Konzerte im März: Von glasklar-verworrenen Genies und Leuten, die Bock haben!

Große Liebe: Emiliana Torrini. Zwischen Beat und Boykott: Frittenbude. Die Stimme der Abgehängten: Billy Nomates. Und zur Krönung ein Fest: egoFM feiert mit Betterov, Lola Marsh u.v.a.
Auch wenn’s die meisten eher nervt, aber manchmal muss man Dinge eben verändern. Nicht nur ein kleines bisschen, sondern ganz grundlegend - vielleicht sogar ganz von Vorne beginnen. So wie Sebastian Wurth. Denn nach über zehn Jahren, in denen er in der Musiklandschaft nicht nur als Sänger, sondern auch als Songwriter einige Erfolge gefeiert hat, lässt der 28-Jährige die Vergangenheit nun weit hinter sich und macht ab sofort Urban Pop, der sich geradezu leichtfüßig, mit seinen charmanten deutschen Texten, auf der Höhe der Zeit bewegt. Dazu Wurth: „Ich habe so unendlich Bock!“ Wir auch Sebastian, oh ja, wir auch. (2.3. Strom)
„Future Rock aus Bayern“, dieses einprägsame Motto haben sich Brew Barrymore vor geraumer Zeit auf die Gitarrenkoffer gepinselt. Dieser, also der Future Rock, impliziert: „Einzigartige, in Gold gehüllte Bühnenperformance“, abgeschmeckt mit einem Hauch von 80er-Kult, alternativen Gitarrensound mit ganz viel Synthesizer- und Indie-Einflüssen sowie facettenreiche Vocals. (3.3. Feierwerk Kranhalle)
Woran müsst ihr eigentlich bei dem - na ja - unsexy Wort Frittenbude als erstes denken? Hand aufs Herz: Vielleicht ja an eine ältere, dickliche und ungepflegte Frau mit fettigen Haaren, im mit Ketchup bespritzten Kittel, die, mit Kippe im Mundwinkel, verkohlte Currywurst mit flauschigen Pommes serviert? Oder, denkt ihr wie alle Hipster seit etwas mehr als einem Jahrzehnt dann doch eher an eine umtriebige Band, die mit ihrer lebenslustigen Rebellion gegen die Erkenntnis ankämpft, dass das Leben zwar scheiße ist, es aber dennoch ordentlich gefeiert gehört? Wie schon auf der jüngst erschienenen großen Technopunk-Hymne „Sandradome“ walzen Frittenbude nun wieder so ziemlich alles platt, was sich ihnen entgegenzustellen wagt, weswegen das ganze Frühjahr nun also im Sternzeichen der elektromusikalischen Eskalation steht. Kurzum: Die Fritten kehren nach München zurück und bringen mal wieder ihre diskokugelartige Abrissbirnen in Stellung. (9.3. Technikum)
40 Jahre Punk. Reiner, purer Punk. Zumindest zu Beginn: The Damned waren von Anfang an dabei, haben alles gesehen, haben in jedem Rattenloch der britischen Inseln ihren rohen Rock’n’Roll gespielt. Sie waren die erste Band, die eine Punk-Single veröffentlicht hat, 1976, „New Rose“, und sie haben mit „Damned Damned Damned“ auch das erste Punk-Album aufgenommen. Sie waren die ersten, die ihr Sound-Spektrum erheblich erweiterten und sich beispielsweise dem Goth öffneten. Und sie stehen seit über 40 Jahren fast ohne Unterbrechung auf der Bühne. Anders gesagt: The Damned sind eine verdammte Legende. (12.3. Theaterfabrik)
Lewis Capaldi zählt zu den erfolgreichsten Künstlern aus UK und brach bereits so einige Verkaufs- und Charts-Rekorde. Sein 2019 veröffentlichter Song „Someone You Loved“ hielt sich zunächst sieben Wochen an der Spitze der UK-Charts, stieg in den USA bis an die Spitze der Billboard Charts, erhielt einen BRIT Award und wurde für einen Grammy nominiert. Letztlich war es die Single, die sich in der Historie der UK-Charts am längsten in den Top 10 hielt und mit mehr als 2,5 Milliarden Streams zu den fünf meist gestreamten Songs auf Spotify zählt. Manchmal genügt also ein einziger Song, um eine Sensation auszulösen. Ganz abgesehen davon ist Capaldi einer, der mit seiner begnadeten Stimme und den groß angelegten Stadion-Pop-Balladen gekommen ist, um zu bleiben, und das wahrscheinlich für immer. Evergreen! (15.3. Olympiahalle)
Anfang November erschien Dermot Kennedys neues Album „Sonder“. Der einprägsame Titel steht für die Erkenntnis, dass jeder Mensch, dem man begegnet, ein ebenso komplexes Leben führt, wie man selbst. Schon allein der Titel versprach eine Platte voller Gänsehaut-Momente, Tiefsinnigkeit und Emotionen. Und, was soll man sagen: Sie hat Wort gehalten! Pop deluxe für Anspruchsvolle! Support: Miya Folick. (16.3. Zenith)
