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Neue Alben von Funny van Dannen, Josh Rouse, Amanda Shires, Ben Shemie und King Princess

Erstellt:

Von: Andreas Platz

Neue Alben von Amanda Shires, Funny van Dannen, Josh Rouse, Ben Shemie und King Princess
Neue Alben von Amanda Shires, Funny van Dannen, Josh Rouse, Ben Shemie und King Princess © Labels

Funny van Dannen als Protestbarde, Feel-Good-Pop von Josh Rouse, Amanda Shires als Dolly Parton für die neue Generation und King Princess mit Popmusik zum Innehalten

Funny van Dannen - Kolossale Gegenwart

Die Frage aller Fragen stellt Funny van Dannen gleich im - dem Album seinen Titel gebenden - Opener: „Würde der Kapitalismus auch mit glücklichen Menschen funktionieren?“ Mal abgesehen davon, dass ein völlig entfesselter und von der Politik wissentlich befeuerter Neo-Kapitalismus ganz alleine dafür verantwortlich ist, dass außer den reichsten 10 % der Weltbevölkerung, etwa 90 % damit beschäftigt sind entweder gleich zu verhungern, sich in einem Schiffswrack aufs offene Meer hinaus zu wagen oder, wie im Falle der 1. Welt, die Menschen nur noch damit beschäftigt sind irgendwie ihren Status Quo zu erhalten, um dabei alles was wirklich wichtig ist, wie etwa Freunde, Familie und (Frei)Zeit zum Nachdenken, Genießen und Philosophieren, schlichtweg auf der Strecke bleibt? Denn eines ist klar: Man muss derzeit schon ganz schön schnell unterwegs sein, wenn man auf der selben sozialen Sprosse bleiben will. In diesem Sinne heißt die klare Antwort schlicht: Nein. Denn glückliche Menschen hätten freilich ganz andere Prioritäten, als Geld, mehr Geld und nochmals viel mehr Geld. Glückliche Menschen hätten Zeit sich um ihre Liebsten zu kümmern, Bedürftigen zu helfen und hätten sehr viel mehr Freude daran ihre Zeit in geselliger Gesellschaft zu verbringen, als diese - wie gegenwärtig - ständig nur zu spalten. Also, nochmal: Nein, mit glücklichen Menschen würde ein solch menschenverachtendes System keineswegs funktionieren, weil die Leute schlicht keine Verwendung dafür hätten. Wie dem auch sei, es geht ja bei Funny van Dannen auch immer ein bisschen um Musik und die ist traditionell immer sehr einfach gestrickt. Im Falle von „Kolossale Gegenwart“ schlägt er seine Akustik-Gitarre und bläst dazu in die Mundharmonika als wolle er Bob Dylan doch noch den Rang als allerbester Protest-Liedermacher der Welt streitig machen. Auch „Umsturz“ geht in Billy Bragg’scher Brit-Folk-Manier dem Titel entsprechend in eine politische Richtung: „Wir brechen die Macht der Finanzwelt, wir weisen Banken in die Schranken, wir besteuern vernünftig die Transaktionen und verdienen nicht mehr an den Kranken…“ Nein, van Dannen ist nicht mehr nur der geistreich-schelmische, überaus eloquente Wort-Jongleur und absurd-witzige, von Grund auf sympathische und charmante Geschichten-Erzähler-Hallodri früherer Zeiten, er hat - so zumindest meine Einschätzung - die Schnauze so gestrichen voll und es ist ihm bitter Ernst mit seiner kolossalen Gesellschaftskritik. Im Prinzip künden alle seine neuen Songs von dieser dysfunktionalen, völlig außer Rand und Band geratenen Gegenwart der Welt, die sich in eine noch beschissenere Zukunft zu drehen scheint… Kein Wunder also, dass Funnys deutsches Lieblingswort „Scheiße“ ist, denn merke: „Ohne Scheiße keine Menschen, oder so…“. (8.9. Lustspielhaus, Tickets)

