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KVR-Chefin Hanna Sammüller-Gradl: „Die Zeit ist so weit für echte liberale Stadtpolitik“

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Von: Andreas Platz

Münchner KVR-Chefin Hanna Sammüller-Gradl
Seit 01. Juli KVR-Chefin: Hanna Sammüller-Gradl © Kreisverwaltungsreferat München

Seit 1. Juli ist Hanna Sammüller-Gradl im Amt. Als erste Grüne an der Spitze des KVR. Mit ihr zieht frischer Wind ein – und hoffentlich mehr Lockerheit in der Stadt.

Frau Sammüller-Gradl, wo genau bewahren Sie im Büro eigentlich den Sheriffstern und die Cowboy-Stiefel auf?
(lacht) Die sind in der Faschingskiste meiner Kinder. Dort sind solche Dinge am allerbesten aufgehoben.

Sie wollen dem KVR als erste Chefin der Grünen ein neues Gepräge geben. Wie lange mussten Sie eigentlich durchlüften, bis die Testosteron-Wolken aus Peter-Gauweiler- oder Hans-Peter-Uhl-Zeiten verflogen waren?
Das mit dem Durchlüften haben schon meine Vorgänger wirklich gut gemacht. Wilfried Blume-Beyerle und Thomas Böhle haben ja in das gesamte Kreisverwaltungsreferat einen liberalen Wind reinwehen lassen. Dafür bin ich sehr dankbar. Weil ohne deren Vorarbeit wäre ich hier an dieser Stelle als Frau – als Grüne – wohl undenkbar.

Wie meinen sie das genau?
Ich bin eine Grüne, die hier ganz bewusst liberal politische Akzente setzt. Ich glaube, dass das KVR jetzt über die jüngsten Jahre hinweg als neutral wahrgenommen worden war, was gut ist – insbesondere mit Blick auf die Zeit vorher, die sehr konservativ geprägt war. Jetzt ist es so weit, dass mit mir echte liberale Stadtpolitik gemacht werden kann.

Was steht konkret für Sie an?
Sichtbare Akzentverschiebungen würde ich sicher als erstes im Bereich der Kommunikation sehen. Die Art, wie Menschen miteinander sprechen, hat sich ja völlig verändert – nicht nur durchs Internet, sondern noch stärker auch durch Social Media. Als Behörde wollen wir dieses Bedürfnis anerkennen und deswegen die Leute über solche Kanäle informieren. Diesen neuen Kommunikationsstil zu leben, wird sicher etwas sein, was mich von meinen Vorgängern unterscheidet.

Neben dem Kerngeschäft im Austausch mit den Bürgern gibt es allerdings ja nicht wenige in der Stadt, die das KVR früher gelegentlich als obersten Spielverderber wahrgenommen haben. Was können Sie tun, um von diesem Image wegzukommen?
Da verwende ich jetzt mal die schöne Juristenantwort: Es kommt drauf an! In manchen Bereichen sehe ich meine Rolle tatsächlich als Spielverderberin.

Inwiefern?
Die Rolle will natürlich niemand haben, ich habe sie mir eben jetzt mit meinem Amt eingehandelt. Ich werde die Rolle als Spielverderberin übernehmen, etwa wenn es um Sicherheitsbedenken bei Konzerten oder bei Großveranstaltungen auf der Theresienwiese oder sonst wo geht. Es ist meine Aufgabe, diese Bedenken auszusprechen. Aber was die Nutzung des öffentlichen Raums angeht, hat sich ein neuer Stil ergeben, der sicher nicht nur mit meiner Person zu tun hat, sondern mit einer neuen Generation und einem modernen Verwaltungsdenken, das sich stark von dem unterscheidet, was etwa noch vor zehn Jahren Gang und Gäbe war. Ich denke nur an die Umwidmung von Parkplätzen, auf denen teilweise Terrassen zur Begegnung etabliert wurden. Oder eben die Einrichtung von Schanigärten.

Tatsächlich ist das Stadtbild bunter geworden.
Dahinter steckt die Überlegung, dass Straßenraum öffentlicher Raum ist. Und der ist für alle zugänglich und eben nicht nur für einzelne Autos. Öffentliche Plätze müssen für die Menschen da sein. Dieses Denken werde ich mit Sicherheit im KVR stärken. In der Wahrnehmung von Vielen hat öffentlicher Raum ja bislang zunächst einmal mit Straßen und Transportwegen zu tun. Das stimmt aber ja nicht ganz.

Stattdessen?
Die Idee von öffentlichem Raum ist doch seit jeher, dass es einen Ort geben muss, um sich zu treffen, sich auszutauschen und warum nicht auch zu tanzen, gemeinsam ein Glas zu trinken und dort den Tag Revue passieren zu lassen. Öffentlicher Raum ist nicht nur dazu da, um zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Auto von A nach B zu kommen. Es geht darum, auf der Straße, auf den Plätzen Menschen zu begegnen. Dass öffentlicher Raum an so vielen Orten der Stadt jetzt so gelebt wird, wozu er eigentlich auch mal geschaffen worden war, begrüße ich sehr!

Hätte es denn die Schanigärten oder die zuletzt gelegentlich überraschend unkonventionelle Freigabe von Flächen, die zuvor tabu waren, auch ohne Corona gegeben?
Mit Sicherheit nicht. Corona wirkte in ganz vielen Bereichen wie ein Brennglas. Das neue Denken, was den Umgang mit dem öffentlichen Raum anging, waberte zwar zuvor schon durch die Stadtgesellschaft und war in bestimmten Gruppen bereits gut beheimatet. Ab er dann kam Corona. Und plötzlich zeigt sich, dass das Bedürfnis, auch neue Flächen zu nutzen und Veranstaltungen anders durchzuführen, immer größer geworden war. Und plötzlich konnte vieles auch ganz schnell umgesetzt werden.