Nneka ist als Tochter eines Nigerianers und einer Deutschen in Warri, der Heimat ihres Vaters, aufgewachsen und kam erst im Alter von 19 Jahren nach Hamburg, von wo aus sie auch ihre musikalische Karriere startete. Dabei geht und ging sie stets sehr vielseitig zur Sache und mischt ohne Scheu Funk und Soul mit Dub, Reggae und Afrobeat. Mit der Hit-Single „Heartbeat“ und dem Album „My Fairy Tales“ feierte sie auch internationale Erfolge, und erspielte sich ein großes Publikum, egal ob in Frankreich, den USA oder in England. Ihr neues Album „Love Supreme“ nun bezeichnet sie selbst als „vielschichtig“, denn „es ist politisch, religiös, spirituell und selbstreflektierend.“ Klingt gut, ist gut! (19.3. Ampere)
Mit neuer Band und neuem Studioalbum kehrt Henrik Freischlader nun auf die Bühnen der Clubs zurück. Die Fans können sich derweil schon mal auf intensive Konzerte einstellen, bei denen musikalisch aufgeholt wird, was in den letzten Jahren so schmerzlich vermisst wurde. Es wird freilich wieder etwas rockiger und natürlich auch etwas lauter als zuletzt bei seinen Sessions im Internet. Rock on! (19.3. Feierwerk Kranhalle)
Die Kapelle der Versöhnung vertont die krass überzeichneten bis tief berührenden Geschichten des, nach eigenem Bekunden, „glasklar-verworrenen Genies“ Rainald Grebe wie immer aufs Herzlichste. Und der Bandleader höchstpersönlich gibt seinem Publikum bekanntermaßen immer das Gefühl, nicht nur dabei sondern irgendwie mittendrin zu sein, wenn er seine besten Ideen neu zur Welt bringt. Pflichttermin! (21.3. Backstage Halle)
Die belgischen Indie-Götter dEUS kehren zurück! Das Quintett um Bandleader Tom Barmann, ist eine der bedeutendsten und langlebigsten Indierock-Institution Europas. Unvergessen ihre Meisterwerke „In A Bar Under The Sea“ und „The Ideal Crash“, und jetzt, gut und gerne zehn Jahre nach „Following Sea“ haben sie ein neues Album mit dabei. Can’t wait! (21.3. Backstage Werk)
Wenn zwei Künstler in der Lage sind, sich so gut zu synchronisieren, dass sich jede Note, jeder Atemzug und jede gezupfte Note zu einem perfekten, harmonischen Ganzen zusammentut, dann hat dieses Get-together schon fast etwas Magisches an und in sich. The Colorist Orchestra weiß, wie man das macht. Seit 2013 hat das belgische Duo damit Karriere gemacht, die Diskografien einer breiten Palette von herausragenden Künstlerinnen und Künstlern (Howe Gelb, Lisa Hannigan) neu zu interpretieren. Dabei haben sie stets ihren Hintergrund im Pop, Electro und der Weltmusik genutzt, um die Songs neu zu formen und zu interpretieren. Kürzlich haben sie sich wieder mit der gefeierten isländischen Singer-Songwriterin Emilina Torrini zusammengetan, mit der sie 2018 erstmals für ein hoch gelobtes Album zusammengearbeitet haben. Dieses Mal übertraf ihr Projekt sogar ihre eigenen Erwartungen. Kammerpop at it’s best: Zerbrechlich, zurückhaltend, immer aber bärenstark. Pünktlich kommen, denn vorzüglicher Support kommt von der jungen Münchner Indiepop-Chansonnette: Malva. (23.3. Technikum)
Wenn man bei D/troit vor der Bühne steht und sich den rhythmischen Zuckungen des eigenen Körpers hingibt, kann man es fast nicht glauben, dass diese gut gekleideten Herren gar nicht aus jener sagenumwobenen Stadt kommen, auf die sich ihr Name bezieht. Ihr Sound ist nämlich genau jene Melange aus 60s-R’n’B, Funk, Soul und Rock’n’Roll, die in der heruntergekommen Autometropole Detroit immer noch am schönsten zelebriert wurde. Aber D/troit sind tatsächlich Dänen, die aber so klingen, als seien sie schon damals durch die Clubs der Motor City getingelt. Der perfekte Abend also für Leute, deren Plattensammlung Alben von Curtis Harding, Sharon Jones & The Dap Kings, The Bamboos, Alabama Shakes, The Teskey Brothers und Artverwandtem beinhaltet. Auf geht’s zur Tanzstunde! Warm-up-Set: DJ Doo Wop Chris (Chills & Fever). (23.3. Ampere)
