Der Report der Queen

Margaret Atwood: Penelope und die zwölf Mägde gelesen von Nina Kunzendorf
Homers reaktionäre Hexameter-Orgie vom dekadigen Heimgeeiere des Holzpferdschraubers Odysseus - die nebenbei nahelegt, die Deutsche Bahn habe in der Antike eine Reederei betrieben - offenbart sich als äußerst oldschoolmännlich geprägte Sicht auf einen Stoff, der vor seiner schriftlichen Fixierung mitunter ganz anders erzählt wurde.
Saga-D.J. Maggie@wood befördert Penelope, die bei Homer die pleasantvillsche Heim-und Herdnebenrolle erfüllt, zur Cheffigur und iVoice, begleitet vom Chor der zwölf Mägde, denen Homers selbstgerechter Ziegeninselkapitän und griechische Münchhausen am Ende der Gesänge das untere Radieschenpanorama aufnötigt. Penelope bleibt auch im Remix eine wenig originelle Spaßsparkassenangestellte, ständig bemüht, sich zu rechtfertigen, ihre Klugheit zu loben und allzeit bereit für Zickenbattles mit ihrer Model-Cousine Helena, der sie die Schuld antackert für Odysseus’ semifreiwilliges Marathonkippenholen.
Damit kuckt Penelope aber durch ein äußerst blödmännliches Auge. Menelaos hätte auch sagen können „So the fuck what?“ anstatt Troja zu bekriegen. Offenbar ging es der Autorin weniger darum, Penelope einen feministischen Möglichkeitsraum zu öffnen und sie zu einer antiken Pippi Langstrumpf zu tunen, als Odysseus’ Heldenstatus abzusockeln. Sonst hätte Penelope 2.0 die Zwanzig-Jahre-Auszeit ihres Vertragshengstes dazu genutzt, den Pan flöten zu lassen. Sie wäre mit einer scharfen Magd ausgebüxt, hätte das Surfbrett erfunden oder echte Demokratie, Workshops gegeben à la Bitchcraft - kreatives Weben für Powerluder oder Ratgeber verfasst: Prollfreier abzocken für Fakewitwen oder Komfortzonenmassage – Dein Weg zur göttlichen Müßigkeit.
Oder hätte als Chor-D.J. P-Lope die Tempel wackeln und die Olympischen um Gnade flehen lassen. Penelope war eine verdammte Königin und hatte Möglichkeiten. Immerhin interessiert sich Atwoods Penelope für das Schicksal der Mägde, wenn auch posthum und rückblickend aus dem 21. Jahrhundert, quasi live aus der Hades-Arena.
Am Ende kommt es zu einem schrägen Strafprozess gegen Odysseus. Ein Satz dort sagt alles über die kranke Männerwelt, die bis heute bestand hat: „Was Odysseus so aufbrachte, war auch nicht ihre Vergewaltigung, sondern der Umstand, dass sie [die Mägde] unerlaubt vergewaltigt wurden.“ Nimm das, Odysseus!
Autor: Jonny Rieder
Margaret Atwood: Penelope und die zwölf Mägde. Gelesen von Nina Kunzendorf u. a. HR 2022, 4 CDs, ca. 3,5 Std., www.hoerverlag.de