Ein Großteil derjenigen, die ganz am Anfang im Feierwerk aktiv waren oder vielmehr damals den Verein gegründet hatten, befand sich ja wie ich in ihrer Uni-Zeit. Wir hatten uns im Fach Pädagogik gefunden. Also genauer gesagt: beim damaligen Magister-Studiengang Erziehungswissenschaft. Spaßeshalber – auch wenn der Spaß ja immer ein Stück Ernst in sich trägt - hatten wir damals zu uns selber gesagt: Wir studieren fürs Arbeitsamt.
So abgeklärt?
Die Berufsaussichten waren halt eigentlich alles andere als rosig. Zufällig kam damals dann ein Auftrag vom Jugendamt ins Spiel. Schon seinerzeit war die Situation so, wie sie heute leider auch noch ist, dass es viel zu wenig Auftrittsorte für junge Bands gab. Im Jugendkulturwerk hat man das gesehen. Der Anstoß kam also aus einer Institution, die schon früh nach dem Krieg gegründet wurde, die sich um Kultur für die jungen Münchnerinnen und Münchner kümmerte. Dort entstand der Wunsch, etwas zu machen und einiges zu verändern. Zwei von uns hatten dann sogar schon 1982, also noch ein Jahr vor der Feierwerk-Gründung, erste Veranstaltungen auf die Beine gestellt – im damaligen Rock-Zelt.
Vom Studentenjob zum Geschäftsführer: ERNST WOLFSWINKLER hatte einst Pädagogik, BWL und Organisationspsychologie studiert – und schon immer Freude an der Kultur, am Nachtleben und am Aufschließen von Freiräumen. Zusammen mit der gesamten Feierwerk-Familie feiert man nun im großen Stil das 40-Jahre-Jubiläum – darunter vom 16. bis 18. Juni das Kinder-, Jugend- und Familienprogramm an allen Standorten. Am 16. und 17. Juni steigt ein 40-Jahre-Festival mit Konzerten und Partys in der Hansastraße. Schon ab Anfang Mail erscheint ein großes Jubiläumsmagazin, das überall in der Stadt kostenfrei zur Mitnahme ausliegt. Alles im Blick: 40jahre.feierwerk.de
Und wie kamen Sie und die Mitstreiter auf die Vereinsidee?
Es wurde dann doch so eine große Maßnahme, dass wir einen organisatorischen Hintergrund brauchten. In einer der Ideenfindungsrunden, für die wir damals immer in großer Runde zusammensaßen, kam dann auch irgendwann der Name „Feierwerk“ auf. Die ersten Jahre haben wir dann einfach so gearbeitet. Der nächste größere Auftrag, der dann nochmal von der Stadt München kam, hatte mit dem Internationalen Jahr der Jugend zu tun. Da ging es 1985 darum, einen zentralen Veranstaltungsort auszubauen und zu betreiben. Und das fand direkt gegenüber vom heutigen Feierwerk-Hauptgelände statt.
In den früheren Moll-Hallen, oder?
Genau. Plötzlich standen uns in einer der Hallen knapp 10.000 Quadratmeter Fläche zur Verfügung, wo wir rund ein halbes Jahr lang alles Mögliche veranstalten konnten. Viele Konzerte natürlich. Rasch gelang es uns damals, uns zu professionalisieren. Wir brauchten nämlich viel Unterstützung. Zu dieser Zeit kam dann auch das Programm „Zweiter Arbeitsmarkt“ auf. Da waren wir von Anfang an mit dabei.
Was hieß das konkret?
Wir konnten erstmalig ABM-Stellen beantragen. Zunächst beim Arbeitsamt und letztlich auch bei der Stadt für die Kofinanzierung. Unsere Anträge gingen durch. Wir bekamen fünf Stellen bewilligt. Die hatten wir dann zwar erst nach dem Jahr der Jugend gekriegt. Aber trotzdem nahm Vieles konkretere Gestalt an. Dadurch, dass wir direkt auf dem Gelände gegenüber waren, konnten wir die Räume hier auf der anderen Seite der Hansastraße in Augenschein nehmen. Und schnell bemühten wir uns darum, hier einen Fuß in die Tür zu kriegen. Was dann letztendlich auch geklappt hat. 1985 im Herbst fand auf dem heutigen Feierwerkgelände unser erstes Live-Konzert statt. Damals sah zwar alles noch ganz anderes aus als heute – überhaupt nicht veranstaltungs-affin. Aber egal: Bühne rein, Technik rein – und los ging’s!
Daran hat sich wohl wenig geändert: Kultur braucht einen Ort, an dem sie stattfinden kann.
