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Sportfreunde Stiller: „Wir sind keine Kommunikationsweltmeister“

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Die Band Sportfreunde Stiller
Wieder Freunde: die Sportis © Ingo Pertramer

Sie sind zurück: „Jeder nur ein X“, das lange erwartet neue Album der Sportfreunde Stiller ist vor wenigen Tagen erschienen. Keine Selbstverständlichkeit, wenn man Peter Brugger und Rüdiger „Rüde“ Linhof zuhört.

Herr Brugger, hallo Herr Linhof, Sie haben ja einen Konzertsommer mit ersten Auftritten zum neuen Album hinter sich. Zuvor war ja länger so was wie Pause. War es da eigentlich mehr von „Sport“, von „Freunde“ oder von „Stille“ geprägt, als es mehrer Jahre ruhig um die Band war? Als Sie damals auseinander gingen, hätte man ja fast gedacht, dass da jetzt Schluss wäre.
Rüdiger: Das haben wir auch gedacht. Es war damals für uns alles sehr ungewiss. Ich hatte für mich erst mal diese Entscheidung angenommen, dass es jetzt vorbei ist mit uns. Es war auch wichtig für mich, mich auf den Weg zu machen, um meine eigenen Dinge auszuprobieren. Ich wollte mal schauen, wo eigentlich mein Platz im normalen Leben ist.

Und?
Rüdiger: Kleiner Spoiler: Ich habe keinen Platz.

Peter: (lacht) Echt jetzt?

Die zwischenzeitliche Trennung war damals nicht das Ankommen an einem Punkt, den man insgeheim schon vorher ausgemacht hatte, um dann mal einen Break für ein oder mehrere Jahre einzulegen?
Peter: Wir hatten wir schon vage Termine in unserem Plan für so einen Tag stehen. Aber dann zeigte sich, dass keiner von uns Bock hatte, konkret darüber zu sprechen. Und dann ist die Zeit so ins Land gezogen. Dieses und Jenes passierte. Wir sind eben nicht die Kommunikationsweltmeister. Plötzlich waren wir auseinander und bis auf die eine oder andere Mail in die Runde zwischenzeitlich gar nicht mehr in Kontakt miteinander. Ich war selbst überrascht, wie viel Zeit dann verging.

Und keiner zog die Notbremse?
Peter: Es war eine eigenartige Dynamik – geprägt von Enttäuschung, aber auch von mangelnder Energie. Und von der Sorge, wie ich jetzt überhaupt noch auf die anderen zugehen kann. Es war wohl so wie in einer langen Beziehung, in der plötzlich der Wurm drin ist. Wir kamen einfach nicht mehr zusammen. Obwohl wir wussten, dass wir einander wichtig waren und sind. Aber wir kriegten das damals einfach nicht kommuniziert.

Man dachte immer, bei hoch kreativen Köpfen gehört das Kommunikative mit dazu.
Rüdiger: (lacht) Nicht unbedingt bei uns.

Sie waren ja trotzdem alle offenbar nicht in ein Loch gefallen, was man auch an diversen Projekten sah. Gab es denn Familie und Freude, die Eure Entscheidung damals mitgetragen – oder vielleicht vorher an Sie hingegraben - haben?
Peter: Es gab nichts von außen, was da rein gespielt hätte. Aber jeder von uns war in seinem eigenen Leben schon aufgehoben - mehr oder weniger. Also auch immer mit Höhen und Tiefen. Klar, es gab auch die privaten Krisen, aber eben auch schöne Höhepunkte. Aber wir waren nicht jeder von uns persönlich für sich am Ende.

Rüdiger: Jeder hat halt versucht, sein eigenes Leben zu leben. Nur unsere Leben hat nicht zusammen stattgefunden in dieser Zeit. Ich möchte jetzt aber einfach nach vorne schauen. Man könnte noch lange in diese Zeit reinschauen und all das irgendwie aufarbeiten. Aber am Ende glaube ich, dass dann wieder jeder von uns eine andere Meinung dazu hat. Für mich ist meine persönliche Erfahrung wichtig: Was habe ich gelernt? Wo bin ich reingefallen, wo gegen eine Wand gelaufen? Wie fühlt es sich eigentlich an, wieder so zu starten?

