Vielen Dank, ich freue mich sehr über diese tolle Chance als Bookerin neuen Wind in die Münchner Clubkultur zu bringen! Ich bin schon seit 2016 im Münchner Nachtleben als Gast aktiv, lege seit 2019 als DJ auf und war während der Pandemie sehr regelmäßig zu den DJ Livestreams im Harry Klein zu Gast. Ich verbrachte also relativ viel Zeit dort und als es zum Weltfrauentag 2021 die Gelegenheit gab, beim Booking für einen Livestream mitzuhelfen, hatte ich mich freiwillig gemeldet. Ich fand die Vorstellung total spannend, nicht nur als DJ die einzelnen Tracks auszusuchen, die ich spielen kann, sondern sogar die Künstler*innen in den Club einzuladen, von denen ich selbst begeistert bin. Kurze Zeit später kam die Anfrage von Peter Fleming, dem Geschäftsführer von Harry Klein, ob ich den Marry Klein Monat musikalisch kuratieren möchte. 2021 gab es noch Livestreams und es musste eine Auswahl an bekannten und lokalen FLINTA*, also Frauen, Lesben, Inter, Non-Binary, Trans, A-gender*, DJs getroffen werden, die einen Monat lang im Harry Klein im Livestream spielen sollten. Ich hatte großen Spaß, Kontakt zu den DJs aus München aufzunehmen, diese zu betreuen und das musikalische Programm für einen Monat mitzugestalten.
Wie ging es weiter?
Als dieses Jahr eine erneute Anfrage für den Marry Klein Monat im Harry Klein hereinpurzelte und ich dieses Mal echte Clubnächte organisieren durfte, wusste ich sofort, dass ich das gerne machen möchte! Ich lernte mehr über Bookinganfragen, Kommunikation zu Bookingagenturen, wie man Kalkulationen durchführt und erstellte ein vielseitiges Lineup mit über 90 Acts. Weil das Ganze so toll lief, wurde ich gefragt, ob ich weiter machen möchte.
Hattest Du das Gefühl, es ist schwieriger diese Position zu erreichen, weil es bisher hier als eine Männerdomäne galt?
Es kommt sehr stark auf die eigenen Interessen, Fähigkeiten und den beruflichen Hintergrund an. Eine Prise Glück ist natürlich auch dabei und man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Personen, die gerne als Booker*innen arbeiten, müssen sich im Clubleben wohlfühlen, aber auch Menschenkenntnis besitzen. Sie müssen bereit sein, an den Wochenenden nachts zu arbeiten, wenn sie z.B. Artistcare machen und die Künstler*innen vom Hotel abholen. Das wichtigste ist natürlich das Wissen über aktuelle Trends in der elektronischen Musikwelt, welche Artists sind gerade gefragt, welche Musikrichtung wird gesucht usw. Ich denke, viele Frauen sind einfach noch nicht auf die Idee gekommen, Bookingaufgaben zu übernehmen. Es gibt mittlerweile mehr und mehr FLINTA* DJs, jetzt wird es an der Zeit, dass es in den anderen Bereichen im Club mehr Gleichgewicht gibt. Das heißt, dass mehr Frauen in der Geschäftsführung, beim Booking oder als Technik-Verantwortliche arbeiten.
Was hast Du vorher so alles gemacht
?Seit Juli habe ich meinen alten Job in einer großen Media-Agentur gekündigt und jetzt arbeite ich nur zwischenzeitlich als Bookerin, bis das Harry Klein leider wieder schließen muss. Außerdem bin ich selbstständig als DJ tätig und werde ab Herbst noch eine Teilzeitstelle in der Medienbranche antreten. Ich bin ein Mensch mit sehr viel Energie, wie man sehen kann (lacht).
Wie sieht Dein beruflicher Tagesablauf aus?
Ich starte meinen Tag, wie die meisten Berufstätigen, um 8 bis 9 Uhr und beantworte Mails und recherchiere nach spannenden Acts und neuen Bookingideen für das Programm, bin unter anderem im Austausch mit den Kollektiven, die regelmäßig Veranstaltungen im Harry Klein hosten. Aktuell brauche ich für viele Aufgaben noch etwas länger, weil ich noch frisch dabei bin, aber ich merke selbst, dass sich vieles immer schneller erledigen lässt und ich eine Routine bekomme. Der Unterschied zu einem 9 to 5 Job ist aber, dass ich selbst bestimmen kann, ob ich etwa spät abends oder zwischendrin arbeiten möchte. Natürlich spreche ich viel mit meinen Kollegen aus dem Harry Klein, um über die Verfügbarkeiten von Technikequipment oder über eine wichtige Kalkulation für einen bekannten DJ Act zu sprechen. Es gibt also auch viel Teamwork, was ich super finde.
