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Musiker Don Marco: „Ich bin oft obsessiv“

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Von: Franz Furtner

Don Marco in türkisem Anzug
Don Marco in türkisem Anzug © Tibor Bozi

Markus Naegele aka DON MARCO stellt mit „Ewig und drei Tage“ am 17. Juni auf dem Tollwood sein zweites Album vor.

Hallo Herr Naegele, hallo Don Marco, während weite Teile der Republik  zuletzt oft das Gefühl von bleierner Zeit hatten, die alles verlangsamte, steht der Fuß bei Ihnen ja beherzt auf dem Gas. Woher nehmen Sie denn die irre Energie, innerhalb von dann doch nur einem Jahr auf ein Debüt gleich auch noch einen Zweitling und dann sogar ein Doppelalbum folgen zu lassen?

Die bleierne Zeit habe ich schon gespürt, sehr massiv sogar. Aber 2020 war ich von den Arbeiten am Don-Marco-Debüt noch so beseelt und begeistert, dass ich im Spätsommer mit erweitertem Musiker-Kreis gleich noch weitere Aufnahmesession nachgelegt habe. Ob ich 2021 oder vor allem 2022 die Kraft dazu gehabt hätte, bezweifle ich.

Die Redewendung „Ewig und drei Tage“ könnte ja andeuten, wie viel da schon länger in Ihnen geschlummert, wenn nicht sogar getobt hat. Wie dringend musste das jetzt raus, wie befreiend ist so ein Veröffentlichungsdatum?

Der Titel ist ein Song vom Album, eine oft so daher gesagte Redewendung, die irgendwie bedeutsam klingt. Und da ich zeitlose Musik mag, fand ich, dass das als Motto fürs Album passt. Wobei es dann ja in dem Song eher darum geht, dass der Partner seit langem schweigt, von daher kann die Redewendung viele Bedeutungen haben, sowas mag ich. Wie beim Debüt: „Gehst du mit mir unter“, und dann folgt im zweiten Teil des Satzes „-halb der Gürtellinie“. Eindeutigkeiten finde ich oft langweilig. Und zum Album-Release: Ich brauchte den Druck und ein Release-Date, um das letztlich alles fertig zu stellen, das war dann schon noch ein echter Kraftakt. Jetzt ist das Album da, jetzt können neue Abenteuer kommen, man muss so etwas abschließen, ich mag auch keine offenen Rechnungen.

Wie schreibt und tüftelt man überhaupt, wenn man wie Sie ja auch im vermeintlich ganz normalen Alltag auch einen Menge Dinge auf dem Tisch, wenn nicht sogar auf der Seele hat?

Ich bin oft obsessiv, wenn ich eine kreative Phase habe, wenn sich die Dinge in Bewegung setzen. Dann kann ich auch auf vielen Baustellen gleichzeitig aktiv sein, wirbeln, multitasken. Ich werde eher träge und schlapp, wenn sich nichts bewegt. Das wurde dann während der Pandemie auch zum Problem. Da bin ich in manches Loch gefallen.

Nicht wenige Künstlerkollegen versuchten sich den enormen Druck auf dieser Welt ja vorsichtig ein wenig schönzureden. Motto: Lagerkoller, aber wenigstens viel Zeit, an sich zu denken und kreativ zu bleiben. Geht die Rechnung wirklich auf?

Für mich nicht. Ich habe die Zeit jedenfalls nicht wirklich genießen und runterfahren können. Ich brauche Erlebnisse und Begegnungen, um inspiriert zu sein. Homeoffice hin oder her, ich habe den Zustand und meine Kontakte verwaltet. Aber ich habe in den zwei Jahren kaum neue Menschen kennengelernt. Ich bin keiner dieser „Künstler“, die einfach nur in sich selbst reinhorchen müssen. Anfangs dachte ich auch, vielleicht ändert sich grundlegend was in der Gesellschaft, führt das zu einer neuen Art Entschleunigung, weg von der ewigen Optimierung und der Gier nach immer mehr. Aber davon ist nicht so viel geblieben.

Wie groß war eigentlich der Überdruck, mit einem Debüt-Album wie Ihrem „Gehst du mit mir unter“, das noch dazu so viel positiven Rückenwind bekam, nicht gleich auf die Bühnen brettern zu können?

