Frust und Lust

Aufwachsen in der Provinz in Coming Of H von Hamed Eshrat und Rollenspiele im Hinterhof von Anna Rakhmanko und Mikkel Sommer
Musik hören, abhängen, zeichnen und so was, antwortet Hamed auf die Frage, was er außer Skaten so macht. Hamed Eshrat hat mit Coming Of H (Avant) nach den Bänden „Venustransit“ und „Nieder mit Hitler!“ (zusammen mit Jochen Voit) nun eine autobiografische Grafic Novel vorgelegt, die sowohl erzählerisch wie auch zeichnerisch überzeugen kann. Geboren 1979 in Teheran ist Hamed mit seiner Familie als Siebenjähriger nach Deutschland gekommen, wuchs in Nordrhein-Westfalen auf. Sein Comic ist Ende der 1990er Jahre angesiedelt, Hamed ist mitten drin im sogenannte „Coming Of Age“, das für einen kurzen Flirt mit der Droge als Wortspiel herhalten muss. Kiffen, Alk, Sprayen – alles klar, doch als sein bester Freund Sven mit Heroin experimentiert, schlägt Hamed zugunsten eines Kunstleistungskurses einen anderen Weg ein, der ihn am Schluss des Bandes nach Berlin zum Kunststudium führt. Parallel dazu erzählt Hamed Eshrat auch die Geschichte seiner Familie und vor allem von der tragischen Entfremdung und den Depressionen seines Vaters – der anders als Hamed, seine Schwester und seine Mutter nie richtig angekommen ist in Deutschland. Gehört zu den herausragenden Comics des Jahres.
Lust beginnt im Kopf und beim BDSM geht es ums Spielen – Anna Rakhmanko (Text) und Mikkel Sommer (Zeichnungen) haben die in Berlin lebende und arbeitende dänische Künstlerin und Domina Dasa Hink bei ihrem Tagesablauf begleitet und viele Interviews geführt – über ihre Arbeit, ihre Kundinnen und Kunden, eigene erotische Fantasien, Liebe und Kunst. Entstanden ist dabei die ganz besondere Comic-Reportage Hinterhof (Avant), die sich auf wunderbar un-voyeuristische Weise mit einem Thema befasst, das bei den meisten Menschen mit vorgefertigten Bildern im Kopf belegt ist. Mikkel Sommer hat das Ganze in assoziativen Zeichnungen festgehalten, die der Fantasie der Leserinnen und Leser trotzdem freien Lauf lassen. Dasa Hink hat übrigens nichts dagegen als Prostituierte bezeichnet zu werden, obwohl sie den Begriff „Sexarbeiterin“ passender findet. Denn darum geht es ihr: es handelt sich um Arbeit, legitime Arbeit. Ein gelungenes Werk, das Einblick in eine doch zumeist sehr unbekannte Welt bietet.
Autor: Rainer Germann