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Neue Alben von The Mountain Goats, Hot Chip, Ran Nir, Sophia Blenda und Máni Orrason

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Neue Alben von Hot Chip, The Mountain Goats, Ran Nir, Sophia Blenda und Máni Orrason
Neue Alben von Hot Chip, The Mountain Goats, Ran Nir, Sophia Blenda und Máni Orrason © Labels

The Mountain Goats fast punkig, Culk-Sängerin Sophia Blenda’s sensationelles Solo-Debüt, Hot Chip sind inspiriert von den Beastie Boys und Ran Nir hat mindestens einen Mega-Hit

The Mountain Goats - Bleed Out

„I doing this for revange“ singt Mountain Goats-Vorsteher John Darnielle voller Inbrunst. Und auch wenn er dabei ein bisschen an den für seinen trockenen britischen Humor und seine feine Ironie bekannten Fischer-Z-Mastermind John Watts erinnert, er meint es sehr, sehr ernst damit. Darnielle hat so dermaßen die Schnauze voll und jetzt ist ihm auf „Bleed Out“ dann auch der Kragen geplatzt. Besser so, als wenn es ihn gleich selbst zerrissen hätte. Also macht er seinem Unmut Luft, kotzt sich aus und das auf wirklich hörenswerte Art und Weise. In winterlichen Pandemie-Tiefen verbrachte der Frontmann die Zeit zu Hause in North Carolina mit dem Anschauen von Actionfilmen und fand in diesen Kompensation. Lethargie, Wut, Enttäuschung, Berufsverbot, all das legte ihn lahm, bis er anfing sich Streifen wie den französischen Thriller „Mesrine“, alte italienische Poliziottescos oder das Donald Pleasence-Vehikel „The Freakmaker“ aus dem Jahr 1974 einzuverleiben. Anschließend kam seine Band zu ihm ins Heimstudio und innerhalb einer Woche - in denen die aus den Filmen gewonnenen Eindrücke musikalisch umgewandelt wurden - fühlten sich alle Beteiligten deutlich besser. Denn fertig war „Bleed Out“ und mit ihm jene, eingangs schon erwähnte, Leadsingle „Training Montage“, welche sich ziemlich unzweideutig die unabdingbaren, genretypischen Ready-for-Battle-Szenen aus Actionfilmen zur Brust nimmt. Der von Rachegelüsten getragene Song gilt als Blaupause für das gesamte Album, das mit großer Energie, Dringlichkeit und Verzweiflung vorgetragen ist. Kein Wunder also, das die Mountain Goats 2022 eher zum Punk als zum Folk neigen. Mir macht das Freude!

Hot Chip - Freakout/Release

Um besser zu verstehen, wie Hot Chip auf ihrem neuen Album ticken, hier ein kleines Zitat: „Music used to be escape, now I can’t escape it.“ Ja, jetzt wo Musik überall und jederzeit abruf- und verfügbar ist, könnte man schon mal genug davon bekommen. Die Zeile stammt aus dem Titelstück des neuen Hot Chip-Album und soll die Briten keineswegs als Kulturpessimisten erscheinen lassen. Aber, ein bisschen die verlorengegangene Wertigkeit von Musik beklagen, das wird man ja wohl noch dürfen. Und allzu lange halten sie sich dann auch gar nicht mit der Misanthropie auf, eher im Gegenteil, denn „Freakout/Release“ ist dem Titel entsprechend erfrischend anders. Unverschämt poppig und alles in allem saugut tanzbar - wenngleich textlich doch eher verhalten optimistisch - präsentieren Hot Chip einen kurzweiligen, elf Tracks umfassenden Dancepop-Reigen, der einem, bei aller Miesepetrigkeit, letzten Endes dann doch noch so manches Lächeln ins Gesicht zeichnet. Funk und Disco herrschen vor, aber auch 90s-House, Soul, Neo-R’n’B, HipHop, Gospel, Psy-Rock, New Wave und eben auch ihre Version des 3.0-Indiepop für Gegenwart und Zukunft. Die Initialzündung zu diesem Stil- und Sound-Feuerwerk lieferte Al Doyle zufolge der Beastie Boys-Song „Sabotage“, den Hot Chip seit geraumer Zeit auch live immer wieder mal in der Setlist haben: „Die Energie dieser Performances haben wir nun mit ins Studio genommen. Der Song steht für Kontrollverlust und diese Idee steckt auch in der Dance-Musik, wie wir sie mögen.“ Unglaublich toller Partysound für gehobene Ansprüche, wohlgemerkt…

Short Cuts

Ran Nir - Greener Pastures

Getreu seinem Motto „Sad music for happy people – happy music for sad people“ überrascht der in Berlin lebende Israeli Ran Nir mit einem bunten Strauß geschmeidiger Sommer-Pop-Melodien, die aber allesamt stets von anmutiger Melancholie konnotiert sind. 2006 war er es, der zusammen mit einem gewissen Asaf Avidan die Band The Mojos in Leben rief. Jetzt gehen beide bekanntermaßen getrennte Wege und beiden hört man dann und wann ganz gerne zu bei ihren musikalischen Exkursionen, so auch hier. Anspieltipp: „I Am With You“, weil: underrated Welthit!

Sophia Blenda - Die Neue Heiterkeit

Ich muss gestehen, dass es mir Sophia Blenda von Anbeginn ihrer Solo-Tätigkeit, nämlich gleich mit ihrer Debütsingle „Wie Laut Es War“, mehr als angetan hat. Normalerweise, so viel sei der Vollständigkeit halber noch erwähnt, singt sie nämlich seit Jahren unter ihrem bürgerlichen Namen Sophie Löw in der österreichischen Indie-Band Culk. Solo aber ist es diese ganz besondere, verzaubernde und durchweg sehr ungewöhnliche Art und Weise, wie die Wienerin mit der deutschen Sprache umzugehen weiß. Dies gilt sowohl für Wortwahl in ihren Texten, als auch für die Phrasierungen und die Intonation ihrer Stimme. Umwerfend auch diese unglaubliche Tiefe in ihren Songs, die einen schier überwältigt. Balbina hat endlich eine Geistesverwandte. Eines der besten deutschsprachigen Alben des Jahres.

Máni Orrason - The World Is Big And You Will Never Find Me

Kann sich noch jemand an die „Manic Street Parade“ erinnern? Das war mal eine super Idee, mit der die findigen Leute des Prost e.V. das Schlachhofviertel - in Anspielung an ein renommiertes Hamburger Festival - zur Münchner Reeperbahn umfunktionieren wollten. Ist schon ein paar Jahre her, niemals vergessen werde ich allerdings den großartigen Auftritt von Máni Orrason im Pigalle. Dieser legt jetzt ein neues Album vor, das mit großen Indiepop-Momenten nicht geizt und sich im Info auf „Bruce Springsteen, My Chemical Romance, Kanye West und The 1975“ beruft.

Autor: Gerald Huber

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