„Vegane Weißwürscht?! Wo soll das alles enden?“ - Ein paar Gedanken

Die Firma Greenforce brachte kürzlich vegane Weißwürste auf den Markt und die Diskussion ließ nicht lange auf sich warten. Ein paar Gedanken zu einem erstaunlichen Grabenkampf:
Als greenforce.food kürzlich seine neue vegane Weißwurst vorstellte und wir berichteten, ging es rund in unserer Kommentarspalte. Egal, ob da der Untergang der Liberalitas Bavariae herbeibeschworen oder das vegane Produkt wohlwollend verteidigt wurde - Eins steht fest: Es ging um die Wurst! Das eine Lager gönnte dem anderen nicht die Wurst auf dem Brot, die anderen ließen sich die Wurst von eben jenem nicht nehmen. Die Eskalation der Diskussion verwundert nicht, bedenkt man, dass hierzulande der heimische Krautsalat im Idealfall sogar mit Speckwürfeln verfeinert wird.
Interessant war die Diskussion, ob sich die Wurst als solche definiert, weil sie aus Fleisch oder weil sie eben wurstförmig ist. Mit zwei Enden, wie man so schön singt. Zitat eines Redebeitrags:
„Wo‘s i Ned versteh ist,das a vegetarische oder gar a vegane Wurscht gessn werd,entweder i iss a echte,oder i lass es einfach bleiben.wo Wurscht draufsteht soit a a Wurscht drin sei . Einfach nur grauslig.“ (sic)
Vegan und Wurscht - für viele Leute geht das nicht zusammen, obwohl sie ihr ganzes Leben das in sich von Grund auf pervertiert-paradoxe Konzept des „WurstSALATS“ einfach hingenommen haben. „Des hamma scho oiwei so g‘essn!“
Dabei ist es nun mal leider so wie Martina Schwarzmann singt: „Der Trend geht seit Jahren vom Presssack eher weg... in Richtung Tofu-Soya-Dreck.“
Wie man oben erahnen kann: Auch die Rechtschreibung war vielen Diskutierenden wurscht und sie schrieben im selben Satz Wurscht bzw. Wurst als Wurst bzw. Wurscht nur um kurz darauf Wurst bzw. Wurscht als Wurscht bzw. Wurst zu schreiben. Andere -eigentlich nur einer- schworen hämisch-verschwörerisch eine Verbindung von dem Produkt zur grünen Partei herbei. Sie sehen: Es war wahrlich eine fruchtbare Diskussion, von der alle Seiten profitierten.
Wo soll das noch enden?
Egal von welcher Seite Kritiker*innen ihre Bedenken äußerten, eins klang immer an: Die Angst, dass der Kern des Bayrischen -wie auch immer der aussehen mag- angetastet wird. „Die „woke“ Jugend mit ihrem veganen Zeug und ihrem Gender-Wahn macht unser weißblaues Paradies kaputt!“ Um diese Angst aus der Welt zu räumen, hier ein paar Grundpfeiler ur-bayrischer Lebenswelt, die sobald nicht eingerissen werden:
Vegane Wolpertinger? Was als cooler Bandname vielleicht funktionieren mag, seh ich so schnell nicht kommen. Der Bedarf an veganem Ersatz für einzelne Teile von Tieren, die zusammengebaut werden können, ist doch noch (?) zu klein. Bis auf weiteres ist das frohe Kadaver-Basteln also noch gerettet!
Trachten? Früher meist aus Hausschaf oder -ziege gefertigt, wird die Lederhos‘n als absolutes Must-Have zur Wiesn-Saison eher noch weniger vegan als sie es ohnehin schon nicht war: Schickimicki-Hardliner-Querulant*innen lassen sich als Zeichen ihrer Missachtung jedweder Ökosysteme in aufwändiger Kleinstarbeit Hosen aus Bienenleder fertigen. Wollschafe lassen sich die Mähne stehen und Seidenspinnerschmetterlinge sind bereits seit Wochen in Überstunden, um dem Dirndl-Bedarf der wohl anstehenden Wiesn gerecht zu werden. Auch hier bleibt also das meiste traditionell und urtümlich.
Knödel? In ihrer jedweder Beschreibung spottenden Perfektion sind Knödel über alle Kritik erhaben. Auch die radikalsten Veganer*innen wissen, dass ein Kartoffelknödel a bisserl Butter braucht, um die Semmelbrösel im Knödelkern gschmackig zu rösten. Ähnlich verhält es sich mit Milch und Ei im Semmelknödel. Wehmütig denken die Veganer*innen an die Zeit zurück, in der sie diese wohlgeformten Überschmankerl der bayrischen Küche noch genossen haben, aber ohne sie uns Nicht-Veganen ausreden zu wollen. So ausg‘schamt ist keiner. Ja, ich liebe Knödel und garantiere: Sie werden uns erhalten bleiben.
Bier? Enthält laut Reinheitsgebot nur Wasser, Malz, Hopfen und Hefe. Ist also... vegan?! Ja, ist es! Und somit perfekt dafür geeignet hier einen versöhnlichen Schluss zu finden. Vegan und nicht vegan lebende Menschen: Bestellt eine halbe oder a Mass, stoßt an, seid gesellig und singt gemeinsam! Das Leben ist zu kurz, um sinnlose Grabenkämpfe zu führen und sich über vegane Weißwürscht aufzuregen! Prost!
Aber wie schmecken sie denn nun, die veganen Weißwürscht? Weiß ich bislang nicht: Wie jeder vernünftige Mensch, esse ich erst wieder eine Weißwurst, wenn es eine gute Insektenmehl-Alternative gibt.
Franz Furtner