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Für eine neue Debattenkultur!

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Gediegenes Debattieren vor gediegener Kulisse: Im Debattierclub München
Gediegenes Debattieren vor gediegener Kulisse: Im Debattierclub München © Debattierclub München

Viel wird diskutiert. Meist unproduktiv. Was tun? Ein paar Gedanken und Tipps zu Diskursen aus München und der Welt.

Aktuell wird viel diskutiert. Zum einen, weil die Zeiten es hergeben, zum anderen, weil die Menschen in den sozialen Medien aufeinander losgelassen werden. Die Algorithmen von Twitter, Facebook & Co. funktionieren so, dass sie Aufruhr in den Kommentarspalten durch mehr Beitrags-Reichweite belohnen, was wiederum zu mehr Entrüstung führt, was wieder die Reichweite erhöht etc. Eine Feedbackschleife, die die Menschen in einen Zustand der permanenten Entrüstung versetzt, wodurch Diskussionskultur über kurz oder lang völlig abhandenkommt.

Die Diskussionsthemen: Der Krieg in der Ukraine und die Rolle des „Westens“ darin. Vegane Weißwürscht – Voll ok für die, die es mögen oder eine Zumutung aus der Hölle, die die bajuwarische Kultur endgültig vernichten wird? Das gleiche nochmal mit alkoholfreiem Bier. Die Fußball-WM in Katar und die Fifa. Sollten Bars die Spiele der deutschen Elf zeigen? Schreibt man Katar oder Qatar? Katarrh oder Corona? Corona oder Augustiner? Ist es kulturelle Aneignung, wenn die Inge Ismaier aus Ismaning ihr Indien-Interesse zum Image intensivieren will, fortan im Sari mit Punkt auf der Stirn rumläuft und sich Amritanandamayi Ismaier nennt? Ist Roger Waters, aufgrund seines Engagements für die Kampagne BDS und seiner Äußerungen zum Ukraine-Krieg ein antisemitischer Putin-Versteher, der in der städtischen Olympiahalle nix verloren hat? Ist Kollegah ein überhypter, homophober, misogyner Antisemitentrottel, der pubertäre und/oder verschwörerische Reime über Beats legt, die nach RTL2-Reality-Show-Jingles klingen? Zumindest das lässt sich einfach bejahen.

Beim Rest handelt es sich um Debatten mit extrem unterschiedlicher Brisanz, die in den Kommentarspalten aber mit gleicher Intensität und viel behauptetem Wissen ausgetragen werden. Es scheint also so als würde unsere Diskussionskultur tatsächlich (zum Teil auch) an veganen Weißwürsten zerbrechen. Höchste Zeit, innezuhalten, durchzuatmen und zu überlegen, wie man die Lage verbessern kann. Zum einen: Durch Information. Viele argumentieren aus einem Gefühl des Unbehagens heraus, ohne ihre Argumentationslinie mit Fakten untermauern zu können.

Um sich für die kommenden Katar-Diskussionen zu rüsten, sei ein Besuch der Veranstaltung „Fußball. Ja. Ausbeutung. Nein.“ mit der Amnesty-International-Expertin Katja Müller-Fahlbusch und dem Fotografen Mohamed Bedarne am 18.11. im Einsteinkultur empfohlen. Aber auch im Diskutieren selbst kann man sich üben. Am letzten Montag im Monat (28.11.) findet im Eine-Welt-Haus das Attac-Palaver statt, bei dem man mit Experten und Expertinnen über aktuelle Themen diskutieren kann.
Aus dem studentischen Kontext sei der Debattierclub München genannt. Hier kann jeder mitmachen oder zugucken. Zu Beginn werden Teams und Seiten zugeteilt, d.h. die Teilnehmenden wählen nicht selbst, wofür oder wogegen sie argumentieren. Nun hat jedes Team 15 Minuten Zeit, um sich auf die Debatte zu einem vorgegebenen Thema vorzubereiten. Diskussionskultur in Reinform. Die Treffen finden jeden Mittwoch um 19:00 Uhr in der Leopoldstr. 11 statt. Erste Schritte auf dem Weg zu einer neuen Debattenkultur!

Franz Furtner

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