Na klar. Deswegen waren und sind wir ja auch so stolz auf das Feierwerk-Gelände – und die Außenstationen und Jugendfreizeiteinrichtungen, die über die Jahre hinzukamen. Unser erster Arbeitsplatz war ein ehemaliger Stadtbus. Mit ihm führten wir Projekte und Veranstaltungen durch. Ging auch. Dann zogen wir mit einem Büro vorübergehend in die damaligen Ritterwerke. Also an den Ort, wo jetzt die Pasinger Fabrik ist. Anschließend waren wir in der Moll-Halle – mit einem Bauwagen als Büro. Und seit dem Herbst 1985 sitzen wir hier. Viel besser!
Wie viele von den früheren Studenten hinter all den Projekten haben denn dann eigentlich überhaupt noch fertig studiert: Ab wann wurde das Feierwerk für Sie zu einem Beruf?
Fertig abgeschlossen haben fast auf alle. Wir waren lange ein harter Kern von sechs Mitstreiterinnen und Mitstreitern, der sich nach und nach auf ein Anfangsgründungsteam von vier Personen ausdünnte. Aber die Konstellation hat dann sicher rund 20 Jahre so gehalten. Wir haben uns sicher hier selbst professionalisiert. Und wir sind dann natürlich auch schon während meiner Studienzeit zum Arbeitgeber geworden.
Lebenswege - vielleicht nicht gerade vom Tellerwäscher zum Millionär.
Nicht ganz. Aber es ist schon was entstanden über die Jahre hinweg.
Wie stolz macht Sie das?
Was ich am besten finde: Wenn ich über die vier Jahrzehnte zurückblicke, macht alles einfach Sinn. Es ist wichtig, so etwas zu tun - junge Leute darin zu unterstützen, ihr Ding zu entdecken und es auch weiter verfolgen zu können. Und das kann viele Felder umfassen. Etwa, dass Kinder an Malerei oder an kreatives Werken herangeführt werden. Oder dass sie medienpädagogisch bei uns im Radio mitarbeiten können. Oder dass wir jungen Bands dabei helfen, ein Stück weit erste Schritte auf ihrem Weg zu gehen. Mit einer guten Unterstützung und Förderung lassen sich so manche Umwege abkürzen. So was macht Sinn – und Spaß. Ich finde, es ist eine sehr sinnvolle Aufgabe, die Stadt für junge Bewohnerinnen und Bewohner lebenswerter zu machen.
Wenn ich über die vier Jahrzehnte zurückblicke, macht alles einfach Sinn. Es ist wichtig, so etwas zu tun - junge Leute darin zu unterstützen, ihr Ding zu entdecken und es auch weiter verfolgen zu können.“
Wie viele Bands melden sich denn immer mal wieder bei Ihnen zurück?
Es kommt schon vor, dass wir mit Bands sprechen, die einst noch völlig an ihren Anfängen auf einer der Feierwerk-Bühne standen. Und mittlerweile ist aus ihnen was Größeres geworden. Oder dass sie daran erinnern, wie sie einst bei uns am Sprungbrett-Wettbewerb teilgenommen hatten. Egal ob sie damals gewonnen haben oder nicht: Wir verbinden damit ein umfassendes Förderprogramm, mit dem wir alle, die sich darauf eingelassen haben, gut unterstützen konnten.
Vielleicht ein bisschen ein Künstler-Mythos: Was ist denn dran an den angeblich so gemütlichen Band-Übernachtungsräumen im ersten Stock an der Hansastraße?
Sicher sind diese erweiterten Backstage-Räume und Übernachtungsplätze nicht überall selbstverständlich. Ob sie im Vergleich wirklich so schön sind, kann ich nicht beurteilen. Es ist aber sicher eine gute Sache, wenn man als Band am Abend nach einem Konzert nicht noch mal raus vor die Tür muss. Oder vielleicht sogar schon wieder ein paar Kilometer durch die Stadt kurvt, bis man ins Hotel kommt. Wir sind mit unseren Bands in einer Preisklasse unterwegs, dass wir die Künstlerinnen und Künstler nicht gerade in einer echten Luxusherberge einbuchen können. Der Standard, den wir bei der Übernachtung bieten können - in Verbindung mit den kurzen Wegen und der Tatsache, dass man hier vielleicht auch noch einen Getränkekühlschrank vorfindet -, ist aber schon eine tolle Sache!
Kommt man dann auch als Geschäftsführer noch einmal vorbei und setzt sich auf einen Teller Nudeln zu den Tour-Bands?
