Musikalische De- und Rekonstruktion: Phillip Dornbusch

Jazz im Februar: Attacke gegen den Alltagsrassismus

Schwebemodus und ungebremste Power: alles ist drin im Jazzmonat Februar

Ein herrlich altmodischer Begriff dient einer hochmodernen Berliner Band als Name: Projektor. Gegründet hat sie der aus Stadthagen bei Hannover stammende und heute in der Hauptstadt lebende Saxofonist Phillip Dornbusch. Mit nur zwei Alben konnte sein Quintett einen rhythmisch- markanten, motivisch-engmaschigen Sound entwickeln, der sich schnell wiedererkennen lässt.

„Es war zuerst nur ein kurzer Gedanke, die Band so zu nennen“, sagt Phillip Dornbusch, als wir ihn in Regensburg beim Jazzweekend treffen. „Aber dann dachte ich mir, dass der Name total Sinn macht – denn einerseits gibt die Band das wieder, was ich mir vorstelle und wirft es als Gesamtbild an die Wand und gleichzeitig habe ich schon früh daran gedacht, gesellschaftspolitische Themen zu beleuchten und diese für das Publikum zu projizieren.“ Auf „ReIconstruct“, der zweiten Projektor-CD befassen sich Phillip Dornbusch und die Seinen mit musikalischer De- und Rekonstruktion, setzen sich aber eben auch mit dem immer mehr um sich greifenden Alltags-Rassismus auseinander. Wenn Dornbusch, der Gitarrist Johannes Mann, der Neuzugang: die estnische Tastenfrau Kirke Karja, der Bassist Roger Kintopf und der Schlagzeuger Philip Dornbusch (er heißt wirklich wie sein Bandleader, trägt allerdings nur ein l im Vornamen) nun am 6.2. in der Unterfahrt gastieren, reiten sie mit musikalischen Mitteln eine Attacke gegen das schleichende gesellschaftliche Gift, stellen aber auch Musik des dritten, bislang noch nicht veröffentlichten Projektor-Albums vor. Worum es auf dem inhaltlich geht? Das soll bis zum Konzert ein Geheimnis bleiben.

Als der norwegische Schlagzeuger Gard Nilssen vor nicht ganz einem Jahr mit seinem Trio Acoustic Unity in der Kulturschranne Dachau auftrat, stockte manchem Anwesenden zeitweise der Atem, weil der Drummer mit dem Saxofonisten André Roligheten und dem schwedischen Bassisten Petter Eldh eine solch intensive, energische, dichte, treibende Musik spielte. Besser und variantenreicher lässt sich ohne Harmonie-Instrument kaum musizieren. Am 10.2. können die drei Nordmänner nun die Unterfahrt zum Beben bringen. Ins Leben gerufen hat der aus Skien stammende und heute in Oslo lebende Gard Nilssen die Formation, um etwas Ausgleich in sein Leben zu bringen. Jahrelang hatte er nämlich mit Bands wie „Puma“ oder der nach einer südafrikanischen Chili-Sauce benannten Truppe „Bushman´s Revenge“ reichlich Radau gemacht. „Um es mal so zu sagen: ich war irgendwie der phonostarken Musik überdrüssig. Mir fehlte in dieser Zeit auch der akustische Aspekt des Jazz“, sagt Gard Nilssen. „Acoustic Unity“ wurde im Laufe der Zeit zu einer so eingeschworenen Einheit, dass Gard Nilssen das Trio zur Keimzelle des mit drei Bassisten, drei Schlagzeugern und elf Bläsern besetzten „Supersonic Orchestra“ machte, das in der Muffathalle 2023 sicher eines der furiosesten Jazzkonzerte des Jahres lieferte.

Zeigt Gard Nilssen mit seinen verschiedenen Projekten eigentlich unterschiedliche Ansätze? „Ich mag es offen und frei zu spielen, hässlich und schmutzig, schnell, langsam und auch mal sehr schön. Was ich spiele variiert immer wieder und kommt in Wellen. Aber egal was ich tue: meine Herangehensweise ist immer ganz ähnlich, nur dass ich andere Ausdrucksmittel nutze und unterschiedliche dynamische Schichten. Ich empfinde die Musik, die ich mache als offenen Ort und als willkommene Möglichkeit, mich mit Kollegen ganz unterschiedlicher Couleur auszutauschen.“

Jazz-Shortcuts:

Im Flight Mode musiziert ein internationales Improvisations-Quartett im Arthur Rubinstein-Saal des Steinway Hauses (1.2.). /// Oben in den Lüften könnten sie diesen Beiden begegnen: Die Saxofonistin Alexandra Lehmler und der Vibrafonist Franck Tortiller musizieren mit ihrem Duo im Schwebezustand (1.2.). Der Pianist Ethan Iverson hingegen sucht das Erdige in seiner Musik (2.2., beide Unterfahrt). /// Griechisches und Weltmusik fließen in den Sound des Nico Theo Quartetts ein (Unterfahrt, 3.2.). /// Ein Quartett um den Pianisten Julius Windisch nimmt den Bandnamen Immerweiter bei „Jazz+“ in der Seidlvilla sehr genau (6.2.). /// Der Wiener Bassklarinettist Ulrich Drechsler präsentiert sich mit zwei Dreiern: am 6.2. mit dem Caramel Trio, am 7.2. mit dem Azure Trio (Nightclub). /// Im Prinze zeigt die Südkoreanerin Youn Sun Nah ihre ganze Stimmkunst (9.2.). /// In der Unterfahrt interpretiert der Schweizer Saxofonist Christoph Grab die Musik von Thelonious Monk (9.2.). /// In der Kulturschranne Dachau stellt sich Gitarrist Andreas Willers vor, wie es wohl gewesen wäre, hätte sich der Avantgardist Derek Bailey die Musik von Eric Clapton vorgenommen (10.2.). /// Im MUG (Einstein) trägt ein Quartett die Forbidden Color auf (10.2.). /// Unterfahrt-Highlights: Microorganisms (15.2.), zweimal Piano: Gentiane MG (16.2.) und Antonio Faraò (17.2.), Orient meets Okzident mit dem Sarah Chaksad Large Ensemble (22.2.), Lockdown-Musik von Joe Hertenstein (26.2.), deutscher Jazz-Nachwuchs mit Saxofonist Jakob Manz (27.2.), Weltklasse mit Mario Rom’s Interzone (28.2.). /// Im Nightclub will die Französin Camille Bertault mit ihrer Stimme und ihrem Wesen becircen – und dürfte damit keine Mühe haben (28.2.). /// Das Trio des Gitarristen Jacob Young lässt den Jazzmonat Februar ausklingen (29.2., Unterfahrt)