Und?
Rüdiger: Fühlt sich schon gut an. Das sind so Dinge, die ich ja auch von Freunden kenne. Wenn man mutig sein muss und dafür auch mal seinen Job kündigt. Wenn man ins Leere hupft - in der Hoffnung, irgendwie wird man sich schon gut abrollen können. Mein Prinzip lautet: Wenn ich was mache, dann sollte sich das immer ein bisschen wie Abenteuer anfühlen. Das miteinander Arbeiten soll aber auch anfühlen wie in einer Band. Dass man viel Spaß hat und dass man seinen Platz wieder findet in einem anderen Team. Ich habe schon gemerkt: Es ist ganz schön geil, in einer Band zu spielen!

Wie gut fühlt sich die Musik, das Auftreten wieder an: Bereut haben Sie das noch nicht, oder?
Peter: Jetzt ist da prima. Die Entwicklungen, die jeder von uns in den vergangenen Jahren genommen hat, sind enorm wichtiger fürs Gelingen – also für das, was wir jetzt machen. Ich merke stark: Wir gehen anders miteinander um. Wir haben eine andere Offenheit und ein besseres Verständnis füreinander. Das resultiert auch daher, dass wir zwischendurch mal weg und auch die Beziehungen mal kurz gekappt waren. Jeder von uns hat sich selbst angeschaut und für sich überlegt, was eigentlich fehlte – und was aber auch noch lebendig war. Hinzu kam natürlich die Extremsituation der Pandemie. Aktuell Konzerte zu spielen, ist einfach nur ein riesiges Geschenk für alle!

Verständlich und großartig. Und trotzdem geht es ja vielen Bands alles andere als gut mit der Lage.
Peter: Na klar. Das überhaupt Konzerte stattfinden, saugt aber doch jeder total auf. Man hat einfach gemerkt, was so lange gefehlt hatte – zusammenzustehen und sich den Kopf zwei Stunden lang freiblasen zu lassen. Unbeschreiblich!

Jetzt kommt nach längerer Ankündigung und Vorab-Spannung endlich auch das neue Album heraus. Los ging’s ja schon vor einigen Monaten mit einer extrem witzigen, prominent besetzten Teaser-Kampagne. Im Internet sah man viele Mini-Clips mit Weggefährten, anderen Bands und Freunden bis hin zu Oberbürgermeister Dieter Reiter. Wie gut hat das getan?
Rüdiger: Wir mussten selbst immer wieder schmunzeln. Sehr schön zu sehen, mit wie vielen Leuten wir schon über die lange Zeit hinweg zusammengetroffen sind. Es ist auch superwichtig, dass diese Leute uns auch immer wieder mal hochnehmen. Wir blicken in Liebe aufeinander, aber eben auch kritisch. Und immer mit Humor.

Peter: Aber Watschn haben wir uns schon auch abgeholt.

Rüdiger: Das ist auch richtig so. Du musst einstecken können, wenn du auf eine Bühne gehst. Wir teilen ja auch aus.

Humor zieht sich natürlich – und zum Glück – auch durchs ganze neue Album. Doch welche Art von Humor passt eigentlich in solche Zeiten?
Rüdiger: Die Lieder sind in den letzten zwei Jahren entstanden. Alles was passierte und passiert, hatte natürlich Einfluss auf uns. Humor ist uns wichtig. Aber seit jeher kommt es uns genauso auf die tiefere Betrachtung der Themen an. Ich denke, das ist uns dieses Mal gut gelungen ist, die beiden Stränge zu verknüpfen und die Gewichte gut auszutarieren. Ohne dass es zu blöd wird in die humoristische Richtung. Oder zu schwer.

Peter: Was ich total schätze an den Liedern und an der Platte, ist die Atmosphäre, die in ihr durchscheint. Es ist eine Atmosphäre von Leichtigkeit, die in einem starken Gegensatz zu dem steht, was da draußen gerade Fürchterliches abgeht.

