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Blumenbar-Gründer Wolfgang Farkas und Lars Birken-Bertsch: „Ein bisschen Unsterblichkeit“

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Von: Andreas Platz

Wolfgang Farkas und Lars Birken-Bertsch
Feiern mit Freunden und Weggefährten: Wolfgang Farkas und Lars Birken-Bertsch © Alescha Birkenholz für Blumenbar, 2002

Wolfgang Farkas und Lars Birken-Bertsch feiern am 18.6. Juni das 20-jährige Jubiliäum der Blumenbar-Verlagsgründung – mit bekannten und neuen Gesichtern.

Herr Farkas, Herr Birken-Bertsch, angefangen hatte es einmal mit den von Ihnen kuratierten Lese-Salons in der Blumenstraße. Nun steht also ein Fest für 20 Jahre Blumenbar an. Wie fühlt es sich eigentlich an, wenn Jahreszahlen anstehen und der Geschichtsmantel vorbeirauscht?
Wolfgang Farkas: Es ist interessant, wie sich der Blick auf die Dinge verändert. Am Anfang war es ein euphorisches Gefühl. Alles neu und zum ersten Mal. So viele großartige Leute, die zusammen ausgehen, einen Salon veranstalten und den Ideen, die irgendwie in der Luft liegen, eine Form geben. Das ist für mich sehr gegenwärtig. Und gleichzeitig fühlt es sich irre weit weg an. Social Media, das waren wir in den späten Neunzigern im Prinzip alle selber. Die Salon-Abende haben sich herumgesprochen, von Mund zu Mund.

Lars Birken-Bertsch: Eigentlich sind es 25 Jahre Blumenbar, 1997 haben wir in der Wohnung angefangen mit kleinen Events. Wir feiern aber im Kunstverein 20 Jahre Verlagsgründung, da die Verlagsgründungsnacht im Juni 2002 in der Alten Kongresshalle war. Ein wahrlich besonderer Abend, es war ja eine öffentliche Gründung…

Was hatte Sie eigentlich ursprünglich auf Ihre Literatur-Salons gebracht und wie viel Mut hatte es gekostet, daraus dann einen Verlag zu machen?
Farkas: Das ist aus einem Freundschaftsgefühl heraus entstanden, es war ja die Wohnung von Lars und mir. Und die war so unmünchnerisch, ein Mietshaus, in dem sich Gesellschaft widerspiegelt. Durch die Nähe zum Viktualienmarkt war’s dann wieder richtig urmünchnerisch. Dass dann aus der Szenerie – das ging ja fünf Jahre in der Wohnung – ein Verlag wurde, das war schon auch mutig. Mehr aber war’s die Lust, sich auf was einzulassen, zu schauen, was möglich ist.

Birken-Bertsch: Die Nähe zu Büchern war ja gegeben, zu Verlagen und Autor*innen. Ich selbst war schon im Verlagswesen tätig. Dieser Schritt fühlte sich schlüssig an, es war ja ein experimenteller Ansatz.

Wenn man zurückblickt, war der junge, damals noch Münchner Blumenbar Verlag ein Vorläufer von später recht vielen ähnlichen Gründungen, die sich vermutlich von Ihnen inspirieren ließen. Inwieweit macht Sie dies auch ein bisschen stolz?
Farkas: Ich glaube, es war eine Gleichzeitigkeit von Neugründungen, ein Generationenwechsel. Im Gründungsjahr von Blumenbar ist Siegfried Unseld gestorben, der bundesrepublikanische Überverleger. Und ja, bei den kleinen und auch bei den großen Verlagshäusern kann man immer noch, vom Programm bis zu den Buchcovern, den Einfluss des anfangs winzig kleinen Blumenbar-Gewächses sehen. Einfluss ist nicht immer eine Frage des Budgets.

Birken-Bertsch: Ich würde auch betonen, dass wir in bester Gesellschaft damals waren. Es gab dann schnell einen Arbeitskreis von jungen Verlagen, daraus ist dann zum Beispiel der Preis der Hotlist entstanden, den es heute noch gibt.

Welche Bücher, die Sie einst mit auf den Weg brachten, dürfen auch weiterhin auf Ihrem Nachttisch, im Reisegepäck oder in der Fahrrad-Satteltasche nicht fehlen?
Farkas: Meine persönlichen Klassiker sind, abgesehen von „Memomat“: „Brasília Stories“ von Carmen Stephan. Leonard Cohens „Buch der Sehnsüchte“. Und „Mjunik Disco“ – zu schwer zwar fürs Reisegepäck, dafür selbst eine Reise.