Na ja, ich hätte schon sehr gerne mehr Konzerte gespielt, zumal wir genau zum Release des ersten Albums eine irrsinnig gute Live-Besetzung zusammen hatten mit Leuten wie Philip Bradatsch, Maria De Val, Teresa Staffler, Clemens Finckenstein und Maxi Pongratz. Die hatten mit ihren ganzen eigenen Projekten auch Pause und waren verfügbar. Jetzt krieg ich sie leider nicht mehr zusammen, außerdem müssen die ganz einfach mit der Musik Geld verdienen, das ist ihr Job. Und das geht bei einem komplett neuen Projekt, was erst mal kaum einer kennt, einfach nicht, leider.

Wie wird sich das nun hoffentlich ändern, wie wichtig sind die Live-Erlebnisse nicht nur für Fans, sondern auch fürs eigene Musikerglück?

Gehypte Projekte und die großen Acts werden wieder ihr Publikum finden, das sieht man jetzt schon, wenn auch zeitweise mit Abstrichen. Für neue Acts, die keinen Apparat hinter sich haben, wird es zäh. Da geht gerade ein massiver Riss durch die Szene, so mein Eindruck. Die Booker holen sich auch - verständlicherweise - gerade nur Bands in die Läden, die eine Fanbase haben. Entweder sold out oder es kommt keiner. Die Leute rennen dahin, wo alle hinrennen, es geht ihnen mehr um die Party und das Gemeinschaftserlebnis, als darum, neue Musik zu entdecken. Ich hoffe, das ändert sich wieder.

In welcher Besetzung sind dann eigentlich Auftritte geplant? 

Im Augenblick plane ich live erst mal im Kleinformat, am 17.6. bei Tollwood spiele ich erstmals im Duo mit dem Multiinstrumentalisten Titus Waldenfels, mal schauen, wie das funktioniert. Auf Dauer will ich mir aber wieder eine richtige Band zusammenstellen, wer sich berufen fühlt, möge sich melden: info@donmarcomusic.com 

Die Leinwand ging fürs neue Album ja noch mal ein gutes Stück auf – bis hin zu Chorsängerinnen, dem Akkordeon von Maxi Pongratz oder der Lap-Steel-Guitar. Wie sehr treibt Sie die Entdecker-Neugierde an?

Es war einfach eine große Freude, mit so großartigen Musiker*innen arbeiten zu können und sich von dem engen Rockarrangement-Korsett lösen zu können. Alle haben ihre Ideen eingebracht, wir haben im Studio bei den Aufnahmen und dann bei den Overdubs viel rumgesponnen und experimentiert. Allein die vielen Chor-Arrangements, Handclaps, Percussions, Stereo-Spielereien und Pianogeschichten, darum geht es doch bei der Musik, den Spaß am Spiel und an Sounds. Ich hoffe, das hört man dem Album an.

Nachdenklichkeit ist ja per se etwas Erfreuliches. Und doch sind nicht wenige neue Songs von Wehmut oder auch Unbehagen geprägt. Funktioniert wenigstens der Trick, dass es danach besser geht, wenn man so etwas in Songs umgesetzt hat?

Jeder hat da seine eigene Katharsis. Ob es mir nach dem Schreiben eines traurigen Songs direkt besser geht? Vielleicht. Sicher lasse ich da auch Gefühle raus, die ich so im normalen Leben nicht äußern könnte oder würde. Im Verbund mit der Musik geht es dann. Den textlich eher düsteren Song „Der Boden der Tatsachen“ habe ich tatsächlich in einer sehr deprimierenden Phase der Pandemie geschrieben. Als mir aus dem Nichts diese ersten Takte auf dem Piano mit dieser Chormelodie einfielen, konnte ich die Außenwelt komplett vergessen. Das ist dann die vielzitierte Macht der Musik.

Ist es überhaupt wichtig, für Don Marco, den streuenden Wüstenfuchs, musikalisch sesshaft zu werden?

Ich hoffe nicht. Ich höre so viel unterschiedliche Musik, schon immer. 70s-Westcoast, Soul, Glam, NDW, Garage-Rock, Crooner-Pop, Punk. Sicher bin ich stark vom amerikanischen Indie-Rock der 80er und 90er geprägt, aber ich würde mich gerne noch viel weiter freispielen. Genres interessieren mich nicht. Darum hat es mir etwa so gefallen, als Kristof Hahn, der auf den beiden Platten die Lap-Steel-Gitarre gespielt hat, die er sonst bei den Swans einsetzt, im Studio sagte, einige Songs und die Gitarrenmelodik von Philip Bradatsch erinnerten ihn an Kevin Ayers. Das fand ich toll.

