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Unsere musikalischen Empfehlungen für den Februar 2023

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Neue Alben von Yo La Tengo, Robert Forster, The Arcs, Iggy Pop, Dreiviertelblut, The Whiskey Foundation und The Notwist
Neue Alben von Yo La Tengo, Robert Forster, The Arcs, Iggy Pop, Dreiviertelblut, The Whiskey Foundation und The Notwist © Labels

Neue Alben von Yo La Tengo, Robert Forster, The Arcs, Iggy Pop, Dreiviertelblut, The Whiskey Foundation und The Notwist

Yo La Tengo -This Stupid World

Ja, was denn sonst: Blöde Welt. Einfach ein guter Titel, einer der nicht lange rumfaselt und obendrein auch noch stimmt. Kein Zweifel weit und breit, keine Frage, sondern eine Feststellung: „This stupid world – it’s killing me / This stupid world – is all we have.“ Basta! Und Ira Kaplan, Georgia Hubley und James McNew wollen all dem Irrsinn, der grassierenden Dummheit und dem fehlenden Bewusstsein vgl. Wurschtigkeit, etwas entgegensetzen. Etwas, das Sinn macht, so etwas wie Realismus: Warme Fuzz-Gitarren, fast zärtliche, stoisch vorwärts treibende Grooves und wie immer eigentlich, diese traumwandlerischen Melodien inmitten einer furiosen Mischung aus schwelgerischem Dreampop („Aselestine“, „Until It Happens“, „Apology Letter“) und Psychedelic-Krautrock (alle anderen). Zu guter Letzt dann doch noch so etwas ähnliches wie verhaltener Optimismus bei „Miles Away“, ein Song, der den Lauf der Zeit und die Vergänglichkeit des Lebens thematisiert und schließlich als etwas betrachtet, mit dem man umgehen (lernen) muss, anstatt daran zu verzweifeln.

Robert Forster - The Candle And The Flame

„She’s a fighter, fighting for good“ singt der ehemalige Go-Betweens-Mastermind gleich zu Beginn seines neuen Album. Er ist seiner Frau gewidmet, mit der er immer auch schon gemeinsam musizierte und mit der er seit gut und gerne 32 Jahren liiert ist. Der Grund ist ein trauriger: Eierstockkrebs. Doch Karin Bäumler ist eine Kämpferin und so begannen die beiden in der Zeit der Krankenhausaufenthalte, der Chemotherapie und der Ungewissheit, die Zeit kreativ zu nutzen. Und so entstanden viele der Songs bei intimen Familiensessions, denn auch Sohn Louis schaute immer wieder im elterlichen Haus in Brisbane vorbei, um sich zu beteiligen. Nicht umsonst spricht man Musik immer wieder heilende Wirkung zu und so erholte sich auch Karin Bäumler immer mehr und die Freude und Kraft, die sie aus dem gemeinsamen Musizieren zog, war unbezahlbar, und kurz nach Beendigung der Chemotherapie im März 2022 konnte sie die Aufnahmen dann zum Abschluss bringen. Aufnahmen, die es in sich haben und die, ganz ohne den tragischen Hintergrund, zu überzeugen wissen. Zumal dann, wenn man Robert Forster und seinem folkigen - in diesem Fall auf geradezu liebenswerte Art und Weise lebensbejahenden - Gitarrenpop seit Jahrzehnten gewogen ist. Tolle Platte. (31.3. Stadttheater Landsberg)

The Arcs - Electrophonic Chronic

Richard Swift ist tot. Lang lebe Richard Swift! Denn ja, „ Electrophonic Chronic“ ist das musikalische Vermächtnis des leider, mit 41 Jahren viel zu früh verstorbenen Genies. Sein Freund Dan Auerbach und dessen Produzenten-Intimus Leon Michels (Gründungsmitglied von Sharon Jones & The Dap-Kings und Lee Fields & The Expressions), setzen hier zusammen mit ihren langjährige Weggefährten Nick Movshon, der auch die Black Keys als Livemusiker unterstützte, und Schlagzeuger Homer Steinweiss ein wirklich hörenswertes Ausrufezeichen! Und ja, die meisten Aufnahmen wurden allesamt noch vor Swifts Ableben 2018 getätigt, was das Ganze dann noch etwas emotionaler macht. Gebraucht hätte diese ebenso anachronistische wie wehmütig unterhaltende Soul-Wundertüte mit formvollendet schönen Ausflügen in Richtung 60s-Space-Pop und Vintage-Garage einen emotionalen Booster freilich nicht. Aber sei’s wie’s is’: einfach nur wunderschön!