Nach welchen Kriterien sucht Du die Line-Ups aus
?Ganz wichtig ist uns, dass wir ein gendergerechtes Booking haben. Wir arbeiten schon länger eine 50/50 Quote und das funktioniert super! Das Lineup ist so divers wie schon lange nicht mehr und seit dem Marry Klein Monat im Juni achten wir auch zusätzlich verstärkt darauf, BIPoC und queere Künstler*innen einzuladen. Unsere Gesellschaft ist bunt, und das soll das Lineup widerspiegeln. Ich suche nach innovativen, sympathischen Acts, die etwas Besonderes an sich haben. Keine großen Weltstars, sondern talentierte Persönlichkeiten aus ganz Europa sind gefragt! Es gibt so viele spannende, junge, aufstrebende Künstler*innen. Und natürlich wäre der Club nichts ohne seine Residents und lokalen DJs! Ich persönlich finde, dass wir in München eine tolle Vielfalt an fantastischen DJ*s und Kollektiven haben.
Hilft es Dir, dass Du selbst Artist bist?
Es hilft mir sehr! Wenn ich nach neuen Tracks für meine DJ Playlisten suche, stoße ich immer wieder auf interessante Labels oder Artists, deren Musik ich super finde. Ich lese Online-Musikmagazine, klicke mich gerne durch soziale Netzwerke, um Inspirationen von anderen DJs zu erhalten und gehe selbst auf Festivals und Veranstaltungen, um mich musikalisch inspirieren zu lassen. Es ist meine Leidenschaft!
Wie diffizil ist es, für ein gendergerechtes und diverses Booking, ein Booking, das aus 50/50 weiblichen und männlichen Artists und einer möglichst großen Diversität besteht – so die Maxime vom Harry Klein Club – zu sorgen?
Eigentlich ist das überhaupt nicht schwer, ich verstehe nicht, wenn sich vor allem cis-männliche Booker darüber beschweren, dass sie keine weiblichen DJs finden. Allein in München haben wir unglaublich viele aufstrebende Künstlerinnen aus allen Bereichen der elektronischen Musik! Es bedarf also noch etwas an Zeit, sich durch die Instagram und SoundCloud Profile durchzuklicken. Und auch deutschlandweit gibt es im Vergleich zu den letzten 10-20 Jahren deutlich mehr FLINTA* DJs.
Aus der neusten FACTS-Studie, die vom feministischen Netzwerk female:pressure dieses Jahr veröffentlicht wurde, geht hervor, dass der Anteil sämtlicher als weiblich kategorisierter Acts seit der letzten Datenerhebung 2020 im Jahr 2021 von 25,5% auf 28,0% anstieg. Der non-binäre Anteil stieg von 1,0% auf 1,6%, der queere Anteil blieb mit 9,1% im Vergleich zum Vorjahr gleich. Insgesamt ist der Gender-Gap immer noch groß: Der Anteil aller männlichen Acts liegt bei 57,9%. Es gibt also noch viel zu tun!
Betreust Du die Künstler*innen, die Du gebucht hast, auch am Clubabend selbst und tauschst Du Dich mit ihnen aus?
Das kommt drauf an, ob ich an dem Abend dabei bin. Sobald zum Beispiel ein Kollektiv einen Abend im Harry Klein hostet, gibt es eine*n Ansprechpartner*in, die sich um die Betreuung der jeweiligen Mainacts kümmert. Bin ich selbst bei einer Veranstaltung als DJ gebucht, begleite ich die Künstler*innen sehr gerne vom Hotel zum Artist Dinner oder hole sie später am Abend vom Hotel ab. Bisher hatte ich nur positive Erfahrungen mit den Acts, es kommen meistens inspirierende Gespräche zustande und man fühlt sich wie „eine beste Freundin für eine Nacht“, damit sich die Person für diesen einen Abend möglichst wohl fühlt. Schließlich reisen die meisten Künstler*innen ganz alleine an.
Wie gehst Du mit der Tatsache um, dass Dein neuer Job befristet ist, weil das Harry Klein schließen muss?
Da ich nicht hauptberuflich als Bookerin arbeite, kann ich damit gut leben und ich sehe es als einmalige Chance, in einen neuen Beruf reinzuschnuppern, der mir viele neue Möglichkeiten eröffnen kann. Und vielleicht ergibt sich ja doch noch etwas? Man weiß nie!
Wann legst Du wieder im Harry Klein auf?
Ich lege am Samstag, den 16. Juli pünktlich zum CSD auf! Kommt also unbedingt gleich am Anfang um 22 Uhr vorbei und sagt mir doch Hallo. Das Lineup ist großartig, wir haben mit „Wax Wings“ und „Liza Ries“ zwei queere Techno Acts aus London und aus Georgien eingeladen.
Interview: Birgit Ackermann