Wenn man dem reichen Erbonkel oder zumindest kurzzeitig im Garten gelandeten Außerirdischen den Kern der Don-Marco-Sehnsüchte vorstellen möchte, welcher neue Song würde sich dafür als bester Anspieltipp eignen? Und warum?

Es gibt auf dem Album für mich ganz viele Sehnsüchte zu entdecken, aber ein Song, auf den ich etwas stolz bin und bei dem ich lange sehr unsicher war, ob ich ihn überhaupt veröffentlichen soll ist „Schöne Neue Welt“. Den habe ich zunächst alleine ganz lo-fi auf Garageband auf dem iPad aufgenommen. Der Song ist in seiner Endzeitstimmung durchaus pathetisch und gewagt mit Pauken und Trompeten und Geigen und weiß-der-Teufel. Im Studio habe ich ihn mit Hilfe von Engineer und Alleskönner Bonifax Prexl dann zu einer ziemlichen Wall of Sound aufgeblasen. Der Song wird sicher polarisieren, aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Vieles, was auf dem Album groß wirkt, dürfte ja erst einmal mit einer Inspiration mehr oder weniger im stillen Kämmerlein begonnen haben. Wie groß ist Ihre Ungeduld, Ideen auch umzusetzen – selbst wenn die Mit-Musiker dafür nicht sofort Gewehr bei Fuß stehen können?

Ich mag die kleinen Lo-fi-Aufnahmen genauso wie die High-End-Studio-Versionen. Leider bin ich handwerklich kein so guter Musiker, deshalb bin ich immer so begeistert, wenn andere das umsetzen können, was ich mir vielleicht höchstens im Kopf vorstellen kann. Oder wenn andere mit völlig neuen Ideen ankommen, auf die ich nie im Leben gekommen wäre.

Fürs neue Album haben Sie ja neben bewährten Mitstreitern noch mehr Kollegen mit an Bord geholt. Wie dick muss man sich eigentlich Ihr Adressbuch vorstellen?

Da kam das eine zum anderen. Reines Glück. Bei der Wahl der Musiker*innen ist mir ganz wichtig, dass sie nicht bloß gut spielen können, sondern selbst neugierig sind, offen, ohne Scheuklappen, inspiriert. Auf dem neuen Album haben besonders Maria De Val (bekannt unter anderem von Me + Marie oder Ganes) und Tim Jürgens (Die Liga der gewöhnlichen Gentleman) ganz viel an den Arrangements der Songs gestrickt, das hätte ich alleine nie hinbekommen. Dafür bin ich ihnen und überhaupt allen Mitwirkenden wahnsinnig dankbar.

Die ganz harten Zeiten liegen zum Glück ja hinter uns: Aber wie organisiert man ein Kommen, Gehen und Zusammenbleiben mit so vielen Mitstreitern überhaupt praktisch? 

Das ging nur, weil alle irgendwie im Corona-Loch waren und Lust auf das Abenteuer hatten. Und es terminlich aufging. Ich hatte einfach das Studio gebucht und dann die Runde gemacht. Und es wurde ein unvergessliches langes Wochenende. Natürlich wäre es ein Traum, alle zusammen auf die Bühne zu bekommen. Aber gerade weiß ich nicht, wie ich das organisieren und finanzieren könnte. Ein Knaller wäre das. Wer einen Mäzen kennt, möge sich bitte bei mir melden.

Letzte Frage: Sie haben sich ja fast ein wenig selbst unter Erfolgs- und Zeitdruck gesetzt. Wenn das so weitergeht, müsste dann die nächste Vinyl-Box schon wieder gedanklich im Entstehen sein und spätestens ab nächstem Jahr an die Tür klopfen, oder nicht?

Gerade muss ich erst mal Luft holen und mich neu inspirieren. Außerdem habe ich ja auch noch einen Full-Time-Job. Jetzt schau ich mal, ob das Album jemanden interessiert, und dann kommen auch wieder neue Ideen. Nach dem Doppelalbum wäre dann folgerichtig ein Triple-Album fällig, puh!

Interview: Rupert Sommer

Eigentlich ist Markus Naegele ja Verlagsprofi. Und gerade eben wechselt er nach über zwei Jahrzehnten bei Heyne, zuletzt als Chef von Heyne Hardcore, als Programmleiter zum btb Verlag. Aber das ist nur die eine Seite: Als DON MARCO erkundet er musikalische Breitwandlandschaften. Auf dem Tollwood stellt er am 17. Juni das neue, zweite Album vor. Alle Infos: https://donmarcounddiekleinefreiheit.bandcamp.com/

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