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Kunst immersiv - Von der Ausstellung zur „Experience“

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Kunst als immersives 360-Grad-Erlebnis: Klimts Kuss - Spiel mit dem Feuer
Kunst als immersives 360-Grad-Erlebnis: Klimts Kuss - Spiel mit dem Feuer © Alegria

Von Van Gogh über Frida Kahlo zu Gustav Klimt - In „immersive experiences“ werden große Werke der Malerei neuartig präsentiert.

Immersion – Ein Wort, das seit einigen Jahren immer mehr in den alltäglichen Sprachgebrauch schlüpfen konnte. Während es in diversen naturwissenschaftlichen Disziplinen eigene Bedeutungen hat, meint es im kulturellen Kontext das Eintauchen und sich Verlieren in Film, Buch, virtueller Realität etc. Man fühlt sich also so, als wäre man umgeben oder physisch beteiligt von und an dem, was da vor einem passiert. Und wer kennt es nicht, dass man sich nach zwei Stunden gebannten Zusehens im dunklen Kinosaal kurz wieder daran gewöhnen muss, doch in München zu leben und nicht im wilden Westen, Weltall oder sonst wo?
Einen ganz ähnlichen Effekt wollen findige Veranstalter neuerdings auch durch eine weitaus ältere Form visueller Kunst erzielen: der Malerei. In den „immersive experiences“ werden Gemälde berühmter Künstler und Künstlerinnen in aufwändigen Projektionen zu sphärischer Musik an die Wand geworfen. Meist betritt man zu Beginn einen Raum, in dem Hintergrundwissen und Biografisches aufbereitet sind, um dann in einem größeren Saal gemütlich in einem Sitzsack Platz zu nehmen und vollkommen von den Projektionen verschluckt zu werden.

2022 startete mit Van Gogh Alive die erste Ausstellung dieser Art in München, die großen Anklang fand und mehrmals verlängert wurde. Beschrieben als „lebendige Symphonie aus Licht, kräftigen Farben, Klängen und Düften“ lockte sie im Besonderen auch Familien an – Die Kinder haben einen beeindruckenden Erstkontakt mit der Kunst, die Eltern und Großeltern können dem Eskapismus frönen.

Seit Mitte Dezember läuft im Utopia Viva Frida Kahlo. Tickets sind bereits mehrere Tage im Voraus ausverkauft. Für die Ausstellung Klimts Kuss – Spiel mit dem Feuer, die am 15.3. am selben Ort startet und eine fiktive Geschichte um Emilie Flöge die Muse und Lebensgefährtin des Wiener Jugendstilpioniers erzählt, sind auch bereits einige Tage ausgebucht. Ein Kassenschlager sind die „Immersive Experiences“ auf jeden Fall, aber sind sie denn auch besuchenswert?

Menschen mit Kunstexpertise rümpfen ein wenig prätentiös die Nase: Die Gemäldeprojektionen sind übergroß, je nach Projektionswinkel leicht verzerrt, nicht unbedingt farbecht und bewegen sich. Pinselstrich und Farbauftrag sind nicht gut zu erkennen und die Projektoren, sowie die Ausstellungsdesigner entscheiden, wie lange die Betrachtenden ihren Blick auf das Bild werfen dürfen. Ferner kann man sich fragen, ob manche Bilder, wie zum Beispiel Frida Kahlos Gemälde, in denen sie ihre Fehlgeburten verarbeitet, wirklich „immersiver“ dargestellt werden sollten und so mehr Kunstgenuss versprechen. Zu guter Letzt gibt es auch generell Maulende, die den Untergang des Abendlandes ausrufen, weil inzwischen sogar große Kunst bearbeitet werden muss, um unser aller verkümmerte Aufmerksamkeitsspannen zu befriedigen.

Viele der Kritikpunkte mögen im Kern ihre Richtigkeit besitzen, sind aber kein Grund zum Kulturpessimismus. Die Experiences sind beeindruckend und ein niedrigschwelliger Einstieg in die Welt der bildenden Kunst. Sie sind von Experten kuratiert und haben eine Dramaturgie, die auf Laien eine Sogwirkung entfalten kann. Zudem ist die Atmosphäre im Utopia bei weitem weniger exklusiv und still, als in so manchen Museen. Die Experiences sind ein Ausflug in die Welt der Kunst, der den Museumsbesuch nicht ersetzen soll. Sie sind eine eigene Darstellungsform von Kunst, die neben der musealen Präsentation von Malerei existiert und als solche höchstspannend ist – Für Neulinge und erfahrene Kunstfans.

Franz Furtner

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