Die Kinostarts vom 23.03.: Broker, John Wick 4, Tagebuch einer Pariser Affäre u.v.m.

Feelgood aus Fernost, Französische Sex-Komödien und altgedientes amerikanisches Prügelkino - Der Frühling beginnt mit einem bunten Strauß sehenswerter Filme.
Das Herz am rechten Fleck. Sollten die reichen Paare haben, denen Sang-hyun und Dong-soo verlassene Babys verkaufen. 1000-mal besser als eine Kindheit im Waisenhaus. Die junge Mutter So-young, die ihr Neugeborenes vor einer Babyklappe aussetzt, kommt zurück und will bei der Suche nach würdigen Adoptiveltern mitreden. In einem klapprigen Van kurven die drei kreuz und quer durch Südkorea, verfolgt von Jugendamt und Polizei. Bei dieser herrlich chaotischen Odyssee wachsen sie sich (und uns) ans Herz. Broker ist das neue, gekonnte Feelgood-Movie des japanischen Meisterregisseurs Hirokazu Kore-eda („Shoplifters“), mit „Parasite“-Star Song Kang-ho in der Hauptrolle.
Narzissmus und Neurose. Signe und Thomas führen eine toxische Beziehung. Jeder versucht, den anderen zu übertrumpfen. Signe will Aufmerksamkeit, social fame. Wirft sich mit voller Absicht Unmengen Pillen ein, zu deren Nebenwirkungen gefährliche Hautreaktionen gehören, und geht dann mit ihren „rätselhaften“ Geschwüren zum Arzt. Mitleid allerorten, Thomas voller Reue, die Medien alarmiert, und klar, läuft die Sache gehörig aus dem Ruder. Sick of Myself ist eine schwer gelungene skandinavische „Non-Rom-Com“, schwarzhumorig und mit schönen, bösen Spitzen gegen die Auswüchse der Selbstbezogenheit.
Bloß nicht verlieben! Die alleinerziehende Mutter Charlotte (toll: Sandrine Kiberlain) und der verheiratete Simon (Vincent Macaigne) wollen eine „unverbindliche“ Affäre. Der gelungene Sex und das beredsam-kultivierte Aushandeln der Regularien aber führt halt doch rasch zum gewissen Mehr. Lust auf einen Dreier? Gedacht, getan – mit unerwarteten Folgen. Emmanuel Mourets Tagebuch einer Pariser Affäre ist eine gelungene, sehr unterhaltsame Komödie, die en passant all‘ die (modischen) Diskurse über Sex, Begehren, freie Liebe durchspielt und mit schöner Ironie ad absurdum führt.
Zu Kaisers Zeiten. Ging es in „Deutsch-Südwestafrika“ mit einem Vernichtungsfeldzug gegen die aufständischen Nama und Herero. Mittendrin Alexander Hoffmann (Leonard Scheicher), ein junger Ethnologe, der den wissenschaftlich verbrämten Rassismus seines Umfelds nicht teilt, aber doch Artefakte, Schädel und Skelette der Herero sammelt – und nach Kezia Kambazembi (Girley Charlene Jazama) sucht, der Dolmetscherin, die er einige Jahre früher bei der „Deutschen Kolonialausstellung“ in Berlin kennengelernt hatte. Lars Kraume („Der Staat gegen Fritz Bauer“, „Das schweigende Klassenzimmer“) erinnert mit Der vermessene Mensch an die historischen Wurzeln deutscher „Rassen“-Theorien und ihrer verbrecherischen Folgen.
Die letzten Tage Senecas. Kaiser Nero, Schüler des berühmten Philosophen (virtuos verkörpert von John Malkovich), befiehlt seinem einstigen Ziehvater aus Überdruss, sich selbst zu töten. Der gehört zu den reichsten Männern im alten Rom. Und nimmt sich noch etwas Zeit für philosophische Ausschweifungen und spitzfindige Lektionen. Robert Schwentkes Seneca – Über die Geburt von Erdbeben ist eine tiefschwarze Komödie, eine bitterböse Parabel über maßlose Macht, Eitelkeit und Opportunismus in totalitären Regimen. Also hochaktuell.
Keine Erlösung. Profikiller John Wick (Keanu Reeves) hat es sich auf seinen Rachefeldzügen mit der halben Unterwelt verdorben. Gegen Unterwelt-Boss Marquis de Gramont (Bill Skarsgård) stehen seine Chancen schlecht. John Wick: Kapitel 4 verspricht erneut Action, Stunts und wilde Ballereien.
Schräge Vögel. Jungspatz Richard ist mit seinen Storchenpflegeeltern in Afrika und gerät in ein turbulentes Abenteuer. Spätzin Samia und ihre Bande haben Ärger mit dem tyrannischen Pfau Zamano. Überflieger 2 – Das Geheimnis des großen Juwels ist Animationsspaß für die ganze Familie.
Auf der Bühne. Reiner Holzemer porträtiert in seiner gelungenen Doku Lars Eidinger – Sein oder Nichtsein den sensiblen, für seinen Beruf brennenden Ausnahmeschauspieler, während der Proben und Premiere des „Jedermann“ in Salzburg.
Stargeigerin. Anne-Sophie Mutter – Vivace zeigt die Ausnahmekünstlerin ganz privat, eine sportliche, politisch und sozial engagierte Frau.
Blindwütige Justiz. Sara Mardini und ihre Schwester Yusra retteten 2015 ein Schlauchboot mit Flüchtlingen zwischen der Türkei und Lesbos vor dem Untergang. Yusra schwimmt später bei den Olympischen Spielen, Sara engagiert sich auf Lesbos, wird als Schleuserin bezichtigt, verhaftet und wartet seither auf ihre Verhandlung. Sara Mardini – Gegen den Strom begleitet ihren jahrelangen Kampf um Gerechtigkeit.
Angst vorm Fliegen. Erica Jongs Roman „Fear of Flying“ verkaufte sich millionenfach. Erica Jong – Breaking the Wall porträtiert die humorvolle und wortmächtige Vorkämpferin für die sexuelle Emanzipation der Frauen.
Urszenen. Lore war sechs Jahre alt, als ihre Mutter nach Auschwitz deportiert wurde. Lore blieb DP, Displaced Person. Schweigt. Bis heute. Ihre Tochter Kim aber will mit ihr reden, über alles, was ihrer beider Leben beschädigt hat. Liebe Angst heißt die Doku.
Hermann Barth