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„Roter Himmel“ von Christian Petzold

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Roter Himmel mit Paula Beer, Thomas Schubert
Roter Himmel mit Paula Beer, Thomas Schubert © Christian Schulz, Schramm Film

Roter Himmel von Christian Petzold erzählt von vier jungen Menschen, die versuchen, der Welt eigene Wege und Erfüllung abzutrotzen

„Irgendwas stimmt nicht“. Der erste Satz in Christian Petzolds „Roter Himmel“ gibt den Ton vor. Kurz darauf bleibt das Auto von Leon (Thomas Schubert) und Felix (Langston Uibel) liegen. Zu Fuß setzen die beiden ihren Weg zum idyllisch an der Ostsee gelegenen Ferienhaus von Felix’ Eltern fort.

Ein Arbeitsurlaub: Leon will an seinem zweiten Roman weiterschreiben, Felix seine Bewerbungsmappe für die Kunsthochschule fertigstellen. So weit der Plan. Doch kaum in der Unterkunft angekommen, stellt sich heraus, dass sie nicht alleine sind. Die unaufgeräumte Küche zeugt von einem weiteren Gast. Später kommen noch die Geräusche von nächtlichem Sex hinzu. Der Störenfried entpuppt sich als junge Frau. Nadja (Paula Beer) heißt sie, ihr (Bett- )Partner Devid (Enno Trebs), ein muskulöser Rettungsschwimmer. Eifersüchtig, misstrauisch, beäugt Leon die beiden.

Eine Konstellation wie aus einem der luftigleichten (Sommer-)Filme von Éric Rohmer. Der Anfang einer Ménage-à-trois. Ein Bäumchen-wechsel-dich-Spiel. Drei haben Spaß – im Wasser, beim Essen und Trinken, zwischen den Laken. Der Vierte, Leon, der Autor mit Schreibblockade, bockt wie ein kleines Kind, zieht sich schmollend in die Laube zurück, verbreitet schlechte Laune. Während es in den Wäldern ringsum lichterloh brennt ...

Ein Wachtraum, der in einen Albtraum mündet, ein tragikomisches, kluges Beziehungsstück mit – für den Regisseur eher ungewohnt – schreiend witzigen Momenten. Der Vertreter der sogenannten „Berliner Schule“ setzt seine mit „Undine“ begonnene Elemente-Trilogie fort. Seine Muse Beer („Transit“) glänzt als Eisverkäuferin Nadja – „ist sie Russin?“ ätzt Leon –, die sich als Literaturstudentin erweist. Heinrich Heines Gedicht „Der Asra“ trägt sie vor. Zur Freude von Leons angereistem Verleger Helmut (souverän: Matthias Brandt).

Ein Drama um junge Leute, die ihren Platz im Leben suchen. Nadja flirtet. Felix fotografiert, Porträts, gerne mit dem Meer im Hintergrund. Leon ringt mit den Worten. Beklagt sich, dass er bei der Überarbeitung seines Manuskripts laufend gestört wird. Doch kaum alleine, hat er nichts Besseres zu tun, als minutenlang einen Tennisball gegen die Wand zu werfen. Gnadenlos zerpflückt Helmut seinen grandios misslungenen Text. Schwebende, schier endlose, aus der Welt gefallene Stunden. So wie ein Funke genügt, um die ausgetrockneten Bäume um sie herum zu entflammen, so geschieht es dem Quartett mit seinen Gefühlen und Hoffnungen – und vor allem der Liebe.

Passend erklingt immer wieder „In My Mind“ der Wiener Indie-Pop-Geschwister Wallners: „ Love’s gonna make us, gonna make us blind ...“. Es geht um Spannungen und Eifersucht, Sehnsucht und Glück. Perfekt fängt Kameramann Hans Fromm die Stimmung ein, stimmig-schlicht ist das Szenenbild von K.D. Gruber, unaufdringlich Bettina Böhlers-Montage. Eine kaum merkliche Ahnung von Gefahr liegt unter der Unbeschwertheit dieser Ferientage, nach denen nichts mehr so sein wird, wie es war. Es könnte ein Anfang sein – oder ein Ende. Zu Recht wurde Petzold auf der Berlinale mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet. (Ab 20.4.)

Autor: Gebhard Hölzl

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