Birken-Bertsch: Alle Blumenbar Bücher stehen in meinem Regal prominent en bloc zusammen – wie eine Batterie, die immer noch viel Energie abgibt.

Blumenbar hat schon länger eine neue Zukunft beim Aufbau Verlag in Berlin gefunden. Wie sehr vermissen Sie eigentlich manchmal die konkrete Literaturarbeit und den engen Austausch mit „Ihren“ Autoren?
Farkas: Inzwischen konzentriere ich mich auf mein eigenes Schreiben und bin zum Beispiel mit der Berliner Gruppe Poem manchmal auf der Bühne. Tatsächlich ist es so, dass in meinem Bekanntenkreis immer wieder Leute auf mich zukommen und mir ein Manuskript zur Prüfung geben. Den ersten Satz zu lesen, zu kucken: wie klingt das, wo geht das hin? Das ist immer noch aufregend.

Birken-Bertsch: Ich arbeite inzwischen in größeren Branchenzusammenhängen bei der Frankfurter Buchmesse. Aber ich pflege meine Beziehungen zu den befreundeten Verlagen von damals, aber auch zu zahlreichen Autor*innen. Sicherlich fehlt einem dann doch hin und wieder diese doch sehr besondere verlegerische Arbeit.

In München war man zunächst natürlich traurig, als der Verlag nach Berlin umsiedelte. Inwiefern war das wichtig, wie hat das Ihr Geschäft verändert?
Farkas: Wir hatten in Berlin einen neuen Vertriebspartner, höhere Auflagen, einen ziemlich großen Bürospace und haben es ziemlich schnell geschafft, ein sehr diverses Publikum anzuziehen. Am Ende des Tages, wie es in der Finanzwelt so schön heißt, waren die Zahlen trotzdem nicht gut genug. Wer weiß, in München wär‘s vielleicht anders weitergegangen. Oder in der Schweiz, wo Verlage staatlich gefördert werden.

Wie eng sind weiterhin Ihre München-Bande und wo sind Ihre Lieblingsorte in der Stadt?
Farkas: Über meine Eltern, meinen bald volljährigen Sohn László, über eine Handvoll Freunde und unzählige Bekannte bin ich der Stadt immer noch verbunden. Und die Berge – die werden ja erst richtig toll, je weiter sie weg sind … Am liebsten lauf ich von der Goldenen Bar Richtung Kammerspiele durch die Gegend, und das Schönste ist: Man muss sich nicht verabreden, um jemanden zu treffen.

Zwei Tage lang wird im Kunstverein im Hofgarten gefeiert. Auf was darf man sich konkret freuen?
Farkas: Es wird glaub ich ziemlich toll, Leute wiederzusehen, Leute kennenzulernen und zu dancen. Also so wie immer eigentlich. Besonders freu ich mich auf die Lesung von FX und auf das Konzert von Malva – eine sehr junge Poetin und Musikerin, die unbedingt zu den ersten Blumenbars gepasst hätte. Ja, und auf die Platten, die Mirko Hecktor spielen wird, und sein Drum-Special …

Hand aufs Herz: Hätten Sie je gedacht, dass Sie einmal Thema für ein Museum werden und ist die Gipsbüste schon bestellt?
Farkas: Ein bisschen Unsterblichkeit – auch nicht schlecht. Vor allem freut es mich aber, dass Blumenbar sichtbar bleibt. Das Verlagsarchiv der ersten Dekade wird ja von der Monacensia übernommen – und eben nicht erst in hundert Jahren, sondern im Herbst. Die Gründer leben, und sie sind noch nicht einmal so alt. Das gefällt mir.

Birken-Bertsch: Es fühlt sich sehr gut an, das Archiv in den engagierten Händen beim Literaturarchiv der Stadt München zu wissen, und dass damit für die Zukunft der Zugang dazu gesichert ist.

Interview: Rupert Sommer

Anlässlich des 20-jährigen Gründungsjubiläums laden die beiden ehemaligen Verleger Lars Birken-Bertsch und Wolf Farkas im Kunstverein München zum Sommerfest in den Hofgarten. Die Veranstaltung „One More Time – 20 Jahre Blumenbar Verlagsgründung“ am 18. Juni ab 18.30 Uhr wird vom Kulturreferat und dem Verein Freunde der Monacensia e.V. unterstützt. Es lesen unter anderem. FX Karl, Andreas Neumeister, Thomas Palzer. Musik-Gäste sind Malva und die Express Brass Band, den Dancefloor bespielen Mirko Hecktor (Mjunik Disco), Flamingo Gang & Gäste.

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