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Kolumnist, Moderator und Autor Achim Bogdahn: „Giesinger Berg - der wichtigste von allen“

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Von: Andreas Platz

Achim Bogdahn
Liebt die Löwen und besitzt eine Schwarze Mamba: Achim Bogdahn © Rupert Sommer

Der langjährige IN-Sportkolumnist, BR-Radiomoderator und treue Löwen-Fan Achim Bogdahn hat sein erstes (Berg-)Buch geschrieben. Trotz mauer Alpinismus-Begeisterung.

Herr Bogdahn, lieber Achim, wie kommt man denn auf so ein durchaus spannendes, aber eben auch aufwändiges Projekt, nach und nach die 16 höchsten Erhebungen der Bundesländer abzuklappern und dann nicht nur hochzusteigen, sondern aus den „Berg“-Erlebnissen auch noch deutlich mehr zu machen?
Los ging für mich alles mit einem Rentner aus Sachsen-Anhalt: Benno Schmidt, den sie auch „Brocken Benno“ nennen.

Was hat’s mit ihm auf sich?
Über ihn hatte ich eine kleine Meldung in der Süddeutschen Zeitung gelesen. Er ist ein Rentner, der zu dem Zeitpunkt mit damals 84 Jahren seine 8000ste Brocken-Besteigung gemacht hatte.

Wirklich 8000 mal oben auf dem Berg?
Ich hab mir auch gedacht: Das gibt’s doch gar nicht! Was muss das für ein Wahnsinniger sein? Eigentlich ging’s dann zunächst mal um den Plan, dass ich für die BR-Bergsteigerredaktion mit dem Brocken Benno zusammen auf seinen Lieblingsberg wandern würde. Doch dann habe ich mir überlegt, ob es denn nicht auch noch spannende Geschichten zu den anderen höchsten Bergen der Bundesländer geben könnte. Na klar: Man kennt die Zugspitze. Aber was ist eigentlich mit den Bergen in Hamburg, in Bremen oder in Schleswig-Holstein?

Klingt nach sehr spezieller Sammelleidenschaft.
Es gibt Berge, von denen ich zuvor noch nie in meinem Leben gehört hatte. Und schon stand der Plan: Da will ich rauf!

Bei einigen Länder-Gipfeln dürfte es ja Lokalstolz und eigene Geschichten geben. Aber wissen denn etwa die Bremer oder Hamburger überhaupt von ihren höchsten Erhebungen?
Oft tatsächlich nicht. In Bremen bin ich zum Beispiel mit dem ehemaligen Bürgermeister Henning Scherf von der SPD hochgestiegen. Er ist in Bremen geboren, über 80 und liebt seine Stadt. Aber auch für ihn war unsere Tour eine Erstbesteigung. Er wusste gar, nicht dass es die Erhebung im Friedehorst Park gibt - mit 32,5 Metern.

Aber da hat er sich dann hochgeschleppt?
So ist es. Ich hab ihm quasi seinen Horizont erweitert. Und er wiederum hat den Gipfel erhöht. Immerhin ist Henning Scherf 2,04 Meter groß. Aufgerechnet zu den 32,5 Metern bewirkte Scherfs Anwesenheit einen erheblichen prozentualen Unterschied in der Außenwirkung des Berges.

Aber noch mal zurück auf den Brocken, den Hauptgipfel von Sachsen-Anhalt. Wie schwer war es denn, diesen rüstigen Benno ausfindig zu machen und was treibt ihn eigentlich zu seinen mehr als 8000 Gipfeltouren an?
Das läuft natürlich schon seit einiger Zeit so. Allerdings: Er hat eigentlich erst nach dem Mauerfall anfangen können. Als in Berlin die Grenzanlagen fielen, gab es am Brocken noch für einige Zeit eine eigene Mauer. Oben befand sich eine gut geschützte Abhöranlage der Russen auf dem Gipfel. Diese Mauer fiel dann erst im Dezember 1989. Vorher hatte Benno den Brocken immer nur aus der Ferne gesehen. Es war und ist sein Sehnsuchtsberg. Als er dann endlich hochsteigen durfte, bekam er nicht genug davon. Zwischenzeitlich hatte er sich dann auch in einen Wettbewerb mit einem Typ verhakelt, der sich den „Brocken Kaiser“ nannte. Den wollte „Brocken Benno“ unbedingt bezwingen.

Eh klar.
Also stieg Benno dann teilweise dreimal am Tag hoch – oft sogar nachts mit Grubenlampe. Ein echt skurriler Wettkampf, von dem er mir dann auch bei unserer gemeinsamen Besteigung erzählte. Ich hatte gedacht, dass es zu jedem höchsten Berg im Land einen solchen Verrückten, einen Extrembergsteiger gibt, der 8000 mal hochsteigt oder mehr!

Eine Art Berg-Hausmeister pro Bundesland?
Genau. Allerdings gab es solche anderen „Bennos“ dann gar nicht. Deswegen bin ich dazu übergegangen, mir bekannte Persönlichkeiten und Prominente aus den jeweiligen Bundesländern zu suchen, die mich als als Bergpartner beim Wandern begleiten.

