IN-München-Review: So wars ... bei Arctic Monkeys

So You Want to Be A Rock’n’Roll Star: Die Arctic Monkeys beweisen im ausverkauften Zenith, warum nicht nur Mädchen durchdrehen
Zum Glück klingt er nicht wie der Vater, sagt noch ein Bekannter an der Bar – und fürwahr, Elijah Hewson, Sohn von Paul David Hewson, genannt Bono, beweist, dass er mit seiner Band Inhaler stimmlich und musikalisch auf eigenen Beinen stehen kann – auch wenn’s manchmal doch an die frühen U2 erinnert. Macht gar nichts, siehe The Murder Capital - griffiger, melodischer Britrock im Stil der Nullerjahre wird hier geboten, vom Publikum gefeiert, würde die attraktive, junge Band auf jedem Festival mit Songs wie „Love Will Get You There“ oder „Cheer Up Baby“ zünden und auch als Tour-Support der Arctic Monkeys liefern die Dubliner eine gelungene Show ab.
Tinnitus galore, als Alex Turner die ersten Zeilen „How am I supposed to manage my infallible beliefs?“ von „Sculptures Of Anything Goes“ ins bestens abgemischte Retro-Mikro nuschelt – und doch müssen für den Sänger, der mit seinem salopp sitzendem dunklen Maßanzug, zerknittertem weißen Hemd und Sonnenbrille aussieht, als würde er gerade direkt aus dem Chateau Marmont nach durchzechter Nacht ins morgendliche Sonnenlicht des Sunset Boulevard statt in die Scheinwerfer einer Industriehalle im Norden Münchens blinzeln, die kreischenden Fans eher wie eine warme Dusche sein, so wie er mit erhobenen Händen und Messias-Pose in ihrer Zuneigung badet. Obwohl, zuletzt führte die Tour zum aktuellen Album „The Cars“ via Australien nach Asien – schon vorstellbar, dass in Osaka, Singapur oder Bangkok noch lauter geduscht wurde. Wie aus ein paar blassen Jungs aus dem nordenglischen Sheffield via Kalifornien eine der größten Rockbands weltweit wurde, kann man getrost als Rock’n’Roll-Märchen bezeichnen. Dass dazu mehr gehört als ein paar gute Songs und ein hübsches Lächeln, beweist dieser Abend. Stichwort: Charisma.
Passend dazu das Barry White-Intro „I’m Gonna Love You Just A Little More Baby“ – mehr Sex geht eigentlich nicht, aber die Arctic Monkeys sind hier nicht angetreten, um den Sheffield Pub Crawl ihres Debütalbums „Whatever People Say I Am, That’s What I Am Not“ von 2006 zu wiederholen. 19 Jahre jung waren Alex Turner, Jamie Cook, Matt Helders und Nick O’Malley damals und nicht weniger als eine Sensation auf der Insel, da sie über einen Social Media Hype (mySpace!) unglaubliche Plattenverkäufe erreichten. Bei ihrem ersten München-Konzert in den legendären Elser-Hallen erinnerten sie den Autor vor allem an The Who – unbequem mischten sich zickige Breaks mit urbritischen Harmonien, die Dynamik erinnerte an „Live In Leeds“, zurecht eines der besten Livealben aller Zeiten. Und bereits beim zweiten Song „Brianstorm“ vom Nachfolger „Favourite Worst Nightmare“ (2007) ist im ausverkauften Zenith die alte Magie wieder da, um danach mit „Snap Out Of It“ einen ersten Klimax zu erreichen – zumindest was das Kreischen in den überwiegend weiblich besetzten ersten Reihen angeht. Es sind vor allem Songs wie „Do I Wanna Know?“, das famos dargebrachte „Arabella“ und das stampfende „Why‘d You Only Call Me When You‚re High?“ des globalen Durchbruchsalbum „AM“ von 2013, die das wirklich bunt gemischte und bestens gelaunte Publikum total abfeiert. Die auf Platte stark komprimierten R&B-Sounds des Stamm-Produzenten James Ford zünden auch live und lassen den meist grausig verhallten Raumklang dieser Werkshalle vergessen – dass die Band auf einem Lautstärke-Level von, sagen wir Mal, Mötley Crüe fährt, ist in diesem Fall ebenfalls dienlich.
Wer hier bereits lautstark eine großartige Rockband feiert, die oft mehr mit Zappa als Metallica zu tun und definitiv mehr Blur als Oasis gehört hat, liegt schon mal richtig. Aber es sind neben dem schönen Cover „I Wanna Be Yours“ von John Cooper Clarke die Songs der letzten beiden Alben „Tranquility Base Hotel & Casino“ und „The Cars“ mit denen Alex Turner und seine mit zwei Gastmusikern verstärkte Band dem Publikum den Rest geben: das an Brian Wilson gemahnende „Perfect Sense“; „Body Paint“, die schönste Bowie-Ballade, die dieser nie geschrieben hat, und natürlich eine großartige Version von „There’d Better Be A Mirrorball“ – ganz großes Kino, zu dem sich natürlich eine riesige Discokugel dreht und für einen Moment die hässlichste Halle der Stadt vergessen lässt. Zum Schluss noch der Abriss mit der Debütsingle „I Bet You Look Good On The Dancefloor“ und dem als Rausschmeißer perfekt geeigneten „R U Mine“. „I just wanted to be one of The Strokes“, croont Turner zuvor in „Star Treatment“ – zu seinem und unserem Glück ist nichts daraus geworden.
Autor: Rainer Germann