Wahrscheinlich war ja das Zustandekommen auch nicht unbedingt von Leichtigkeit geprägt. Wie ging es da überhaupt, sozusagen noch das Beste aus einer bitteren Situation zu machen?
Rüdiger: Die Welt hat schon seit ich denken kann, einen riesigen Anteil an Scheiße. Und das hat sich in den letzten fünf Jahren nicht geändert. Die Ukraine wurde ja schon 2014 überfallen. Pandemie, Hunger, Krisen und Kriege - all das gab es leider immer. Die schlechten Ereignisse scheinen uns durch Social Media allerdings näher auf den Pelz zu rücken. Wir müssen mit Veränderungen heute wie schon immer klarkommen, Entscheidungen fällen und nicht nur zusehen, wie Dinge passieren. Wir hatten es trotzdem soweit gut bei der Arbeit am Album. Wir konnten uns in einer Hütte im Bayerischen Wald treffen. Und wir konnten dort die gesamte Zeit über laut miteinander spielen.

Klingt fast nach Party.
Rüdiger: Es galt aber als Arbeit. Aber das Schöne bei uns ist ja: Es funktioniert nicht bei uns, wenn es Arbeit ist. Wir brauchen halt eine gute Art, einander zuzuhören, miteinander Gas zu geben und einfach eine gute Stimmung. Dazu gehört, was wir uns über die Welt unterhalten. Über das Leben. Und über das, was man sich wünscht. Wie es draußen aussieht, und wie man es gerne anders hätte. Daraus entsteht bei uns Tiefe – und so auch Lieder wie „Wächter“.

Einer der stärksten neuen Songs.
Rüdiger: Danke. Es geht um einen Freund – und wie wichtig es ist, auch in größter Not, eine Position zu finden und für jemanden da zu sein. Es gibt dann aber auch Songs wie „Ibrahimovic“. Ein lustiges Lied über Angst.

Und dann die Vorab-Single „I’m alright“. Ziemlich kraftvoll. Vermutlich sehr programmatisch – machte ja schnell Lust auf mehr.
Peter: Wir sind schon gerne mal nachdenklich, wenn man nur sieht, was so passiert und was passiert ist. Auch mit uns. Es ist aber doch wichtig, dass man sich gute Momente kredenzt. Feiern muss sein – auch sogar, um wieder neue Energie zu sammeln.

Jetzt dann sogar auch mit Bläsern, die kräftig antreiben.
Peter: Bitte! Wir brauchen gute Laune.

Rüdiger: Unbedingt. Man macht nichts besser, wenn man den Kopf einzieht. Wir müssen empathisch sein. Und wir müssen mitdenken, wie wir eine Gesellschaft wieder so auf die Beine stellen, dass sie fairer und gerechter ist. Es gibt den Klimawandel, und es gibt dieses diesen verdammten Überfall auf die Ukraine. Mit Vielem müssen wir klarkommen, Lösungen suchen und ein neues Denken lernen. Aber das schaffen wir nicht, indem wir einfach nur sagen: Die Welt ist Mist. Wir müssen einen Anfang machen und nicht nur sagen: Pech. Ich fühle mich fertig. Und es ist alles sinnlos.

Letzte Frage: Wie sehr hilft den der Freundschaftsgedanke aus dem Bandnamen konkret. Oder ist zu befürchten, dass es nach den Touren, nach dem neuen Album schon bald alles bei Ihnen auf wackeligen Beinen steht und es wieder raucht?
Peter: Im Moment spüre ich die enorme Kraft stark. Wir müssen alles ausprobieren. Und beim Einfach-mal-Machen müssen wir feststellen, ob wir wieder in alte Fallen tappen. Wir sind nicht drei Typen – vier, wenn wir unserem Manager Marc Liebscher dazunehmen -, die alles im Detail besprechen und aufarbeiten können. Wir sind jetzt vorsichtiger. Und wir schauen aufeinander!

Interview: Rupert Sommer

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