Pichler: Der Krapfen ist mein Fasching!

„Spatzl, es gibt Sachen im Leben und besonders im Fasching, die wenn man‘s nicht selber erlebt hat, glaubt man’s fast selbst nicht.“ So philosophiert Helmut Fischer als Monaco Franze. Zur Faschingszeit mischt er als „Herr der sieben Meere“ in der gleichnamigen Folge der Kultserie das Münchner Nachtleben auf, immer an seiner Seite sein Leichtmatrose, der Kopfeck Manni. Die beiden fragen sich, ob der Fasching im Donnersberger Hof eigentlich noch so gut ist wie früher. (Spoiler: ist er nicht.)
Näher als mit diesen Filmszenen bin ich persönlich dem Münchner Fasching nie gekommen. Ich bin durchaus feierfreudig, lasse keine Sause aus und liebe den Kocherlball oder das Oktoberfest. Aber mit dem Fasching habe ich mich nie richtig anfreunden können. Dabei ist in München einiges geboten: Vereine, Gilden, Innungen – alle veranstalten Bälle und pflegen ihre Traditionen. Die Damischen Ritter ziehen durch die Stadt, die Marktweiber tanzen am Faschingsdienstag auf dem Viktualienmarkt, die Innenstadtwirte laden zum Weißwurstessen. Im Löwenbräukeller, Augustinerkeller, Deutschen Theater, der Deutschen Eiche oder im Bayerischen Hof wird närrisch getanzt.
Das Fremdeln mit dem Fasching ist ein altes Münchner Phänomen. Das kann man sogar in der Stadtchronik nachlesen. Ein Auszug aus dem Jahr 1910 beschreibt, wie lustlos das Münchner Publikum dem Faschingszug zuschaute. „Die Veranstalter sahen sich deshalb zu folgender Aufforderung genötigt: An die verehrlichen Zuschauer! Es ist gestattet zu lachen. Der Zug darf mit frohen Zurufen begrüßt werden. Es ist nicht nötig, eine Leichenbittermiene zu machen.“ Ja mei, wenn der Münchner grantig ist, ist er grantig. „Der Fasching ist doch eine Farce!“, möchte man da ausrufen.
Das sind die Worte von Faschingsprinz Max Heubl aus Gerhard Polts Serie „Fast wia im richtigen Leben“. Der überarbeitete Prinz kommt dank übermäßigem Alkoholkonsum und vollem Terminplan nur schwer in faschingsfröhliche Stimmung. Kurz darauf muss er schon wieder auf die nächste Bühne. Stimmungslied, Standardwitz und ein paar Grußworte. Ein weiterer unvergessener Faschings-Fernseh-Moment.
Es gibt für mich aber doch ein absolutes Highlight im Fasching: den Krapfen! Der Krapfen ist mein Fasching! Zur närrischen Zeit sieht man sämtliche Variationen von diesem herrlichen Schmalzgebäck. Es gibt sie glasiert, schokoliert, gezuckert, gepudert, mit Konfitüre, Creme oder Sonstwas gefüllt. Es gibt Bienenstich-, Schwarzwälderkirsch- oder Eierlikörkrapfen. Zum Glück ist im Fasching alles erlaubt. Denn bei manchen überfrachteten Exemplaren ist das Verzehren in der Öffentlichkeit ein riskantes Spektakel. Am Ende bappt die Glasur im ganzen Gesicht und die Füllung bazt sich in ungeahnten Bahnen ihren Weg auf Hände und Kleidung respektive Kostüm. Natürlich gibt es auch grenzwertige Experimente wie den Leberkäs-Krapfen aus Miesbach. Wenn sich der Krapfenmarkt analog zum Eismarkt entwickelt, sollten wir uns vorsichtshalber einstellen auf Basilikum-Limetten-Krapfen, Kastanien-Krapfen mit Rosmarin und Pinienkernen oder Schlumpf-Krapfen.
Wer welchen Krapfen am liebsten mag, sagt sehr viel über die Persönlichkeit. Deshalb eignet sich die Frage nach der Lieblingssorte super für Party-Smalltalk oder auch beim Kennenlernen. Hätte ich manchem Mann beim ersten Date diese Frage gestellt, vieles wäre mir erspart geblieben! Die Krapfenvielfalt ist deshalb so schön, weil es wie Weihnachtsgebäck eine saisonale Freude ist. Am Aschermittwoch ist die ganze Gaudi vorbei. Saison ist selten geworden. Beim Spargel gibt es sie noch, ansonsten ist alles jederzeit verfügbar. Nicht nur die zeitlichen Grenzen fallen zunehmend, auch die regionalen.
In Hamburg gibt es das Franzbrötchen. Das ist ein feines Plundergebäck, traditionell mit Zimt und Zucker gefüllt. Es gehört zum Hamburg-Besuch dazu wie das Fischbrötchen am Hafen. Inzwischen findet man das Franzbrötchen auch immer häufiger in Münchner Bäckereien. Zum Glück schmeckt es nicht so gut wie das Original! Das ist ähnlich wie mit der richtigen Butterbreze. Die gibt es ja auch nur hier in München. Mein Lieblingskrapfen ist übrigens mit Hagebuttenkonfitüre gefüllt und gezuckert. Das sollten Sie wissen.
Claudia Pichler ist Münchnerin und Kabarettistin. Sie hat ihre Doktorarbeit über Gerhard Polt geschrieben. Aktuell ist sie mit ihrem Soloprogramm „Eine Frau sieht weißblau“ auf den Kabarettbühnen unterwegs. www.claudiapichler.com