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Lesungen im Januar: Erotik für die Ohren

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Erforscht Identitätsfragen: Kim de l‘Horizon
Erforscht Identitätsfragen: Kim de l‘Horizon © Anna Morgenstern

Wortmagie bewirkt Wunder: Von diesen Texten, Künstlern und Bucherlebnissen sollte man sich verführen lassen.

Was für ein Aufbruchsmotto, mitten im Energiekrisenwinter: „Follow the Sun“. Das war der Lockruf, dem Helmut Zierl folgte - mit 16 Jahren und noch weit davon entfernt, einer der bekannteren TV-Schauspieler im Lande zu werden. Er schulterte einen Armeesack und stellte sich an die Autobahn – Richtung Süden. Erst hatte ihn die Schule rausgeschmissen, dann der Vater. Mit 200 Mark in der Tasche brach er auf. Der Rest ist Legende. (Theater im Römerhof Garching, 10.1. und Kleines Theater Haar, 15.1.)

Etel Adnan, die Dichterin, Philosophin und Malerin, der das Lenbachhaus eine große Ausstellung widmet, besaß die Gabe, auch Schreckliches zu verdichten und in Kunst zu überführen. Die Star-Schauspielerin Corinna Harfouch rezitiert nun Adnans Gedichtzyklus „Arabische Apokalypse“, der sich mit dem libanesischen Bürgerkrieg befasst. (Lenbachhaus, 11.1.)

Ähnlich zart, klangvoll und dann auch wieder wuchtig sind die Gedichte von Gert Heidenreich: „Das Meer. Atlantischer Gesang“ heißt sein Langgedicht über eine Landschaft, in die er sich verliebt hat: die Alabasterküste in der Normandie. (Lyrik Kabinett, 11.1.)

Nicht alles ist große Poesie. Aber aufgeschrieben wird fast alles. David Müller liebt den Blick auf die Details und aufs Skurrile – auf Gebrauchseinweisungen, Goethe-Verse, Selbst-Gedichtetes oder einfach nur auf harmonisch komponierte Einkaufszettel. Lesen für Bier gibt den Fundstücken eine Bühne. Wer am besten vorträgt, erhält Gerstensaft. (Vereinsheim, 11.1.)

Ein Mann, ein Monument: Klaus Maria Brandauer feiert sein 60-jähriges Bühnenjubiläum – und das natürlich mit einer großen literarischen Reise. Für „Fast ein Hamlet mein Mephisto, ein Ödipus für Jedermann“ zaubert er die stärksten Monologe noch einmal auf die Bühne. Nicht verpassen! (Isarphilharmonie, 13.1.)

Es ertönt eine Durchsage: „Die beiden Verlorenen – Heimat und Kindheit – möchten bitte aus der Vergangenheit abgeholt werden.“ Das trifft genau den Ton, den Irina Malsam in „Blutkirschen aus Schnee“ anschlägt. Hört hin: eine Lyrikerin, die in Kasachstan aufwuchs – als Deutsche. (Münchner Literatur Büro, Milchstraße 4, 13.1.)

Susan Sontag, die leider bereits 2004 in New York verstorbene Vorzeige-Intellektuelle, Menschenrechtsaktivistin und natürlich starke Schriftstellerin, wäre am 16. Januar 90 Jahre alt geworden. Anna-Lisa Dieter verneigt sich nun noch einmal vor ihr – gerade weil Sontag, die „ungemütliche Ikone“, so die promovierte Romanistin Dieter, bis heute hochaktuell ist. Mit anderen Worten: Man könnte sie als strenge Hausmeisterin im Trump-Tollhaus USA noch gut brauchen. (Literaturhaus, 17.1.)

Wenn ein Leben eine völlig andere Richtung bekommt: Julia Schoch erzählt in ihrem Roman „Das Vorkommnis“ von einer verstörenden Begegnung. Eine Frau trifft eine ihr Unbekannte, die einfach mal behauptete, dass beide denselben Vater hätten. Dann verschwindet sie wieder. Zurück bleiben unruhige Gedanken. Virtuos erzählt, geheimnisvoll grusel-echt. (Forum Fürstenfeld, 18.1.)

Schon wieder die Chance verpasst, über die Feiertage endlich den Großroman zu lesen? Kein Problem: Es gibt ja die augenzwinkernd humorvolle Kurzzusammenfassung Don Quichote, der Rosinante und die Frauen. Antje Hobucher, Josef Mittermayer und ein steppendes Pferd rollen den Inhalt der Jahrtausendschwarte noch einmal ganz privat auf – aus der Sicht der prägenden Frauenfiguren. (Giesinger Bahnhof, 20./21.1.)

Seit über 25 Jahren kennt man Roland Jankowsky als den leicht angeschrägten Kommissar Overbeck aus der „Wilsberg“-Krimireihe. Nun schneit es den „Dirty Harry von Münster“ mit einer Lesetour nach München. Er trägt teilweise bizarr komische Short Stories vor, in denen Killer über die Tücken ihres nicht sozialversicherungspflichtigen Berufstand lamentieren. Kultverdacht! (Schlachthof, 22.1.)

Als erste non-binäre Schreibperson hat Kim de L’Horizon bekanntlich gleich für den Debütroman „Blutbuch“ den Deutschen Buchpreis erhalten und die Bekanntgabe für eine Haare-ab-Solidarisierung mit den mutigen Frauen im Iran genutzt. Nun soll es um den Text gehen: Eine autobiografisch eingefärbte, nicht-lineare Erzählung, die sich – keine Spoiler-Warnung notwendig - um Herkunft, Geschlecht und Identität dreht. (Literaturhaus, 23.1.)

Für den Deutschen Buchpreis nominiert war der Roman „Lügen über meine Mutter“. Daniela Dröscher erzählt darin vom Aufwachsen in einer Familie, in der ein Thema dominierte: das Körpergewicht. Fokus auf ein Schlachtfeld, in dem Gewalt nicht nur subtil ausgeübt wird. (Literaturhaus, 24.1.)

Auf so ein Thema muss man erstmal kommen: Der Schauspieler Steffen Schroeder erzählt in „Planck oder Als das Licht seine Leichtigkeit verlor“ von der Freundschaft zwischen Max Planck und Albert Einstein. Physikkenntnisse nicht unbedingt erforderlich. (Volkstheater, 26.1.)

Mit „Altes Land“ und „Mittagsstunde“ wurde sie zur Bestseller-Autorin: Nun stellt Dörte Hansen ihren dritten Roman vor. Es geht: „Zur See“. Erzählt wird von einer Familie, die seit Generationen auf einer Nordsee-Insel lebt – und vom ausweichlichen Druck der Veränderungen. (Literaturhaus, 28.1.)

Und dann wären da noch die Eheleute Franziska Walser und Edgar Selge. Sie hauchen den weltberühmten Duineser Elegien von Rainer Maria Rilke neues Leben ein. (Künstlerhaus, 28.1.)

Rupert Sommer

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