IN-München-Review: So wars ... bei Billy Nomates

Dancing barefoot: Billy Nomates tanzt sich in Rage beim Halbplaybackkonzert im Strom.
Dass die von dem kleinen Club Milla in das fast ausverkaufte Strom hochgebuchte und allerorts bejubelte britische Künstlerin dann doch ein bisschen enttäuschte, lag vor allem daran, wie die frühere Spoken-Word-Performerin Tor Maries, die seit ein paar Jahren unter dem Namen Billy Nomates singt, spielt und produziert, auftrat: Trotz mitreißender Tanzeinlangen bot das Energiebündel leider nur eine Halbplaybackshow, die trotz herausragender Qualität der Songs auf Platte live wenig Neues hinzuzufügen hatte.
Die so gebotene One-Woman-Show wäre auch den Verhältnissen der „Live Music and Brexit“-Misere geschuldet (Kosten, Kosten, Kosten, Steuer etc.), meint der englische Soundmann am Pult, der die Setlist auf einem Tablet mit gewissen Angaben zu Bass, Bassdrum, Delays, Vocals etc. abliest, das Playback abruft und etwas nachjustiert. Billy Nomates würde auch in UK so auftreten, fügt er hinzu. Die Kosten für eine Band wären einfach zu hoch, obwohl er auch zustimmen musste, dass drei versierte Musiker plus der Chefin wohl reichen würden.
Billy Nomates aka Tor Maries ist im Pop mit ihren 32 Jahren nicht gerade eine Newcomerin, konnte aber mit einem ziemlich sensationellen Debüt, auch was Songwriting und Produktion betrifft, bereits vor drei Jahren die Indie/Postpunk meets R&B-Gemeinde überzeugen. Mit ihrem aktuellen, nochmal etwas deutlicher Richtung Mainstream produzierten aber vor allem songtechnisch gelungenen Album „CACTI“ bestreitet sie aktuell überwiegend ihre Liveperformance, die sich bis auf Gesang und Tanz hauptsächlich auf ein Crash-Becken im Mittelteil und ein bisschen Akustikgitarre anfangs beschränkt. Der Rest kommt vom Laptop/Band, klingt natürlich richtig gut, bietet aber wie gesagt keinen in irgendeiner Weise variierten Unterschied zu den Albumtracks.
Tor/Billy ist stimmlich voll auf der Höhe, auch wenn sich, bis auf live eingeworfene Statements (selten), das Meiste wie eine perfekte Reproduktion ihrer Studioaufnahmen anhört. Seien es Highlights wie „Same Gun“ oder „Balance Is Gone“ vom neuen Album oder ein paar Songs ihrer im vorletzten Jahr erschienen EP „Emergency Telephone“ – der Gesang klingt exakt wie auf Platte/Aufnahme. Dass die Liveperformance von der Studioaufnahme ein bisschen abweicht, dass Musiker*innen das statische Gerüst eines Arrangements ausreizen, vielleicht sogar erweitern, interpretieren? Nicht bei Billy.
Die Show hat vielen Fans trotzdem Spaß gemacht, aber längst nicht das Potential dieser Künstlerin, Sängerin und Produzentin ausgeschöpft. Fuck Brexit, schon klar, dass das alles viel Geld kostet. Allerdings sieht man Halbplaybackshows, auch aus UK, dann doch eher selten. Also – streamen und Platten kaufen was das Zeug hält, damit sich Billy für die nächste Tour ne Band leisten kann.
Rainer Germann