Zuerst ist es ein dumpfes Rumpeln. Ein unheimlicher Ruck, der durchs ganze Boot geht. Dann noch ein Stoß, der Schlimmstes befürchten lässt. Eine Untiefe, ein Kollision mit einem im Meer treibenden Baum oder einem über Bord gegangenen Frachtcontainer? Spätestens, wenn plötzlich die markante Rückenflosse auftaucht oder Schnauben und Prusten zu hören ist, besteht Anlass für Alarm. Orcas, die mit ihren Schwarz-Weiß-Zeichnungen wie die putzigen Pandas der Weltmeere wirken könnten, tragen den KillerwalNamen nicht ohne Grund. Der maritime Weltenbummler Thomas Käsbohrer aus Iffeldorf lässt sich nicht so schnell schrecken. Er geht den Dingen auf den Grund. Viele im Rückblick eher trostlose Jahre hatte er einst als Verleger am Schreibtisch verbracht, bis er seine „Levje“ kaufte und seitdem glücklich und zum Glück mitteilungsfreudig die Ozeane befährt. „Die vergessenen Inseln“ war ein Abenteuerbuch und Kultur-Report, der sich lange auf dem Mittelmeer tummelte. Jetzt ist Käsbohrer vor allem vor der iberischen Halbinsel unterwegs, wo sich seit Sommer 2000 Bizarres wiederholt: Immer wieder werden Segelyachten, die auf der sogenannten „Orca Alley“ unterwegs sind, von Killerwal-Banden attackiert. Meist wirken die Angriffe wie ein Spiel. Fast immer zerstören die Tiere gezielt das Ruder. Und das zuvor stolze Boot treibt hilflos auf den Wellen. Doch warum nur? Was treibt die Orcas an: Verteidigen sie ihren vom Menschen bedrohten und verschmutzen Lebensraum, verfolgen sie einen Racheplan oder stachelt sie brutaler Übermut an? Käsbohrers Buch liest sich wie ein Krimi. Und selbst wer noch nie ein Boot betreten hat, schippert begeistert mit. Zum Schwärmen. Take that, Frank Schätzing!
Rupert Sommer
Asta Nielsen. War 29, als sie 1910 in ihrer ersten Filmrolle zum Weltstar avancierte. „Hedda Gabler“, „Hamlet“, „Fräulein Julie“, „Erdgeist“, „Kameliendame“ … bis Anfang der 1930er war sie im Kino und auf der Bühne präsent – und viel zu selbstbewusst, viel zu links, um sich je mit den Nazis einzulassen. Auf Konventionen gab sie nichts. Fast schon berüchtigt: Ihre Lebensfreude. Viele Sommer verbrachte sie in ihrem Ferienhaus auf Hiddensee, wo die Freunde, Künstler und Bohemiens wie Joachim Ringelnatz, Heinrich George, Paul Wegener oft und gern zu Gast waren. Im Paradies versammelt die besten ihrer Geschichten. Die spielen in München, Berlin, Kopenhagen, auf Hiddensee … da geht’s um einen köstlich schrägen Ausflug mit der Bahn ins Brandenburgische, eine herrlich exzentrisch aus dem Ruder laufende Geburtstagsparty in Schwabing, Christbaumschmücken mit ahnungslos unbedarften Italienern, Narreteien von Ringelnatz ... Erschienen ist der kleine, feine Band in der „Reihe der Lieblingsbücher“, hinreißend illustriert, liebevollst ausgestattet von der hoch berühmten Illustratorin Kat Menschik und mit einem zugeneigten Nachwort von Hiddensee-Impresario Karl Huck, der sich aufs Beschwören guter Geister versteht.
Hermann Barth
All die waffennärrischen NATO-Lakaien ignorieren gerne, dass deren Key Player USA die globale No. 1 ist bei Ausbeutung, Umweltzerstörung, Krieg und Rassismus. Selbst die Nazis holten sich dort Rat, als sie die Nürnberger Rassengesetze planten. Wie posh Rassismus in den ach so tollwestwertigen USA immer noch ist, zeigen nicht nur regelmäßige Streetstyle-Exekutionen von Schwarzen durch weiße Cops. Nirgendwo sonst darben so viele Leute im Knast, die meisten davon Afroamerikaner. Darunter politische Gefangene wie Mumia Abu-Jamal (seit 1981!), ein Journalist und Black-Panther-Aktivist. Der Prozess gegen Mumia erinnert an die Schauprozesse der Nazi-Justiz: Rechtsstaat vorgaukeln – dabei den Angeklagten zombifizieren und demütigen. Richter zum Staatsanwalt (backstage): „Ich werde ihnen helfen, den Nigger auf den elektrischen Stuhl zu bringen.“ Umso bewundernswerter die Coolness und Leidenschaft, mit der Mumia sich weiter für eine faire Gesellschaft engagiert. Das Buch versammelt über 50 Kurztexte des Autors, die besten davon zur Gefängnisindustrie der USA, dazu ein Interview mit ihm und eine Rekonstruktion des Falls durch Übersetzer Michael Schiffmann. Journalismus, der den Namen verdient!
Jonny Rieder