Alleine zu wandern war keine Option?
Das hätte mich zutiefst deprimiert. Ich liebe Kommunikation, ich liebe das Gespräch. Die Vorstellung autistisch auf irgendwelche Hundehügel in Mecklenburg-Vorpommern zu steigen, hätte mich fertig gemacht. Aber ich habe ja dann zum Glück für jeden Berg tolle Menschen gefunden.

Ohne die alpinistische Leistung zu schmälern: Auf einigen der Gipfel scheint es ja auch möglich zu sein, ein gutes Gespräch zu führen – ohne beim Wandern aus der Puste zu kommen. Inwieweit hat sich bei dir dann aber doch der alpine Ehrgeiz eines Voralpen-Bewohners innerlich zu Wort gemeldet?
Ich habe wie alle Münchner Kindl, die üblichen Routen durchgemacht – Herzogstand, Heimgarten, Brecherspitze, Blomberg, Jochberg bis hin zum Hochries. Ich glaube, ich habe die gesamte übliche Auswahl der bayerischen Voralpenberge bestiegen – als Kind. Und immer unter Protest.

Ach so?
Früh aufstehen am Samstag: Fand ich immer schon ganz schlimm! Insofern bin ich kein Alpinist. Aber die Berge, die ich für das Buch ausgesucht hatte, waren ja alle gut besteigbar – sei es der Bungsberg mit 167 Metern in Schleswig-Holstein oder mit 116 Metern der Hasselbrack in Hamburg. Absolut machbare Projekte! Mich hat ohnehin eher das Skurrile angetrieben.

„Ich habe ja zum Glück die gute Schule des „In München“ durchlaufen – und weiß durch jahrelanges Schreiben der Sport-Kolumne, wie man Dinge (hoffentlich) pointiert zu Papier bringt.“ 

Achim Bogdahn

Auch wenn die alpinistische Vorbereitung vielleicht nicht das Entscheidende war. Die Besteigungen erforderten ja teilweise vermutlich viel Vorplanung, etwa bei der Kontaktanbahnung mit den Wunsch-Wegbegleitern. Wie lang läuft denn das Projekt schon und wie viel Schweiß floss im Vorfeld?
Das war tatsächlich äußerst mühsam, die Bergbesteigungen selbst waren die einfachsten Übungen. Das Schwierige war, die prominenten Menschen an diese Orte zu bestellen. Mal abgesehen von den Stadtbergen in Berlin oder Hamburg liegen diese Gipfel ja meist „in the Middle of Nowhere“. Dorthin einen Promi zu locken, der sich dann auch noch einen Tag Zeit nimmt, mit irgendeinem unbekannten Reporter aus dem Süden der Republik, auf einen Ameisenhügel zu steigen, war oft echt schwer.

Unbekannter Reporter – schön tiefgestapelt!
Es war aber oft so: Ich habe unendlich viele Absagen bekommen. Am Ende kam auch noch Corona dazu.

Das dürfte viele Bergfahrten ausgebremst haben.
Und wie. Teilweise konnten wir ja den eigenen Landkreis nicht verlassen. Corona hat mich immer wieder zurückgeworfen. Letztendlich stecken zweieinhalb Jahre Arbeit in dem Buch. Und ich musste unzählige Vorzimmersekretär*innen, Agenturen und Manager bezirzen, die mir erst Hoffnungen machten – und dann doch Absagen erteilten. Die Leute, die schließlich mitgemacht haben und sich mit mir auf diesen Blödsinn einließen, waren dann zum Glück die Allerbesten, die ich finden konnte!

Und wie stand’s um die Laune, wenn das Projekt zwischenzeitlich mal wieder stockte?
So was muss man aushalten. Nach elf Bergen aufzuhören, hätte sich doch wie von selbst verboten. Es musste durchgezogen werden bis zum bitteren Ende.

Du hast alle Anfahrten mit der Deutschen Bahn unternommen – eigentlich wäre das für sich genommen für viele Bahn-Leidende schon ein Abenteuer gewesen.
Ich liebe die Deutsche Bahn über alles. Und ich bin stolzer Besitzer der Bahncard 100 - der sogenannten Schwarzen Mamba. Mit ihr kann man ein Jahr lang jeden Zug und jede Straßenbahn in Deutschland benutzen. Es ist also quasi das Never-Ending-Neun-Euro-Ticket. Natürlich musste ich mich auf vielen Fahrten ab und an über die Bahn ärgern. Aber andererseits fand ich’s sensationell, dass ich zu jedem Gipfel bis auf einen mit öffentlichen Verkehrsmitteln gekommen bin. Aber es waren auch grotesk überfüllte Züge dabei. Und einmal hatte ich eine Anreise nach Mecklenburg-Vorpommern, die 14 Stunden gedauert hatte. Über Nacht, ohne Schlafwagen, im grellen Neon-Licht. Aber am Ende waren die chaotischen Anreisen sowieso die interessantesten.