Iggy Pop - Every Loser

Oha, ja, geil. So klingen also 75-jährige Rockstars in 2023. So agil, so erfrischend, dass denn Jungen womöglich die Spucke wegbleibt. Aber gut, wir reden hier ja nicht von einem x-beliebigen Rockstar, sondern von niemandem geringeren als dem „Godfather Of Punk“. Von dem her, alles beim Alten, gewissermaßen. Iggy Pop sprüht, er bebt und kratzt und spuckt wieder, ganz so wie damals also vor 20, 30, 40, 50 Jahren. Iggy Pop ist wütend, was verständlich ist, und nach eigenen Worten angetreten um die „Scheiße aus uns rauszuprügeln.“ Geholfen haben dabei so Leute wie Bassist Duff McKagan (Guns N‘ Roses), die Trommler Chad Smith (Red Hot Chili Peppers), Travis Barker (Blink-182) und der kürzliche verstorbene Taylor Hawkins (Foo Fighters) sowie Ex-Chili-Peppers-Gitarrist Josh Klinghoffer. Des Weiteren ist neben Dave Navarro auch Eric Avery von Jane‘s Addiction mit dabei, die allesamt auch beim Songwriting behilflich waren. Produziert hat’s übrigens Andrew Watt, der schon mit Justin Bieber, Miley Cyrus und Pearl Jam gearbeitet hat.

HEIMSPIEL

Dreiviertelblut - Plié

Im Ballet meint „Plié“ eine Kniebeuge. Und im weitesten Sinne gebeugt klingt auch der Sound von Dreiviertelblut. Gebeugt von den oftmals schwer klingenden Moll-Akkorden. Denn die beiden Bandleader Gerd Baumann und Sebastian Horn durchstreifen mit ihren Songs die Höhen und Tiefen des Seins, fliegen von betörenden Glücksmomenten nahtlos in die dumperste Verzweiflung. Dem Dunkel folgt aber stets ein Lächeln. Und so geht das: Auf und ab, auf und ab… Und weil den beiden die Liebe zur Finsternis mindestens genauso in den Genen steckt wie der krude Humor aus dem Alpenvorland, zeigt sich „Plié“, wie im Übrigen auch die Vorgänger, zutiefst menschlich, mit großem Herz, in zeitloser Schönheit und mit berührender Poesie formuliert. Mit großem Abstand der ergreifendste Mundart-Volx-Pop aus Bayern.

The Whiskey Foundation - Leisure

Hörbar gereift zeigen sich die Münchner Blues-Helden The Whiskey Foundation. Zusammen mit Jesper Munk ritten sie vor gut und gerne auch schon wieder zehn Jahren die rockigen Bluenotes und füllten damit u.a. auch mal die Muffathalle. Es folgten Stadionkonzerte im Vorprogramm von AC/DC und eine gemeinsame Tournee als Support von Deep Purple durch Tschechien. Derweil wurde es hier etwas ruhiger, gut also, dass sie Mitte Dezember endlich ein neues Album an den Start brachten. Darauf eine erwachsene Mischung aus Blues und Funk mit einem Schuss Psychedelia und Rock. Hörenswert!

The Notwist - Vertigo Days - Live from Alien Research Center

Selten war sich, zumal in München, die Indie-Geschmackspolizei so einige wie bei Notwists, ja, sagenumwobenen Konzerten damals im Olympiastadion im Lockdown-Juli 2021 und ein Jahr später dann im Circus Krone. Die ansteckende Spielfreude wurde vor allem gelobt, aber auch die pure Energie. Die ehemalige Weilheimer, mittlerweile aber in München eingemeindete Band um das Kerntrio Cico Beck und die Acher-Brüder Markus und Micha nimmt, so viel ist bekannt, ihre Studiorecordings meist nur als Basis für ihre ausufernden Live-Performances. Das gilt besonders für die hier vorliegenden Psychedelic-Krautrock-Exkursionen, welche im „Alien Research Center“ mit Hilfe von musikalischen Gästen aufgenommen wurden. Darunter neben Tenniscoats-Sängerin Saya, Angel Bat Dawid, Ben LaMar Gay und Juana Molina auch die treue Maxi Pongratz-Gefährtin Theresa Loibl an Bassklarinette, Harmonium und Keyboards, der hier eine ebenso bemerkens- wie hörenswerte Schlüsselrolle zukommt.

Autor: Gerald Huber

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