Wenn die Damen und Herren vom Radio zum egoFM Fest bitten, steht zumindest schon mal eines fest: Es wird grandios! Das diesjährige Line-Up spiegelt dabei auch perfekt wider, für was der Sender bereits seit 15 Jahren steht: eine außergewöhnliche Musikauswahl, eine besondere Leidenschaft für Popkultur und urbane Trends – in der auch Acts jenseits des Mainstreams Platz finden. Bei der März-Sause gehen etwa Lola Marsh aus Tel Aviv, mit ihrem enthusiastischen Indie-Pop, an den Start. Mit dabei auch das Gitarrenpop-Trio Cassia, das den frischen Wind von der britischen Insel herüber weht. Unschlagbar guten, mithin brutal reflektierenden, zudem deutschsprachigen Post-Punk und New-Wave Sound hat Betterov im Gepäck und Kid Simius & Bonaparte überzeugen mit tropischen Nu-Disco-Klängen. Einfühlsamen Synth-Folk-Pop bringt dann noch der Regensburger Szenelieblinge Telquist zu Gehör, während die Hamburger Brockhoff ihren Indierock von der Bühne semmeln. Nach den Konzerten wird wie immer mit Fancy Footwork noch bis in die Puppen weitergetanzt… (25.3. Muffatwerk All Area)
Es war im Jahr 1980, als Thurston Moore zusammen mit seiner langjährigen Lebensgefährtin Kim Gordon Sonic Youth gründete. Seitdem steht er an der Spitze der alternativen Rockszene, die den Mainstream stets provokant und genial herausforderte. Mit Sonic Youth aber zuletzt auch vermehrt solo hat Moore ganze Indierock-Generationen begeistert. Sein aktuelles Werk „By The Fire“, das im Herbst 2020 erschien, besteht, so O-Ton Moore, überwiegend aus „Liebesliedern in einer Zeit, in der Kreativität unsere Würde ist, unsere Demonstration gegen die Kräfte der Unterdrückung.“ Lust auf Rebellion? Here you listen… (25.3. Strom)
Aufgewachsen auf dem Land und geflüchtet in die Stadt. Fast verloren gegangen, aber wiedergefunden. Lostboi Lino trägt seine Narben als Tattoos auf seiner Haut. Seine Stimme sucht sich zwischen Rap, Indie und Grunge den Weg in die Herzen der Crowd. Dabei erzählt er von sich und spricht doch für viele. Als Scheidungskind auf der Suche nach einem Zuhause, war Musik immer schon der einzige Ort, an dem er sich nicht verloren fühlte. Mit seiner markanten Stimme und seinem dreckig melancholischen Sound singt er Hymnen für eine verlorene Generation… (28.3. Feierwerk Hansa 39)
Wenn es eine Frage gibt, die Tor Maries‘ Schreiben als Billy Nomates mehr als jede andere beeinflusst, dann ist es sicherlich diese: „Welchen Menschen kann ich eine Stimme geben, die ihre selber viel zu selten erheben?“ Ihr zweites Album „CACTI“ nimmt sich dieser Aufgabe en détail an, indem es Menschen mit gebrochenem Herzen, Desillusionierten und den Ausgebrannten mehr Gehör verschafft - mit bissigen Botschaften von den Rändern einer Gesellschaft, die immer mehr in Ungleichheit und Sparmaßnahmen versinkt. Dazu Tor: „There‘s too much music in the world already, so everything I make has to count.” Kompromisslos-aufmüpfiger und immer auch stark gegen den Strich gebürsteter Female-Indierock, der unter die Haut geht. (29.3. Strom)
Als The Answer 2005 erstmals ins Rampenlicht traten, wurde ihre Debüt-Single „Keep Believin’“ gleich mal von der Kritik über den Schellnkönig gelobt und bescherte ihnen bei den Classic-Rock-Awards auf Anhieb die Auszeichnung der „Best New Band“. Ihr ebenso hörenswertes wie erfolgreiches Debüt-Album „Rise“ verkaufte sich daraufhin sehr gut und begeisterte sowohl tendenziell eher skeptisch-mürrische Alt-Rocker als auch bis dato unbescholtene Rock-Teenager mit einer ausgeprägten Vorliebe für kantige Riffs, druckvolle Grooves und stark emotionale Vocals. In den darauf folgenden Jahren festigte das Quartett seinen Ruf als erstaunliche Live-Band sowie als „größte Hoffnung des Rocks“ (Quelle unbekannt), was ihnen u.a. Support-Slots bei den Rolling Stones, Aerosmith und AC/DC bescherte. Support: Black Mirrors. (31.3. Strom)
Autor: Gerald Huber