In dieser Szene bin ich mittlerweile nicht mehr so drin. Aber das machen sicher unsere jüngeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Veranstaltungen organisieren und die Bands buchen. Oft stehen sie mit den Künstlerinnen und Künstlern ja schon ganz lange in engem Kontakt. Sicher können sie auch nicht an jedem Abend und bei jedem Konzert vor Ort sein. Weil dann doch das Privatleben vermutlich ein wenig zu kurz käme und die Leidenschaft für unseren Beruf vielleicht nicht unbedingt beziehungsfreundlich wäre.
Wie sieht das bei Ihnen aus?
Wenn ich an die ersten zehn oder 20 Jahre zurückdenke, waren alle von uns, die damals in der Gründungsphase aktiv waren, auch an den Abenden vor Ort. Und dann haben wir natürlich auch mitgearbeitet, weil es gar nicht anders ging. Beim Feierwerk war immer schon ein großer Schwung Ehrenamtlichkeit im Spiel. Eine echte Lebenswelt eben.
Bis hin zu Paaren, die sich gefunden haben?
Es gibt einige, die Feierwerk-Familien gegründet haben – egal ob sie sich unter den Mitarbeitenden oder im Publikum auf unseren Veranstaltungen kennen und lieben gelernt haben. Aber das ist ja keine echte Besonderheit, sondern gehört zu uns und zum Nachtleben allgemein dazu. So ein Job ist natürlich ein wesentlicher Teil des Lebens.
Wie schafft man es, wenn man Kultur ermöglicht und in der Jugendarbeit tätig wird, nicht älter zu werden? Also immer genau am Puls der Zeit zu bleiben und zu spüren, was für die Zielgruppen spannend ist?
(lacht) Na ja, ich bin ja jetzt doch schon relativ alt geworden. Auch im und mit dem Feierwerk.
Ein Job, der jung hält also.
Nun gut. Aus dem Personenkreis der ersten Stunde sind ja auch schon Kolleginnen und Kollegen in Rente gegangen. Über die Jahre und Jahrzehnte hinweg hat sich natürlich unser jeweils persönliches Aufgabengebiet verändert. Das bringt ständig neue Herausforderungen mit sich. Und das ist auch gut so, weil es den Job spannend hält und abwechslungsreich macht. Aber wir aus der ursprünglich ersten Reihe sind mittlerweile oft natürlich ein wenig weg von der Zielgruppe und mehr ins Back Office gewechselt. Einfach auch, weil es da viel zu regeln gibt. Wir sind mittlerweile ein Arbeitgeber mit rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das bringt einen großen Verwaltungsaufwand und viel Verantwortung mit sich. Wir stehen sicher nicht mehr bei Veranstaltungen an der Front. Bei Interesse kommen wir hierher - als Besucherinnen und Besucher.
Es muss sich also nicht jeder altgediente Mitarbeitende das jeweils aktualisierte Handbuch Jugendsprache ausleihen und durcharbeiten?
Ich glaube, das wäre auch gar nicht nötig. Wenn man mit jungen Leuten zusammenarbeitet - und das tun wir alle -, bekommt man ohnehin mit, was wichtig ist und wie darüber gesprochen wird. Freilich macht es Sinn, den jungen Menschen, die bei uns im Radio ein Volontariat oder in den Einrichtungen ein Praktikum machen, gut zuzuhören – aber auch den Musik-, Medien- oder Sozialpädagoginnen und -pädagogen. Ich lerne da immer dazu. Trotzdem: Was will ich den Leuten erzählen was jetzt bei 14- oder 15-Jährigen angesagt ist? Ein Großteil meines Jobs liegt darin, die guten Drähte in die Stadt, in die Verwaltung und zu den Stadtratsfraktionen zu pflegen und mich mit anderen Organisationen zu besprechen. Die Kontakte mit unseren Zielgruppen und meinen jungen Mitarbeitenden hält uns und unser Programm ganz von selbst jung.
Man muss auch jedem Modetrend nachlaufen. Früher von Schaumpartys oder heute von anderen stark kommerzialisierten Events war nie zu lesen im Feierwerk.
Wir sind im Feierwerk im Kern eine Veranstaltungsstätte, die sich bei Konzerten und Partys darauf konzentriert, kulturelle Angebote zu schaffen. Dafür bekommen wir Zuschüsse von der Stadt München, und für die sind wir auch sehr dankbar. Sie ermöglichen es uns, Kultur zu veranstalten, die oft auch ein bisschen abseitig ist. Wir müssen nicht dem Mainstream hinterherlaufen. Wir definieren unseren Auftrag so, dass wir ein abwechslungsreiches, spannendes Programm für junge Münchnerinnen und Münchner veranstalten. Das bedeutet in aller Regel nicht unbedingt das zu machen, wo alle hinrennen – etwa zu den großen Stars in der Olympiahalle. Wir machen eher das, was sonst woanders keinen Platz findet.
Interview: Rupert Sommer