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Musiker Moritz Stahl: „Reise durch Chaos und Ordnung“

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Mit einem Dreamteam in die Unterfahrt: Moritz Stahl
Mit einem Dreamteam in die Unterfahrt: Moritz Stahl © Georg Stirnweiß

Mit Ark Noir liefert Saxophonist Moritz Stahl den Score zu bewegten Zeiten. Eine Woche lang zaubert er nun in der Unterfahrt. Worauf man sich freuen darf…

Herr Stahl, großes Kompliment für das neue Album „See You on the Other Side“, mit dem man wieder tief in eigentlich unbeschreibliche Klangwelten eintauchen kann. Trotzdem: Beschreiben Sie doch mal, was sehen Sie denn möglicherweise „auf der anderen Seite“?
Vielen Dank! Das Album ist während der Pandemie und den Lockdowns entstanden. Aktuell leben wir ja in einer sehr bewegten Zeit. Das Album ist unser Versuch eines Kommentars der Jetztzeit, eine Reise durch Chaos und Ordnung und auf der Suche nach einem Ausweg. Man sagt uns nach, dass unsere Musik düster und apokalyptisch klingt, doch natürlich sind wir auch hoffnungsvoll. Das Album soll den Hörer auch durch diese Zeit begleiten. Wir werden sehen was uns erwartet!

Wie kam es denn zum Titel, wie entwickelten Sie und Ihre Band-Kollegen Ideen und Konzepte für solche Klang-Wanderungen?
„See You on the Other Side“ ist die Fortsetzung von unserem Debütalbum „Tunnel Visions“, benannt nach unserer gleichnamigen Festival-Reihe - also das, was nach dem Tunnel kommt.

Wer Künstler ist, brauchte nicht nur in den letzten zwei Jahren, aber da vermutlich besonders, gute Nerven. Wie gut ist es Ihnen und der Band eigentlich gelungen, unter nicht immer leichten Bedingungen weiterzuarbeiten und die Kreativität nicht vom Stress killen zu lassen?
Natürlich war auch für uns die Pandemie nicht leicht. Ich weiß noch, dass wir gerade auf Tour waren, als sich das ganze entwickelt hat und wir gemeinsam fassungslos am Tisch saßen, als immer mehr Absagen im Postfach landeten und wir direkt in den Lockdown zurückgereist sind. Wir haben die Pandemie aber auch genutzt, um unser Album fertigzustellen und ein Live-Video Recording („Halle 3 Sessions“) aufwendig mit Bühnenbild zu produzieren, welches wir gerade nach und nach veröffentlichen.

Wie läuft das bei Ark Noir eigentlich ganz praktisch: Wie finden Sie sich zusammen, wie lassen Sie neue Stücke entstehen?
Wir probieren gerne verschiedene Konzepte aus. Es gibt Kompositionen, die durch das gemeinsame Improvisieren entstehen. Oft entstehen dabei (vielleicht auch zufällig) durch unsere ganzen Effekte und elektronischen Geräte neue interessante Klänge. Wir nehmen grundsätzlich alles auf, um danach eventuell Sachen aufzugreifen und auszuarbeiten. Es gibt aber auch Stücke die im Vorfeld komponiert werden und in einer „DAW“ produziert werden und relativ klar vorgeben, wie sich der Komponist das Stück vorstellt. Danach gibt es natürlich einen Spielraum für Veränderung.

Sie sind ja alle vielbeschäftigte Musiker und stecken auch in anderen Projekten. Wie sehr kann aber trotzdem eine Art Band-Familie Halt geben?
Es ist immer schön, wenn wir zusammenkommen und spielen - vor allem auch wenn wir auf Tour sind. Die Band gibt es mittlerweile schon fast sieben Jahre. Und über die Zeit ist die Freundschaft natürlich immer gewachsen.

Ark Noir wird ja auch beim Enja Records-Jubiläumsfest am 28. September in der Muffathalle dabei sein. Wie wichtig ist es, gerade in angespannten Zeiten Unterstützung durch so eine Label-Heimat zu haben?
Wir freuen uns riesig durch unser Label die Möglichkeit haben, am 28. September im Muffatwerk zu spielen. Vor allem in so toller Gesellschaft mit Salomea und LBT. Es ist aber auch wichtig zu erwähnen, dass man in der Musikbranche heutzutage auch stark auf sich allein gestellt ist, da die Independent Labels auch durch das Streaming weniger Geld zur Verfügung haben. Ist man bei einem Major Label, sieht das natürlich anders aus.

Wie sind eigentlich die Rollenverteilungen in der Band – offiziell wie augenzwinkernd?
Offiziell gelten wir natürlich als Kollektiv, das bedeutet wir sind alle gleich verantwortlich für die Band. Wobei das in der Realität natürlich oft anders aussieht. Da sich in unserem Privatleben aber unterschiedliche Dinge entwickeln, wird unser Bassist Robin in Zukunft viel Verantwortung für die Band übernehmen.

Was muss man sich eigentlich darunter vorstellen, wenn ein Musiker wie Sie „Artist in Residence“ im Jazzclub Unterfahrt ist?
Ich habe die tolle Gelegenheit, in dieser Woche ein neues Projekt von mir vorzustellen. Ich präsentiere dort ein neues Quintett, für das ich in den letzten Wochen neue Musik geschrieben habe. Mit dabei sind der Kölner Schlagzeuger Leif Berger, der Berliner Pianist Julius Windisch, der in Leipzig lebende Bassist Lorenz Heigenhuber, und der Gitarrist Philipp Schiepek, mit dem mich schon eine lange musikalische Freundschaft verbindet.

Auf welche Projekte und Kooperationen vor Ort freuen Sie sich besonders?
Ich bin sehr gespannt darauf, wie die Band sich in den Tagen entwickelt und zusammenspielt. Da der Großteil der Musik improvisiert ist, erwartet das Publikum jeden Abend ein neues Erlebnis.

Was macht ein Unterfahrt-Gast-Resident eigentlich unter Tags, wo führen Sie Ihre München-Wege als erstes hin?
Erstmal ausschlafen natürlich. Ansonsten, denke ich, werde ich meinen Nicht-Münchner Kollegen meine Favorites unter den Haidhauser Restaurants zeigen.

Interview: Rupert Sommer

Ark-Noir-Bandmitglied Moritz Stahl wurde zuletzt mit dem BMW Young Artist Jazz Award ausgezeichnet, der in Zusammenarbeit mit der Stadt München verliehen wird. In der Jurybegründung heißt es: „Mit seinen 30 Jahren gehört der in Augsburg geborene Tenorsaxofonist Moritz Stahl fast schon zu den Etablierten im deutschen Jazz, in jedem Fall ist er bereits ein Fixstern der Münchner Szene“. Von 6. bis 10. September bestreitet Stahl seine Summerweek Residency im Jazzclub Unterfahrt. Und am 28. September wird Ark Noir – aktuelles Album „See You on the Other Side“ bei Enja und Yellowbird - Teil des Line-Ups zum 50. Geburtstag ihres Labels Enja sein. Alle Infos dazu gibt’s hier.

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