Das ist der wichtigste Punkt. Dieses Ziel war tatsächlich die Motivation für Alexander Franck, meinen Mitgründer bei Biddz, und mich, unser eigenes Unternehmen auf den Weg zu bringen. Wir hatten über unsere vier Jahre bei Amazon Music hinweg mit so vielen Künstlern gesprochen, die eigentlich immer mit den gleichen Problemen zu uns kamen. Nämlich, dass es gerade in der Streaming-Welt teilweise recht problematisch ist, sich zu monetarisieren. Also genug Geld für die eigenen Songs einzunehmen. Als dann zuletzt in Corona-Zeiten auch noch die Live-Auftritte weggefallen waren, wurde die Lage für sie umso schwieriger.
So richtig entspannt hat sich die Lage für Konzerte, Auftritte, aber auch für Veranstalter natürlich immer noch nicht.
Stimmt. Wir konnten die Schwierigkeiten der Branche auch schon bei Amazon Music hautnah mitverfolgen. Wir kennen natürlich aber auch die Ökonomie der Musikbranche. Dass so wenig Geld bei den Künstlern landet, liegt aus meiner Sicht oft nicht an den Streaming-Plattformen, sondern eher an den zwischengeschalteten Stellen, wo dann doch relativ viel von dem Umsatz weggeht, der eigentlich generiert wird.
Wen meinen Sie konkret?
Ich spreche dabei von den Labels. Vor allem von den großen Labels. Es gibt ein massives Verteilungsproblem in der Branche. Daher gab es für uns den Anlass zu fragen: Wie könnte man denn eine Plattform schaffen, auf der Musiker mehr von dem Geld haben, das generiert wird? Und vor allem sollen mehr Musiker direkten Zugang haben zu dem, was wir „Funding“ nennen. So war der Gedanke geboren. Plus: Ganz wichtig ist uns bei Biddz die Möglichkeit, Musik zu promoten.
Geht das heutzutage für viele Künstler nicht ohnehin leichter?
Ja, aber auch hier ist der Platz und die Aufmerksamkeitsspanne vergleichsweise begrenzt – auf den Social-Media- oder den Streaming-Plattformen. Es gibt aber keine andere Möglichkeit, Musik gemeinsam mit den Fans eben bekannt zu machen und gleichzeitig zu monetarisieren.
Die landläufige Meinung ist ja: Bei Streaming verdienen nur die gut, die ohnehin schon groß und bekannt sind.
Das ist zumindest nicht unwahr. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass Streaming-Plattformen auch Marktplattformen sind, die sich finanzieren müssen. Es ist ein System, das sich selbst erhalten muss. Das Problem ist, dass man eine Währung hat, nach der sich alles bemisst. Es wird auf den großen Plattformen eben basierend auf dem Stream abgerechnet. So kann es kommen, dass diejenigen, die tatsächlich schon groß sind, auch anteilig die Umsätze mit abbekommen von den Superfans der Kleineren.
Merkwürdig.
Das ist aber die Mechanik der Plattformen. Zusätzlich kommen noch die Playlisten dazu. Wir sehen das so, dass dort der Haken liegt: in der Verteilung des Geldes. An diesem Punkt wollen wir bei Biddz ansetzen.
Wie genau?
Ich gebe mal ein Beispiel: Seda, eine Künstlerin aus München, hat aktuell das erste Mal über Biddz einen Vorschuss erhalten – von ihren Fans. Es ist auch kein großer Reichtum. Aber es ist genug Geld, um die nächste Platte zu finanzieren. So muss man nicht irgendwelche Ersparnisse daransetzen. So hoffen wir, dass wir über unsere Plattform-Technologie Künstlern zusätzliche Möglichkeiten zu monetarisieren eröffnen. Etwa dadurch, dass ein Künstler bei uns zusätzlich Merch verkaufen kann oder dass man Zugang zu Live-Events herstellt. Wir wollen das Ganze einfach aus der Sichtweite der Fans und der Künstler sehen und so technologische Lösungen aufsetzen.
Sie verstehen sich doch nicht als typische Crowdfunding-Plattform, von denen es ja schon die eine oder andere gibt?
Nein. Es gibt zwar Parallelen zum Crowdfunding. Es ist aber eher ein gemeinsamer Support und ein Vorfinanzieren von Kunst.
Oder soll aus Biddz eine weitere Streaming-Plattform werden?
Wir wollen nicht der 30. Anbieter auf dem umkämpften Musik-Streaming-Markt werden. Aber wir wollen auf jeden Fall ein Ort sein, an dem man Musik entdecken kann.
Wenn man eine Künstlerin oder einen Künstler aus München nimmt: Die gehen doch dann nicht bei Ihnen unter Vertrag, wie man früher als Künstler einen Deal mit einem Plattenlabel abgeschlossen hat, damit sie dann bei den anderen Plattformen weiterhelfen, oder?
Ein guter Punkt und eine gute Frage, bei dem wir bislang auch das meiste Feedback aus der Künstlerszene bekommen haben. Die Philosophie von Biddz ist, dass man der Künstlerin oder dem Künstler die volle Kontrolle gibt. Das heißt: Sie oder er kann selber definieren, wann und wie viele Tracks oder auch wie viele Anteile sie auf Biddz veräußern. Das ist der zentrale Unterschied: Bei einem Label muss man sich langfristig binden und muss in der Regel viele Anteile am möglichen Erlös abgeben. Bei uns haben die Künstler die Flexibilität und können die Faktoren des Geschäftlichen selber konfigurieren.