Aus dem Nähkästchen: Wie reagiert denn so jemand wie der BVB-Boss Hans-Joachim Watzke auf die Anfrage, mit ihm eine kleinere Wanderungen zu machen?
Sehr positiv. Das lag aber daran, dass ich einen einen Borussia-Dortmund-Insider kenne, der Watzke gut kennt. Ich hatte also einen Brückenbauer. Wenn ich einfach als Journalist, noch dazu aus München, eine Anfrage gestellt hätte, hätte ich wahrscheinlich kein Land gesehen. Bei der Wanderung war Watzke ganz lieb und aufgeschlossen. Er hatte große Freude an unserer Tour. Es war noch so ausgehende Coronazeit aus der zweiten Welle. Da hatten ja eine Weile keine Bundesligaspiele stattgefunden. Also hatte er Zeit – und Spaß am Wandern.

Und er kommt dann im Karo-Hemd mit einem frechen Hut und Feder am Kopf zum Treffpunkt?
Er kam eher „underdressed“, würde ich sagen. Wir hatten leider schlechtes Wetter. Und sein Schuhwerk war nicht angemessen, was er dann beim Abstieg bitter bezahlen musste - mit einem Sturz in eine Pfütze. Aber er hat es mit Humor genommen. Er sprach vom „Abstiegskampf“, den er mit dem BVB bisher nicht kannte. Watzke war überhaupt ein sehr netter Mensch.

Ab wann wurde eigentlich klar, dass aus den vielen tollen Begegnungen mehr werden würde – letztlich dein erstes Buch?
Ich hatte den Traum vom Buchschreiben ja schon immer – buchstäblich! Ich wusste nur nicht, wie. Schon zu Beginn der Wanderungen hatte ich auf ein späteres Buchprojekt gehofft, hatte mich aber erst nicht ganz getraut. Aber ich habe mir immer schon Notizen gemacht. Im Buch geht es ja auch um die langen Reisen durch Deutschland, um Begegnungen in den Zügen, um Abschweifungen, innere Exkursionen und um Anekdoten.

Wie gehst du denn bei den anderen Reportage-Projekten für den BR, die dann im Hörfunk von dir verfasst und gesprochen werden, konkret vor: Hast du immer ein Notizbuch in der Hosentasche, geht das auf der Rückseite von Kassenzetteln oder diktierst du zwischendurch in ein Aufnahmegerät?
Ich bin ein sehr analoger Mensch - alles mit Stift, alles in Notizbücher oder Zettel! Meine Tasche enthält eigentlich nur Zettel. Im Inneren schaut es eigentlich schrecklich aus, aber so arbeitet meine Kreativität. Aber ab und an setze ich mich hin und schöpfe aus der Fülle meiner Erinnerungen – und arbeite mit den Notizen. Ich habe ja zum Glück die gute Schule des „In München“ durchlaufen – und weiß durch jahrelanges Schreiben der Sport-Kolumne, wie man Dinge (hoffentlich) pointiert zu Papier bringt.

Die Vorstellung des Buches in München wird gleich wieder das nächste Abenteuer – eine Lesung mit diversen Gipfel-Stationen. Und natürlich sicher auf „heiligem“ Sechziger-Boden, oder?
Ich habe mir Orte des Vertrauens und Lieblingsorte in München gesucht, an denen ich am 1. September diese 16 Kapitel des kompletten Buches innerhalb eines Tages vorlesen werde. Es wird eine Marathon-Lesung, von der ich noch gar nicht weiß, ob meine Stimmbänder sie durchhalten werden.

Wie läuft’s genau ab?
Ich zieh’ von Ort zu Ort. Wer mich besuchen kommt, ist herzlich willkommen. Keiner wird es komplett durchhalten - außer mir –, sich das in 16 Stationen am Stück anzuhören. Aber ich lese vom ersten bis zum letzten Buchstaben gratis - in Buchhandlungen, im Giesinger Café Schau ma moi, im Baader Café, vor der Feldherrnhalle und natürlich vorm Grünwalder Stadion.

Wie dürfte sich das für den Achim Sechzig anfühlen?
Ich mache die Lesung nicht, wenn die Löwen spielen. Da wäre ich sonst natürlich im Stadion. Aber es war mir wichtig, dass der Giesinger Berg bestiegen wird. Der wichtigste Berg von allen!

Interview: Rupert Sommer

Am 1.9. liest Achim Bogdahn das gesamte Buch im Rahmen einer Mammutlesung von 07:00 bis 23:00 Uhr vor. Alle Termine und Orte findet ihr hier.

Seine Stimme dürfte jeder Radiofan kennen: ACHIM BOGDAHN, aufgewachsen in Erlangen und München sowie auch mit aktuell 57 schon immer glühender Sechziger, moderiert geniale Zündfunk-Sendungen sowie Eins zu Eins der Talk. Mit „Unter den Wolken“ (Heyne Hardcore) hat sich der Mann, der offiziell den Künstlernamen „Achim Sechzig“ im Pass führen darf, einen Traum erfüllt: Er hat die 16 höchsten Erhebungen der Bundesländer erklommen – jeweils mit toller Wanderbegleitung. Sein Buch stellt er zum Erscheinen am 1. September vor, am 23./24. liest er im Volkstheater

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