IN-München-Review: So wars ... bei Jungstötter

Mein Herz so schwer: Der Indie-Chanson-Sänger Jungstötter konnte bei einer fast intimen Show im Ampere sein Publikum begeistern
Sehr verhalten seine Bühnenpräsenz, sehr opulent sein musikalischer Ausdruck: Es dauerte ein bisschen, bis sich die rund 100 Zuschauenden im Ampere an die wogenden Bewegungen von Fabian Altstötter, der sich seit seinem Solo-Debüt nach einer kurzen Karriere mit der Deutschpopband Sizarr nun Jungstötter nennt, gewöhnt haben. Fabian fasst sich ans Herz, seine Bassbariton-Stimme intoniert Texte, leider live etwas zu unverständlich und mittig gemischt, die oft von Einsamkeit und essentiellen Fragen nach Zeit, Raum und Ort geprägt sind. Sein aktuelles Album „One Star“ unterscheidet sich in seiner produktionstechnischen Freiheit maßgeblich von dem Vorgänger „Love Is“ – waren auf dem Debüt Songs zu hören, die an Scott Walker, Nick Cave und Jacques Brel erinnerten und das Instrumentarium auch dementsprechend arrangiert war, erinnert das neue Werk vor allem an die einstige Avantgarde von David Sylvian oder Mark Hollis mit neueren Zugeständnissen an James Blake.
Die beiden erstgenannten Vertreter des Art Songs schöpften aus ihrer Popularität als Sänger von Japan und Talk Talk – leider kann der weitgehend musikalisch in dieser Liga angesiedelte Jungstötter nicht von solchen Vorschusslorbeeren profitieren, was auch die zu Unrecht schwachen Besucherzahlen trotz zurecht formidabler Kritiken und den bereits erwähnten und augenscheinlichen Vergleichen zeigen. Was muss ein genialer, international aufgestellter, aber leider im deutschsprachigen Raum angesiedelter Sänger/Songwriter (m/w/d) heutzutage noch liefern, dass er davon leben kann?
Fabian aka Jungstötter im Verbund mit seinen großartigen Musikern, wie Sebastian Eppner (key, git), Philipp Hülsenbeck (Sopransax, git, samples), Johannes Weber (Kontrabass) und Manuel Chittka (dr), hätte den großen Auftritt in den Kammerspielen verdient – hier wurde bei Songs wie „Know“ und „Air“ toll arrangierter Art Rock im besten Sinne des Wortes geboten – Hooks und Refrains waren natürlich nebensächlich bzw. rar gesät. Obwohl immer noch präzise Dynamik für Spannung sorgte bei Songs wie „Ribbons“ oder „Burdens“ vom neuen Album, konnten gerade die Zugaben „In Too Deep“ und das wirklich fantastische „Systems“ vom Vorgänger „Love Is“ auf ganzer Linie überzeugen.
Das Finale mit Percussion-Einlage auf kleinen Tempelbecken vom Sänger selbst, passend dazu das esoterisch angehauchte links und rechts drapierte Bühnendesign mit bunten Satin-Gewebetüchern, das auch den Eingangsbereich des Tollwood Festivals zieren könnte, wäre das diesjährige Thema nicht Wasser, ließ die Zuhörerschaft ein bisschen ratlos zurück. Es erinnerte ein wenig an damals, als David Sylvian seiner Band Japan den Rücken kehrte, mit Ingrid Chavez einen ganz neuen Weg via Indien nach Napa Valley einschlug. Dass der ebenfalls mittlerweile langmähnige Fabian Altstötter aka Jungstötter mit seiner Partnerin Anja Plaschg (Soap&Skin) nun nach einem Umzug von Berlin nach Wien ähnliche Pfade beschreitet, ist zumindest hörbar. Next Stopp: Goa?
Autor: Rainer Germann