Josh Rouse - Going Places

Nicht, dass es jemals recht laut gewesen/-worden wäre um Josh Rouse herum. Aber die letzten vier Jahre war’s dann - selbst für seine bescheidenen Ansprüche - schon erstaunlich ruhig. Ich bin Mega-Fan von Josh Rouse, spätestens seit seinem 2003er Album „1972“, das er seinem Geburtsjahr gewidmet hat. Findige Leserinnen und Leser merken sofort, hoppla, 72, 22, 50. Und yep, Rouse hat dieses Jahr die ominöse 50 überschritten und äußerte sich dazu wie folgt: “I remember seeing Tom Waits on the cover of a magazine with the headline TOM WAITS AT 50. I was in my twenties and that seemed so far off… but he made a great record („Mule Variations“) and I hope I have too.” Gehofft, getan, denn mit „Going Places“ liefert der ursprünglich aus Nebraska stammende, mittlerweile aber seit Jahren in Spanien lebende Gitarrist, Sänger und Komponist, ein weiteres wunderschönes Stück Feel-Good-Pop ab. Beim ersten Mal Hören fand ich „Going Places“ ein bisschen, nun ja, vielleicht naiv, beliebig und vielleicht sogar belanglos, weil doch die Zeiten ganz andere sind. Tags drauf aber beim 2., 3. und schließlich sogar 4. Mal hat es mich einfach nur noch mit Glück und Freude und Zuversicht erfüllt, den wunderschönen Melodien, den Easy-Beats, den fröhlichen Gitarren und all dem anderen Sunshine-Zeugs zu lauschen. Als Resümee bleibt am Ende nur zu attestieren, das Josh Rouse, equivalent zu einem sehr, sehr guten Freund, egal wie lange er von der Bildfläche verschwunden war, immer einer sein wird, dem ich blind vertraue, mit dem es auf Anhieb wieder so ist wie in den schönsten Momenten, und dem ich auf alle Fälle immer gerne und so oft wie möglich zuhöre. Seine Meisterwerke „Nashville“, „Country Mouse, City House“, „El Tourist“ oder das eingangs bereits erwähnte „1972“ haben Zuwachs bekommen, denn „Going Places“ fügt sich nahtlos in sein hörenswertes Oeuvre ein.

Short Cuts:

Amanda Shires - Take It Like A Man

Produzent Lawrence Rothman (Angel Olsen, Girl in Red, Courtney Love) war „einfach fasziniert“ als er Amanda Shires zum ersten Mal live sah und hörte, und weiter: „Ich dachte, sie sei die neue Dolly Parton; Dolly für eine neue Generation.“ Also ließ er sich nicht lange lumpen und produzierte Shires mittlerweile auch schon siebtes Album „Take It Like A Man“. Dieses beeindruckt mit seinen gelegentlich düsteren, immer aber emotional und mit rauem, herbem Charme vorgetragenen Country- und Folksongs, die mit schonungslos ehrlichen Texten das Leben einer beeindruckenden Künstlerin, Frau, Ehefrau (von Jason Isbell) und Mutter in einer turbulenten Zeit dokumentieren.

Ben Shemie - Desiderata

Nichts zum nebenbei Hören ist ganz bestimmt das neue Solo-Album von Suuns-Mastermind Ben Shemie. In zehn Tracks beschreibt der kanadische Electro-Krautrock-Tüftler (mit maßgeblicher Unterstützung des Molinari String Quartet) „die Geschichte einer wandernden Seele, die sich in ihrer eigenen dunklen Umlaufbahn verheddert und in einer Welt aus Sternenstaub und astralen Trugbildern nach einem Sinn sucht.“ Dazu Shemie: “It’s a soundtrack to a movie that doesn’t exist.” Schade eigentlich. Düster verstörender Psychedelic-Electro-Artrock aufgenommen im Studio von Godspeed You! Black Emperor, wo sonst?!

King Princess - Hold On Baby

Dass Bands wie The Strokes, Florence + The Machine und Red Hot Chili Peppers über jeden Zweifel erhaben sind, wenn es darum geht ihren Support für Tourneen auszusuchen, eh klar. Der in Brooklyn, NY, geborenen und aufgewachsenen Sängerin, Multiinstrumentalistin, Songwriterin und Produzentin King Princess, war mehrfach das Glück hold gewesen diesbezüglich und so verwundert es nun keineswegs, dass ihr Album „Hold On Baby“ ebenfalls über jeden Zweifel erhaben ist. Weiß man darüberhinaus, dass bei der Produktion (und als Gäste) des selbigen Herrschaften wie Ronson, Ethan Gruska (Paul McCartney, Weezer), Aaron Dessner & Bryce Dessner (The National), Dave Hamelin (The Stills), Shawn Everett (Alabama Shakes, The War On Drugs, The Killers), Tobias Jesso Jr. (Randy Newman, Pink, John Legend), Zach Fogarty, Amy Allen und Fousheé involviert waren, lohnt es sich doppelt hier einfach mal innezuhalten und zu genießen.

Autor: Gerald Huber

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