Was heißt aber eigentlich: „Anteil abgeben“. Meinen Sie damit die Frage nach dem Schlüssel, mit dem Geld, das eingenommen wird, auch tatsächlich verteilt wird?
Ich mach’s einfach mal plastisch. Wenn zum Beispiel Seda einen Track über Biddz anbieten möchte, dann kann sie festlegen, wie viel Prozent des zukünftigen Umsatzes dieses Tracks sie an ihre Fans veräußern möchte. Das waren in ihrem Fall das letzte Mal 50 Prozent gewesen. Es können aber auch 20 oder 70 Prozent sein – je nachdem. Wenn sie sich so entschieden hat, gehen dann 50 Prozent des Umsatzes, der etwa über Spotify oder Amazon Music generiert wird, an die Fans. Die anderen 50 Prozent gehen an Seda. Diesen Kreislauf haben wir geschlossen. Wir verteilen dann zum einen diese Art „Vorschuss“, der Seda gewährt wurde, an sie. Aber auch die Umsätze, die von den Streaming-Providern generiert werden.
Soll nicht flapsig klingen: Aber ein bisschen klingt das ja fast wie Pferdewetten, wo man auf die Platzierung oder ähnliche Erwartungen Geld setzt, oder nicht? Nach der Logik müsste man ja nicht unbedingt sein Geld auf den persönlichen Lieblingskünstler setzen, in der Hoffnung dass es ihm dann gut geht und man mit ihm verdient. So könnte man doch auch vielleicht besser auf jemanden setzen, der wirtschaftlich vielversprechender ist – unabhängig von den eigenen Vorlieben?
Das ist sicherlich auch möglich. Nur den Begriff „Wetten“ würde ich in diesem Zusammenhang nicht sehen. Es gibt sicherlich zwei Motivationen für Fans, auf Biddz mitzumachen. Das Eine ist natürlich, um zu investieren. Das Andere ist aber das Unterstützen. Beides kann man nicht klar voneinander trennen. Aber es gibt ja heute schon Plattformen, über die kann man Geld an Künstler spenden – etwa nur dafür, dass man mal ein Bild oder eine andere Form von Anerkennung zugeschickt bekommt. Wir schließen den Kreis und geben dann noch die zusätzliche Chance dazu, dass ich später an einem potenziellen Erfolg dieser Künstler beteiligt werde.
Das schafft ja auch eine engere Verbindung.
Wir ermutigen die Fans, noch lauter und öfter über diese Künstler zu sprechen – und auch in den sozialen Medien Wirbel zu machen. Oder Tickets von diesen Künstlern zu kaufen oder T-Shirts von ihnen zu tragen. Es sollte ja letztlich nicht der Stream sein, der zählt. Sondern die Bekanntheit! Und die setzt sich dann ja wieder im Gehört- und Gekauft-Werden um.
Was Sie machen ist ja ein Thema, das sich der jüngeren Zielgruppe vermutlich schnell erschließt. Anderen muss man das ein wenig ausführlicher erklären. Welche Art von Künstlern sprechen Sie denn dann an oder welche Künstler passen gut zu Ihnen? Es werden doch schon die sein, die mit dem Iphone auf dem Nachtkästchen oder sogar gleich unter dem Kopfkissen schlafen?
(lacht) Wer schläft denn heutzutage nicht auf die Art? Natürlich ist es eine digitale Zielgruppe. Aber diese Gruppe ist mittlerweile weitaus größer als nur die Unter-25-Jährigen. Wir bekommen viel persönliches Feedback von Künstlern und Fans. Es geht nicht nur um die Kids. Es sind Leute aller Altersklassen, die sich wirklich für Musik interessieren. Die finden unser Angebot oft sehr spannend und wollen es oft einfach mal ausprobieren.
Und bei den Künstlern? Dass man nicht als Straßenmusiker entdeckt wird und dann stellt sich der Erfolg von selbst ein, sondern dass man für sich selbst trommeln und Aufmerksamkeit in den sozialen Medien schaffen muss, dürfte sich ja rumgesprochen haben.
Absolut. Die Grundannahme ist, dass man für diese Kanäle bedienen muss. Erfolg ohne Social-Media-Engagement ist heutzutage eher die Ausnahme als die Regel. In dieser Hinsicht hat sich die Musikwelt sicher gewandelt. Es geht tatsächlich um Reichweite und die Frage, wie und wo ich meine Fans anspreche. Da sind Instagram, Tik Tok & Co. natürlich sehr wichtig. Aber eben nicht ausschließlich. Meine persönliche Überzeugung ist: Es geht um Zusammenspiel. Und das versuchen wir auch auf der Plattform darzustellen. Wichtig ist das Ineinandergreifen von physischer und digitaler Welt. Da muss man sich doch nur mal die erfolgreichsten Künstler der vergangenen fünf Jahre ansehen: Das waren sicher nicht alles Künstler, die fast ausschließlich digital stattfanden. Ganz im Gegenteil.
Interview: Rupert Sommer
Alle Infos zur Biddz-App und welche Künstler man dort schon supporten kann, erhält man hier: biddz.io