IN-München-Review: So wars ... bei Angela Aux II

„Die Theorie der Existenz ist auserzählt“: Angela Aux II in den gut besuchten Kammerspielen mit seinem hörenswerten Abgesang auf die Menschheit, wie wir sie kannten…
„I can’t believe I’m human and I don’t wanna die.“ Es sind genau solche Sätze, wie dieser aus „Almost Human After All“, die die Ambivalenz des - in diesem Fall - Konzeptkünstlers Florian Kreier aka Angela Aux II deutlich machen. Da ist zum einen die Ungläubigkeit darüber, selbst ein menschliches Wesen und somit Angehöriger dieser in großen Teilen unglaublich ignoranten, verantwortungslosen und schlimmstenfalls verkommenen und verblödeten Spezies zu sein. Zu groß die Abscheu vor diesem Parasiten, der die Welt befallen hat, dem er sich aber letztlich doch irgendwie zugehörig fühlen muss. Trotzdem aber liebt da jemand sein Leben doch so sehr, dass er auf gar keinen Fall eines, nämlich sterben will. Geradezu paradox erscheint - wie so manch anderem mittlerweile - eben auch Flo Kreier eine Menschheit, die sich ihrer eigenen Lebensgrundlage beraubt, und eine Welt zerstört, in der am Ende nur noch künstliche Intelligenz in Form von Humanoiden oder Replikanten überlebensfähig ist.
Angela Aux II hat sich mit „Introduction To The Future Self“ viel vorgenommen und live macht er es nicht unter einer „transmediale Erzählung“, die sich aus wunderschöner Livemusik (aus dem dazugehörigen Album „Instinctive Travel On The Paths Of Space And Time“), einer eindringlichen Erzählstimme aus dem Off, die aus Kreiers Buch vorliest und einer fantastischen Filmanimation von Kreiers Lebensgefährtin Su Steinmassl zusammensetzt. Darin, wie eben schon angedeutet, werden die ganz großen Themen verhandelt: „Wer oder was sind wir? Und müssen wir den Planeten bald verlassen?“ Es geht um Super-Intelligenzen, synthetische Parallel-Universen und den Alltag neuartiger Wesen zwischen Humanoiden, Technologie und Bewusstsein. Und ja, es ist komplex. Denn Angela Aux II navigiert uns durch ein dichtes Geflecht von Erzählsträngen, in denen unsere Zukunft entschieden wird. Oder sind es nicht eher Zukünfte? Die Inszenierung ist ein dystopisches Multimedia-Spektakel, changierend zwischen Abgesang auf alles, was wir kennen, bis hin zu hoffnungsvollen Visionen, in der Bilder, Texte, Sound und Kostüme zu einem Stück besonders wertvoller Popkultur verschmelzen.
Doch kommen wir zum musikalischen Teil des Abends. Dieser war für die ca. 350 Anwesenden ein Glücksfall. Kein Wunder, denn Flo Kreier bewegt sich mit seinem Mix aus Folk und Pop unterstützt von sanfter Electronica irgendwo zwischen dem Genie eines Paul McCartney und dem Wahnsinn eines Brian Wilson. Und nein, kleiner hab ich es jetzt dann ausnahmsweise auch nicht, denn Flo Kreier gehört zu den wenigen Pop-Komponisten dieser Welt, die meines Wissens (und nach meiner Empfindung selbstverständlich) noch nie einen einzigen schlechten oder überflüssigen oder belanglosen Song abgeliefert hätten. Da ich eigentlich ganz gut mit seinem Gesamtwerk vertraut bin, lehne ich mich jetzt mal soweit aus dem Fenster, egal… Los ging’s auf alle Fälle mit Neil Youngs „There’s A World“ als Intro. Sehr passend, denn der hat vor knapp 51 Jahren schon ähnliche Thesen vertreten, wie sie Flo Kreier jetzt, mit etwas mehr Know How wohlgemerkt und am Puls der Zeit, neu reflektiert. Es folgten nach den ersten, von der Off-Stimme vorgetragenen, etwa zehn Kapiteln, mit „Anywhere To Nowhere“, „Missing Link“ und „Almost Human After All“, drei himmlisch schöne Folkminiaturen, bei denen sich Angela Aux II nur selber mit der akustischen Gitarre begleitete und von zwei engelsgleichen weiblichen Stimmen (ebenfalls aus dem Off, aber live gesungen) unterstützt wurde.
Nach weiteren ca. fünf Kapiteln betraten dann Kreiers Begleiterinnen Henny Herz und Lisa Nicklisch (u.a. Madsen) sowie Schlagzeuger Matze Proellochs die Bühne, sie alle waren hübsch kostümiert, genauso Flo Kreier, der dem Publikum mit seinem aufwändigen Alien-Outfit entgegen funkelte. Dann stimmte man den epochalen Geniestreich „Yesterday“ an, gefolgt von den nicht minder brillanten „Pearly Gates“ und „Take Us Home“. Es folgten die letzten Kapitel des Science-Fiction-Romans, die Leinwand verschwand gen Theaterdecke und hervor trat die gesamte Angela Aux II-Combo, diesmal obenrum unmaskiert und somit als humane Wesen deutlicher erkennbar. Nach weiteren vier Songs des neuen Album war es dann auch schon wieder viel zu schnell vorbei. Und verwundert blickte man dann doch verschämt auf die Uhr, aber, alles fein, das ganze Programm dauerte etwa 1,5 Stunden, war aber eben nur so faszinierend und kurzweilig, dass es einem viel zu schnell verging. Zwei Sachen noch, nicht, dass es groß gestört hätte, aber Flo Kreier war tonal bei zwei maximal vielleicht drei Songs nicht in der Form, wie wir es von seinen Aufnahmen her kennen. Kommt vor, ist ja schließlich auch live, Tagesform, Hörsituation, Adrenalin etc.pp.
Was aber immer etwas komisch anmutet, ist die Tatsache, dass Kreier offensichtlich keinen Applaus mag, während des Konzerts, weswegen das Auditorium darum gebeten wird vom Klatschen bitte abzusehen und dafür lieber sachte zu pfeifen. Flo Kreier ist von Haus aus ein introvertierter, bescheidener Mensch, und Beifall, herbeigeführt durch tumbes Klatschen ist ja geradezu profan, manchmal sogar geradezu obszön, je nach dem wem er gespendet wird… Davon will sich Kreier womöglich distanzieren, nur, seine Fans verunsichert das, denn am liebsten möchte man lauthals juchzen und vor Glück johlen, und sich die Hände taub klatschen, aufgrund der dargebotenen großen Kunst von Angela Aux II. Zumindest am Ende lud Flo Kreier aber dann doch noch alle ein den „größten Applaus eures Lebens“ zu spenden, nicht für ihn, sondern für alle die lieben Menschen, die ihm geholfen haben dieses Meisterwerk auf die Bühne zu bringen.
Autor: Gerald Huber