Nicht wenige fürchten allerdings, dass sich die zwischenzeitliche Liberalität auch wieder ändern könnte.
Das glaube ich nicht. Schanigärten, die Parkplatz- und die Stadtteil-Terrassen, aber auch Veranstaltungen, die zuletzt draußen stattfinden konnten, hatten die Möglichkeit, sich zu beweisen. Und sie haben gezeigt, dass so etwas funktioniert und dass es gut ankommt. Mit welcher Begründung sollte man das Rad jetzt wieder rückwärts drehen?

Es herrscht ja leider oft das „Nicht vor meiner Haustür“-Prinzip. Wie kann man da für ein besseres, faireres Miteinander werben?
Mir fällt diese Haltung leider auch ganz oft auf. Ich denke, wir haben in München eine tolle Einrichtung, die genau für diese Kommunikation da ist. Das ist die Stelle AKIM – Allparteiliches Konfliktmanagement, die beim Sozialreferat sitzt.

Und der Nacht-Bürgermeister?
Auch Kay Mayer von der Fachstelle MONA für „Moderation der Nacht“ kann helfen. Er ist an diesen Vermittlungs- und Kommunikationsaufgaben federführend beteiligt. AKIM ist eine tolle Institution. Sie kann aber nur nicht überall und bei jedem Schanigarten präsent sein. Die Mitarbeiter von AKIM sind ja zum Beispiel viel am Gärtnerplatz unterwegs. Ich glaube aber auch, dass bei all diesen Fragen auch die Zeit eine große Rolle spielt.

Wie genau?
Im ersten Moment haben viele Anwohnerinnen und Anwohner oft furchtbare Sorgen, wenn in ihrer Nähe etwas aufgebaut wird. Aber wenn so eine Einrichtung dann meist doch mal zwei oder drei Monate geöffnet hat, merken sie plötzlich, dass kein Lärm bis hinten ans Schlafzimmer dringt. Ich will die berechtigten Anfangsängste gar nicht kleinreden. Aber wenn der Schanigarten dann doch erfolgreich im Betrieb ist, merkt man dann eben doch, dass es ja nur am Wochenende ein wenig länger laut ist. Und an diesen Tagen sind auch die Anwohnerinnen und Anwohner selbst gerne bis 23 Uhr draußen. Letztlich ist vieles dann doch gar kein so großes Problem.

Was sind weitere nächste Ziele, die Sie sich mittelfristig gesetzt haben?
Wie gesagt: Die Kommunikation ist mir wichtig. Ich würde mit vielen Angelegenheiten gern transparenter umgehen. Dabei möchte ich auch erklären, warum manche Sachen eben auch nicht gehen. Ich bin nämlich davon überzeugt, dass die Bürgerinnen und Bürger sehr mündig sind und verantwortungsvoll mit Behördeninformationen umgehen. Wenn man ihnen vieles konkret erklärt, können sie Entscheidungen nachvollziehen und vielleicht eben bei einigen Aspekten selbst Verbesserung anbieten.

Allein im KVR-Gebäude hat sich ja zuletzt viel verändert – zum Positiven. Was muss sich aber noch rasch verbessern: Wann kann man sich einen fertigen Personalausweis per Post zuzuschicken lassen?
Man kann den Bürgerinnen und Bürgern erklären, warum das nicht so einfach ist – und warum es bislang praktisch nicht geht. Der Ausweis kommt eben von der Bundesdruckerei. Und sie muss sicherstellen, dass der Erhalt der Ausweisdokumente an der Stelle, von wo der Antrag kam, auch wieder abgezeichnet wird. Die Bundesdruckerei verschickt nur an eine Behörde. Den Ausweis dann durch uns einfach per Post weiterzuschicken, würde ein großes sicherheitsrechtliches Risiko darstellen. Weil dieses Dokument ebenso einen enormen Wert hat – etwa, wenn es in die falschen Hände geriete oder unerlaubt weitergegeben werden würde.

Einen Automaten zum Abholen an der Tür?
Das prüfen wir gerade und schauen uns an, wie das bereits in anderen Städten läuft.

Klasse.
Vieles ist aber eben leider nicht ganz so einfach zu organisieren, wie man sich wünschen würde. Aber ich glaube, dass man genau das den Bürgerinnen und Bürgern gut erklären kann. Wir müssen viel direkter mit den Leuten kommunizieren – warum nicht über Social Media und zwar in allen Sprachen, die für unsere Stadt relevant sind? So läuft das eben heute. Es ist eben nicht mehr vorauszusetzen, dass die Münchnerinnen und Münchner morgens eine Stunde lang ihre Zeitung aufschlagen und genau auswerten, was sich alles schon wieder in der Stadt geändert hat und was für sie wichtig ist.

Letzte Frage: Sie waren vor Ihrem Wechsel an die KVR-Spitze zuletzt ja beruflich in Freising. Was sind denn Ihre neuen Lieblingsorte in der Stadt?
Ich komme aus München, habe auch immer in München gewohnt. Mein Lieblingsort ist die Alte Utting – auch weil sie für mich jetzt so praktisch liegt. Ich mache im KVR zwar meist relativ spät Feierabend, kann mich da aber noch mit Freundinnen und Freunden treffen.

Interview: Rupert Sommer

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