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So war es ... bei Lucinda Williams im Technikum

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Mit dunklen Balladen und Countryrock begeistert Lucinda Williams im Technikum
Mit dunklen Balladen und Countryrock begeistert Lucinda Williams im Technikum © Rainer Germann / In Magazin Verlags GmbH

Lächelnd durchs Tal der Tränen: Die Countryrock-Ikone Lucinda Williams begeistert mit ihrer Band Buick 6 die Fans im Technikum

Bereits im ersten Drittel des Konzerts, beim Intro zum Slow Blues „Big Black Train“ vom letzten Album „Good Souls Better Angels“, gibt sie es zu: natürlich hätte sie auch lustige Songs, aber im Grunde bringen sie die Menschen meist mit ihren traurigen Liedern in Verbindung – und die sind ihr auch wichtiger. Kein Wunder, Lucinda Williams hat in ihrer 40jährigen Karriere genügend Ups & Downs für mehrere Biografien erlebt, tragischer Tiefpunkt war zuletzt ein Schlaganfall, der sie im November 2020 für fünf Wochen in die Intensivstation des Vanderbilt Medical Center in Nashville beförderte.

Die Prognose der Ärzte war positiv und Williams hat sich zurückgekämpft, ein Hochstuhl steht zwar auf der Bühne, dient aber eher als Armstütze, der Blick auf den Telepromter: eher nebenbei als konzentriert. Gitarre spielt sie leider nicht mehr, was sie aber nicht daran hindert, ihren beiden Ausnahmegitarristen Stuart Mathis und Doug Pettibone bei den zum Teil The Allman Brothers-mäßigen Solo-Duetten und kurzen Grateful Dead-Jams kritisch-genussvoll auf die Finder zuschauen. Ihre Band Buick 6, ergänzt durch die Regulars Butch Norton an den Drums und David Sutton am Bass, sitzt Williams Stimme wie ein musikalischer Anzug.

Der anfangs etwas verhaltene Sound ohne erkennbare Mitten und Bässe bei Countryrock-Stompern wie „Can’t Let Go“ oder dem lautstark begrüßten „Real Live Bleeding Fingers And Broken Guitar Strings“ vom frühen Meisterwerk „World Without Tears“, steigerte sich schon bald zu einem formidablen Klangbild, das mit purer Intimität bei der dunklen Ballade „Lake Charles“ für Gänsehaut sorgte: „We used to drive through Lafayette and Baton Rouge/In a yellow Camino/Listening to Howling Wolf“. Natürlich ist der besungene Mitfahrer, ein befreundeter Drogendealer und Trinker, bereits tot, wie auch der Poet und Selbstmörder Frank Sanford in dem ebenso schönen „Pineola“ - beide in bester Gesellschaft bei Williams. „Drunken Angel“ wird in einer großartigen Version natürlich dem befreundeten Songwriter Blaze Foley gewidmet, für den der Song vom bekanntesten Album „Car Wheel On A Gravel Road“ auch geschrieben wurde. Foley wurde 1989 erschossen, hat sich aber bereits im Vorfeld mit seinem Kumpel Townes van Zandt in Richtung Jenseits gesoffen.

Tote pflastern ihren Weg: Mit „Stolen Moments“ und „Change The Locks“ erinnert sie an ihren Freund Tom Petty und natürlich muss auch dem jüngst verstorbenen Jeff Beck mit dem Blues-Kracher „Joy“ zum Ende hin gedacht werden, bevor mit Neil Youngs „Rockin’ In The Free World“ nochmal ein (Über)Lebender zum Zuge kommt. Am stärksten sind aber wie gesagt die dunklen, traurigen Countrysoul-Balladen, Geschichten über Tod und Teufel, Songs wie eine Landkarte durch den Süden der USA, ausgebreitet auf der Seele der verlorenen Protagonisten, die Lucinda Williams Songs bevölkern und denen die 69jährige bei aller Rauheit mit einem Lächeln eine erstaunlich frische Stimme gibt. Schön, dass sie wieder da ist.

Autor: Rainer Germann

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